Kommunalverbändezurück

(GZ-4-2024 - 15. Februar)
gz kpv

► MdB Haase beim KPV-Landesvorstand und Hauptausschuss:

 

Mutig neue Wege gehen

 

Eine Bestandsaufnahme der politischen Lage in Deutschland stand im Zentrum der jüngsten Sitzung des KPV-Landesvorstandes und Hauptausschusses in München unter der Leitung des Vorsitzenden der KPV Bayern, Stefan Rößle. Hierzu stand KPV-Bundesvorsitzender Christian Haase, MdB, Rede und Antwort. Seine Einschätzung: „Kommunen und ländliche Räume sind der blinde Fleck der Ampelregierung. Die Ignoranz vor den Herausforderungen der Kommunen spiegelt auch der Haushalt 2024 wider.“

Vl.: Oliver Schulte, Carmen Pepiuk, Sebastian Franz, Stefan Rößle, Christian Haase, Eva Weber, Hannelore Langwieser und Kathrin Albsteiger. Bild: GZ
Vl.: Oliver Schulte, Carmen Pepiuk, Sebastian Franz, Stefan Rößle, Christian Haase, Eva Weber, Hannelore Langwieser und Kathrin Albsteiger. Bild: GZ

„Noch nie war die Stimmung im Land so schlecht wie jetzt“, machte Haase deutlich. Für die vollzogene Spaltung in Deutschland sei die amtierende Ampelregierung verantwortlich, die „komplett an den Menschen vorbei regiert“. Ihr fehle ein Gesamtkonzept zur Lösung der aktuellen Probleme. Haase registriert eine zunehmende Vertrauenskrise im Land. Dafür hätten die demokratischen Parteien Sorge zu tragen. Ihre vordringliche Aufgabe sei es, jene Themen zu besetzen, die die Bürger bewegen und nicht eigene Vorlieben in den Vordergrund zu stellen. Zudem müssten politische Abläufe und Entscheidungen nachvollziehbar erklärt werden.

Zukunftsinvestitionen gehen verloren

In Gesprächen mit Unternehmen nimmt Christian Haase wahr, „dass Zukunftsinvestitionen verloren gehen und damit ein schleichender wirtschaftlicher Abstieg verbunden ist“. Frustration mache sich breit, die derzeit deutschlandweit in Protestaktionen von Landwirten und solidarischen Handwerkern und Spediteuren gipfelt. In recht willkürlicher und überstürzter Weise habe die Ampelregierung händeringend nach Geld gesucht, damit in die Ertragssituation der landwirtschaftlichen Betriebe eingegriffen und somit nicht nur gegen volkswirtschaftliche Prinzipien der Stetigkeit und Planbarkeit verstoßen.

Angriff auf die ländlichen Räume

„Letztlich ist dies ein Angriff auf die ländlichen Räume“, unterstrich der KPV-Bundesvorsitzende und bemerkte: „Das Leben in den ländlichen Regionen ist ohne eine wettbewerbsfähige, moderne und zukunftsfeste Landwirtschaft undenkbar. Schließlich leben wir nicht nur in einer Natur-, sondern in einer Kulturlandschaft. Es geht daher in der Diskussion nicht nur um den Berufsstand, sondern auch um die Landschaft und die Region insgesamt.“

Die Ideen des Herrn Habeck

Liebevoll und ideenreich kümmere sich Wirtschaftsminister Habeck zwar um das Klima, „jedoch fällt ihm nichts ein, wie er die Wirtschaft in Gang bekommen soll“, fuhr der MdB fort. Und ringe er sich zu Maßnahmen durch, gingen diese „in Richtung Industriepolitik nach französischem Vorbild“. Dabei gehe es darum, große Industriekonzerne mit Subventionen gleichsam an den Staat zu binden und dessen Ziele zu verfolgen. Das aber habe hierzulande wenig Tradition. Aus Haases Sicht „müssen wir die Geschäftsmodelle überdenken und anpassen.“

Schwere Fehler der Ampel

Beim Thema Energie verwies der KPV-Bundeschef auf den schweren politischen Fehler der Ampel, vergangenes Jahr die drei letzten deutschen Atomkraftwerke stillgelegt zu haben. Freiwillig habe man sich eines günstigen Energieerzeugers entledigt. Ein Akt beispielloser Ignoranz.

