(GZ-3-2024 - 1. Februar) |
► Deutscher Städtetag: |
Keine Einsparungen bei Jobcentern |
Die Städte warnen davor, bei den Jobcentern und Arbeitsagenturen Milliarden für Qualifikation und Weiterbildung einzusparen. Zudem unterstützt der Deutsche Städtetag eine schnellere Arbeitsaufnahme von allen Geflüchteten mit Bleibeperspektive und fordert eine Qualifizierungs- und Weiterbildungsoffensive für Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss, um mehr Fachkräfte zu gewinnen.
Wie der Präsident des Deutschen Städtetags, Oberbürgermeister Markus Lewe (Münster), nach Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss in Trier betonte, werde die Arbeit der Jobcenter und Arbeitsagenturen immer wichtiger, um Menschen in Arbeit zu vermitteln, weiterzubilden und die Lücken in den Firmen passend mit Fachkräften und Auszubildenden zu besetzen. Die Städte hielten es außerdem für richtig, auch die zugewanderten Menschen schneller in Arbeit zu bringen, als es bisher gelingt. „Wenn die Jobcenter und Arbeitsagenturen aber immer mehr und immer differenzierte Beratung und Vermittlungsleistungen anbieten sollen, dann brauchen sie auch die dafür notwendigen Ressourcen“, unterstrich Lewe. Dies betreffe sowohl das Personal als auch die finanzielle Ausstattung. Hier den Rotstift in Form von Sparauflagen in Milliardenhöhe anzusetzen, sei das völlig falsche Signal. So gehe dem Job-Turbo der Bundesregierung, den die Städte unterstützen, schon gleich am Anfang die Puste aus.
Potenziale für neue Arbeitskräfte mobilisieren
Wenn die Babyboomer in Rente gehen, gehen dem deutschen Arbeitsmarkt jedes Jahr hunderttausende Arbeitskräfte verloren. In den Rathäusern und öffentlichen Verwaltungen sind schon jetzt viele Stellen frei, die nur schwer besetzt werden können – und das bei wachsenden Aufgaben für die Kommunen. Deshalb müssen alle gesellschaftlichen Akteure daran arbeiten, die Potenziale für neue Arbeitskräfte zu mobilisieren. Notwendig hierfür wäre aus Sicht des Deutschen Städtetags die Arbeitsaufnahme von Migranten zu beschleunigen, indem Hürden wie Beschäftigungsverbote und Anerkennungsverfahren von Qualifikationen grundlegend überprüft werden, sowie eine gezielte Qualifizierungs- und Weiterbildungsoffensive, die bessere Perspektiven gerade für Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss schafft.
Augenmerk auf Geflüchteten mit Bleibeperspektive
Lewe zufolge sollte das Augenmerk allen Geflüchteten mit Bleibeperspektive gelten und nicht nur den Menschen aus der Ukraine und bereits anerkannten Asylbewerbern, die Bürgergeld beziehen. Geflüchtete, die den Städten zugewiesen wurden und absehbar länger in Deutschland bleiben, sollten möglichst schnell in Arbeit kommen. „Jahrelange Perspektivlosigkeit können wir uns nicht länger leisten. Deshalb muss auch die Anerkennung von Berufsabschlüssen und beruflicher Qualifikationen aus den Heimatländern schneller und unbürokratischer werden.“
Breites Hilfenetz
Trotz vieler offener Stellen und Fachkräftemangel sinkt die Zahl arbeitsloser Menschen kaum. Ein sehr großer Anteil dieser Menschen hat keinen Berufsabschluss. Jedes Jahr verlassen zudem fast 50.000 Jugendliche die Schulen ohne Schulabschluss. Vielfach sind es Jugendliche mit einem schwierigen Lebensumfeld, die trotz vieler offener Stellen keinen Ausbildungsplatz finden. „Um diese Menschen individuell zu fördern, gibt es in den Städten gemeinsam mit den Jobcentern ein breites Hilfenetz. Wir klingeln an den Türen und kümmern uns darum, dass sie Schul- und Berufsabschlüsse nachholen, sich orientieren oder ausbildungsfähig werden“, unterstrich Lewe. Für diese Menschen werde eine gezielte Qualifizierungs- und Weiterbildungsoffensive benötigt, die Lebensperspektiven schafft. „Das wäre auch ein Beitrag gegen den Arbeitskräftemangel.“
Die Städte wissen um den Spardruck der Bundesregierung nach dem Haushaltsurteil. Dies trifft auch die aktive Arbeitsmarktpolitik. Die Arbeitsagenturen werden in den nächsten vier Jahren über fünf Milliarden Euro einsparen müssen, die Jobcenter werden in ähnlicher Größenordnung weniger Mittel zur Verfügung haben. „Die Sparmaßnahmen schränken deutlich die Möglichkeiten ein, Menschen zu qualifizieren, weiterzubilden und die Integrationen zu finanzieren. Das kann nicht das letzte Wort sein“, so der Städtetagspräsident. „Die Jobcenter und Agenturen leisten bei der anstehenden Transformation in der Wirtschaft, bei der Integration und Zuwanderung einen unverzichtbaren Job. Der Bundesregierung muss klar sein: Wer an Weiterbildung und Qualifizierung spart, erschwert die Suche nach Arbeits- und Fachkräften erheblich.“