Eine wichtige Komponente

in der Berechnung des Strompreises ist die EEG-Umlage, die jedoch nach wie vor nicht refinanziert sei. Mit ca. 10 Mrd. Euro liege man hier im Minus.

Hinzu komme das Fehlen nötiger Leitungen, durch die Strom von A nach B transportiert werden könnte. Im Falle der benötigten Stromtrassen werde es noch Jahre dauern, bis sie funktionieren, informierte Haase. Überdies kosteten sie eine Menge Geld, das der Bürger über die Netze wieder bezahlen müsse.

Bürokratielasten

Dass vor allem Energiegesetze zu kompliziert aufgesetzt wurden, zeigt ein Bericht des Normenkontrollrats (NKR) über die durch neue Gesetze verursachten Bürokratielasten. Diese haben im zurückliegenden Jahr ein Rekordniveau erreicht. Politischen Initiativen zum Bürokratieabbau erteilte der KPV-Bundesvorsitzende eine klare Absage. „Statt mutig neue Wege zu gehen, verstecken wir uns viel zu oft hinter Paragrafen. Unser Land braucht eine ‚Einfach-mal-machen-Mentalität‘. Wir wollen deshalb Bundesexperimentierräume einführen, um neues Recht zu erproben oder um bestehende Regelungen zu streichen. Dazu wollen wir Pilotregionen – auch grenz- überschreitend – als regulatorische Reallabore ermöglichen.

So könnte für eine bestimmte Dauer einfach mal getestet und dann analysiert werden. Was gut läuft, wird bundesweit ausgerollt“, erläuterte Haase.

„Wenn wir das Thema Bürokratie in Deutschland nicht lösen, werden wir die Unternehmen, den Mittelstand, aus Deutschland vertreiben“, prognostizierte der Abgeordnete. Es sei dringend notwendig, überflüssige Bürokratie auch zugunsten einer leistungsfähigen Verwaltung abzubauen. Kommunen benötigten mehr Freiräume sowohl durch pauschal zugewiesene Finanzmittel als auch die genannten Experimentierräume.

Lethargie im Land

Als störend empfindet Haase die Lethargie im Land. Eine Absenkung der Arbeitszeit von jetzt 38 auf 35 Stunden pro Woche für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich, wie etwa von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) gefordert, werde den Wohlstand auch vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und demografischer Entwicklung nicht halten können.

Leistungsbereitschaft sei unverzichtbar, wolle man den Anschluss an Europa und die Welt wieder herstellen. Hierfür müsse die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und ein Signal des Aufbruchs senden. Dies sei aktuell „mit einem Kanzler, der nicht spricht und seinem Umfeld, das nicht kommuniziert“, freilich äußerst schwierig, urteilte der MdB.

Als desaströs muss die Haushaltslage vieler Kommunen bezeichnet werden. Die Kommunalfinanzen befinden sich in der Schieflage, egal in welchem Bundesland. Laut Statistischem Bundesamt lag das kommunale Finanzierungsdefizit in den Flächenländern im ersten Halbjahr 2023 bereits bei 7,3 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Haase erfreut, dass in der sog. Heidelberger Erklärung der CDU Deutschlands sowie in ihrem neuen Grundsatzprogramm das Thema Kommunalfinanzen in aller Deutlichkeit angesprochen sei.

„Ohne vernünftige Kommunalfinanzen funktioniert keine Demokratie. Es geht darum, Grundlagen wiederherzustellen. Das müssen die Verantwortlichen in Berlin bei allem Verteilungskampf auch verstehen“, hob Haase hervor und ergänzte: „Wir glauben, dass wir als Bund auch ohne Förderprogramme, sondern beispielsweise über die Umsatzsteuer mehr Geld auf die kommunale Ebene bringen können, wenn wir die Aufgaben richtig priorisieren. Bedauerlicherweise macht das die Bundesregierung aber nicht.“

Haushalt muss verfassungskonform sein

Äußere und innere Sicherheit sowie die Wirtschaft müssten im Vordergrund stehen. Die Ampelkoalition aber lege ihr Augenmerk auf den Aufbau des Sozialstaats und das Bürgergeld. Haase:

„Wir verfügen über Steuereinnahmen in Höhe von 1 Billion und trotzdem wird der Ruf nach Aussetzen der Schuldenbremse laut. Ich bin dagegen. Wir müssen zurückkehren zu einem verfassungskonformen Haushalt, der die richtigen Prioritäten setzt, denn Deutschland hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Im Sinne nachfolgender Generationen muss auf nachhaltige Finanzen geachtet werden.“

Zuerst müsse man sich über die zu erledigenden Kernaufgaben im Klaren sein, ehe man über deren Finanzierung spricht, erläuterte der KPV-Bundeschef. Die Ampel aber öffne den Finanztopf, um ihre Wunschprojekte voranzutreiben. Beispiel neue Kindergrundsicherung: Für diese Transferleistung sollen Haase zufolge über 5.000 neue Vollzeitstellen bei der Bundesagentur für Arbeit geschaffen werden. Hinzu kommt, dass Versprechungen nicht eingehalten werden und Eltern auch weiterhin Anträge stellen müssen. Auch würden die Verfahren mitnichten schlanker, „sondern wir haben es mit einem massiven Bürokratieaufwuchs zu tun.“

Leistungen weiterhin aus einer Hand

War bisher das Jobcenter für Eltern im Bürgergeldbezug allein zuständig, sind nun die Familienkassen Ansprechpartner für die Kindergrundsicherung. Für weitere Leistungen aus dem Bildungspaket sollen die Kommunen zuständig sein. Und sind die Eltern unter 25 Jahre alt, sollen sie sich künftig nicht mehr ans Jobcenter wenden, sondern an die Arbeitsagentur. Anders als die Familienkassen sind die Jobcenter aber flächendeckend im ganzen Land vertreten. „Im parlamentarischen Verfahren muss hier dringend korrigiert werden: Gerade die ärmsten Familien, die am meisten auf unsere Unterstützung angewiesen sind, müssen sich auf bewährte und einfache Strukturen verlassen können. Sie sollten deshalb aus meiner Sicht weiterhin alle Leistungen – Bürgergeld und Kinderzuschlag – aus einer Hand beziehen“, unterstrich Haase. Die Reform sollte bewährte Strukturen nicht zerschlagen, sondern vielmehr im bestehenden System nachbessern.

Bereits 2026 soll der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder in Kraft treten. „Hier sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Rechtsanspruch mindestens ein Moratorium haben muss, weil er sonst schlichtweg nicht umsetzbar ist“, erklärte der KPV-Bundesvorsitzende. Auch in diesem Fall müsse die Politik den Menschen reinen Wein einschenken, da sie andernfalls nur enttäuscht würden. „Mit den Leuten zu reden, bringt am Ende mehr Erfolg, als viele Wolkenkuckucksheime zu bauen.“

Herausforderndes Jahr 2024

Bilanzierend sprach Haase von einem „für die Unionsfamilie herausfordernden Jahr“. Die Europawahl im Juni dürfe nicht zur „Abstrafwahl“ werden. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sei hier sicher der richtige Kommunikator für die EVP-Fraktion. „Wir brauchen eine starke EVP, die die Kernkompetenzen der EU stärkt und die überbordende Regelungswut und unnötige Eingriffe in die Kommunale Selbstverwaltung zurücknimmt. Nur so gewinnen wir wieder mehr Menschen für das europäische Projekt. Ein starkes Europa funktioniert nur mit starken Kommunen“, betonte Haase.

Mit Blick auf diverse Kommunalwahlen und eine zunehmend nach rechts abdriftende AfD ist nach seiner Meinung die Auseinandersetzung mit deren politischen Inhalten das richtige Mittel der Wahl. „Wir müssen Probleme in der demokratischen Mitte lösen, andernfalls machen wir die Ränder stärker. Letztlich sind auch die Demonstrationen, die sich gegen Rechtsextremismus richten, ein Protest gegen die eigene Regierung“, bekräftigte Haase abschließend.

DK

 

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