Bewussterer Umgang mit Wasser
Nach den heißen Sommern in 2022 und 2023 setzen sich die Städte darüber hinaus für einen bewussteren Umgang mit Wasser ein. Viele Jahrzehnte galt Wasser in Deutschland als praktisch unbegrenzte Ressource, erklärte Verbandsvizepräsidentin Katja Dörner, Oberbürgermeisterin aus Bonn. Spätestens die letzten Hitzesommer hätten allerdings eindringlich gezeigt, dass das keine Selbstverständlichkeit mehr ist: „Regional und saisonal kann es auch bei uns zu Wasserknappheit kommen. Wir brauchen einen bewussteren Umgang mit unserem Grundwasser sowie mit Wasser aus Flüssen, Bächen und Seen. Dürren und sinkende Grundwasserspiegel haben erhebliche Auswirkungen auf Menschen, Umwelt und Klima, aber auch auf Industrie und Landwirtschaft.“
Laut Dörner ist die Wasserversorgung in Deutschland sicher. „Aber wir müssen jetzt aktiv werden, damit das auch in Zukunft so bleibt. Bund und Länder müssen dafür den rechtlichen Rahmen schaffen.“ Um die Ressource Wasser besser zu schützen, brauche es mehr Daten zum Wasserverbrauch: Oft fehlten den Kommunen Informationen darüber, wer wie viel Grundwasser oder Wasser aus Flüssen, Bächen und Seen entnimmt, betonte Dörner. Denn bisher müsse nicht jede Entnahme etwa für Bewässerung in der Landwirtschaft genehmigt werden. Dies sei nicht mehr zeitgemäß. Dörner forderte daher klarere Regeln im Wasserhaushaltsgesetz. Nur wenn eine Gesamtübersicht vorliege, könnten frühzeitig Maßnahmen gegen Wasserknappheit ergriffen werden.
Regional sei es in den vergangenen beiden Sommern zu Wasserknappheit gekommen: Jeweils rund 80 Kommunen hätten Allgemeinverfügungen erlassen, die die Nutzung von Trink- und Grundwasser für bestimmte Zwecke beschränkten oder die Entnahme von Wasser aus Flüssen und Seen zeitweise untersagten. Bisher habe sich jede Kommune die Verfügung selbst stricken müssen. Deshalb wünschten sich die Städte hierzu klarere Leitlinien von Bund und Ländern. Zudem seien bundesweit einheitliche Entnahmeentgelte aus Grundwasser und Oberflächengewässern sinnvoll. Dabei gehe es nicht um Gebühren für Privathaushalte, sondern vor allem für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft. Derzeit gebe es in 13 von 16 Bundesländern Entnahmeentgelte, deren Höhe unterschiedlich sei.
„Unser sauberes Leitungswasser mit seiner außergewöhnlichen Qualität für die Bewässerung von Bäumen oder Feldern zu nutzen, ist in vielen Fällen vollkommen widersinnig“, stellte die Vizepräsidentin fest. Deshalb sprächen sich die Städte dafür aus, die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser dort zu vereinfachen, wo kein Wasser in Trinkwasserqualität benötigt wird. Dies sei auch der Ansatz des 2023 verabschiedeten „Water Reuse Act“ der EU, dessen Umsetzung Bund und Länder vorantreiben müssten. Dann könnte recyceltes Abwasser in bestimmten Fällen etwa zur Bewässerung in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Außerdem sollte der Anwendungsbereich der EU-Verordnung so erweitert werden, „dass auch wir Städte recyceltes Wasser zur Bewässerung unseres Stadtgrüns einsetzen können“.
Trierer Erklärung
In einer abschließenden „Trierer Erklärung“ unterstreicht der Deutsche Städtetag, es nicht hinzunehmen, „dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren“. Hintergrund ist das jüngst bekannt gewordene Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der Identitären Bewegung und die dort diskutierte Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland. „Unsere Städte gehören allen Menschen, die hier leben“, heißt es in der Erklärung.
„Unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Bewertungen politischer Themen, auch unterschiedliche Positionen zur Migrations- und Asylpolitik sind Teil unserer Demokratie. Demokratie braucht Auseinandersetzung, Demokratinnen und Demokraten müssen auch Streit aushalten und Widerspruch akzeptieren. Was wir nicht akzeptieren, ist, wenn der Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenlebens angegriffen wird: die Würde des Menschen.“
Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat müssten immer wieder neu verteidigt werden. Eine wehrhafte Demokratie lebe von einer aktiven und wachen Zivilgesellschaft vor Ort. Dies hätten Zehntausende Menschen in den vergangenen Tagen in zahlreichen Städten deutlich gemacht. Die Menschen, die aktuell gemeinsam auf die Straßen gehen, um Farbe zu bekennen für Demokratie und Menschenwürde, sendeten ein klares Signal der Solidarität – und gegen die Spaltung unserer Stadtgesellschaften.
DK
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