(GZ-4-2024 - 15. Februar) |
► Forderungen des Bayerischen Gemeindetags: |
Migration und Lehren aus „Betriebsunfall“ |
Der mit deutlicher Mehrheit von den Mehringer Bürgern abgelehnte geplante Windpark im bayerischen Chemiedreieck schlägt hohe Wellen. Im Staatsforst zwischen Altötting und Burghausen sollen nach dem Willen der Staatsregierung und der Staatsforsten 40 Windräder entstehen, davon zehn auf Mehringer Gebiet. „Grundsätzlich ist die Akzeptanz für die erneuerbaren Energien auch auf dem Land groß. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen stimmen und dazu gehören Mitbestimmung und finanzielle Teilhabe. Hieran hat es beim Windpark in Altötting bislang gefehlt“, kritisiert Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl.
Dr. Uwe Brandl.Bild: Fotografi/
So bemängelt der Verband seit langem, dass das Vergabeverfahren der Staatsforsten Bürgerbeteiligungsmodellen und kommunalen Betreibern wenig Zuschlagschancen gibt, „weil die Höhe der Pachteinnahmen im Vordergrund steht und man sich hinter einem juristischen Gutachten verschanzt“, erläutert Brandl. Dabei konnte der Gemeindetag in den seit Monaten laufenden Gesprächen mit den Staatsforsten auf ein Gutachten verweisen, das den Staatsforsten deutlich mehr Spielraum gebe, vorrangig örtliche Initiativen zum Zuge kommen zu lassen. „Bislang sind wir jedoch kein Jota weitergekommen,“ betont der Gemeindetagschef.
Auch ein anderer Vorschlag seines Verbandes sei bislang nicht aufgegriffen worden, so Brandl: Wenn man schon als Staatsforst die Pachteinnahmen in den Vordergrund stellt, dann könne man zumindest die betroffenen Gemeinden an diesen beteiligen. Davon profitierten alle vor Ort, da damit die klammen Gemeinden wieder Gestaltungsmöglichkeiten bekämen. Hessen praktiziere dies unter dem Stichwort „Windenergiedividende“ seit 2016 bereits erfolgreich. Die Bayerischen Staatsforsten sähen aber ihre Hände gebunden, da dies der Landtag entscheiden müsse.
Aber auch die Staatsregierung kann Brandl zufolge ihren Teil beitragen. Zwar verspreche der Koalitionsvertrag, dass die Wertschöpfungsmöglichkeiten für die Bürger und Kommunen vor Ort verbessert werden sollen, aber passiert sei bislang nichts. Und das obwohl zwischenzeitlich rechtlich feststehe, dass der Bund keine einheitlichen Regelungen schaffen kann – dies wollte der Freistaat abwarten. „Nun haben uns andere Länder überholt. Zum Beispiel Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es bereits solche Regelungen“, unterstreicht der Präsident. Nicht selten komme es vor, dass die Anlagenbetreiber sogar freiwillig über die Höchstgrenze der bundesrechtlichen Beteiligungsregelung Zuwendungen an die Gemeinden leisten wollen. „Aber die dürfen das nicht annehmen“, ärgert sich Brandl.
Migrationspolitik und steigende Zuzugszahlen werden auch in den nächsten Jahren im Zentrum der deutschen Politik stehen. Vor diesem Hintergrund hat das Präsidium des Bayerischen Gemeindetags in einem Schreiben an Innenminister Joachim Herrmann den Freistaat aufgerufen, beim Thema Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen Gemeinden, Märkte und Städte nicht im Regen stehen zu lassen. „Sie werden ihren Beitrag nur dann leisten können, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern“, heißt es.
Kommunen einbinden
Man wolle in einer gemeinsamen Anstrengung des Staates und aller kommunaler Akteure den Herausforderungen durch Flucht und Migration begegnen. Bund und Freistaat Bayern werden deshalb aufgerufen, die Städte, Märkte und Gemeinden künftig zwingend und rechtzeitig vor allen wichtigen Entscheidungen, die die Kommunen direkt oder indirekt betreffen, einzubinden. Da es sich bei der Unterbringung der Geflüchteten um eine Aufgabe des Freistaats Bayern handle, wird dieser aufgefordert, „anzuerkennen, dass die notwendige Folgeunterbringung durch den Staat gewährleistet werden muss und keine Zuständigkeit der Gemeinde aufgrund von Obdachlosigkeit gegeben ist“.
Zuständigkeit für die Unterbringung anerkennen
Zudem müsse Bayern seine Zuständigkeit für die Unterbringung von Personen aus dem Familiennachzug anerkennen und eine Unterbringung in staatlichen Unterkünften gewährleisten. Auch hier handle es sich nicht um einen Fall von Obdachlosigkeit. Auch habe sich der Freistaat auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass ein Familiennachzug ohne Nachweis ausreichenden Wohnraums zu keiner Zeit möglich ist. Auf eine Änderung des § 29 Abs. 2 Nr.1 Aufenthaltsgesetz sei hinzuwirken. Ein Familiennachzug „in die Grundsicherung“ sollte verhindert werden.
„Der Freistaat Bayern muss die Finanzierung der Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen vollständig übernehmen. Dies betrifft nicht nur die Kosten für Unterbringung, sondern auch für Kita, Schule und sonstige Integrationsleistungen. Bundesmittel zur Bewältigung der Folgen von Flucht und Migration sind vom Freistaat Bayern ungekürzt an die kommunale Ebene weiterzugeben“, heißt es weiter.
Der Freistaat wird dazu aufgefordert, weitere Anstrengungen für den angemessenen Umgang mit und die erfolgreiche Integration von geflüchteten Menschen zu unternehmen, insbesondere mit Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz. Dabei sollen insbesondere Beschäftigungs- bzw. Arbeitsmöglichkeiten sowie die Bildung und Betreuung von Kindern in den Blick genommen werden. Darüber hinaus müsse Bayern darauf hinwirken, dass die Landratsämter als Kreisverwaltungsbehörden regelmäßig aktuelle Informationen über die Zahl der geflüchteten, anerkannten und geduldeten Personen in den jeweiligen Gemeinden offengelegt werden.
Aufruf an die Gemeinden
Alle Gemeinden werden aufgerufen, ihren Beitrag zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen zu leisten. „Sollte in einzelnen Landkreisen keine einvernehmliche solidarische Lösung zur Verteilung der geflüchteten Menschen auf Gemeindeebene gefunden werden, ist in der Regel der Königsteiner Schlüssel heranzuziehen. Dabei sind alle bisher aufgenommenen Geflüchteten unabhängig von ihrem jeweiligem Verfahrensstand zu berücksichtigen“, betont das Gemeindetagspräsidium.
Zusagen des Bundes müssen eingehalten werden
Auch müsse der Freistaat darauf hinwirken, dass die Zusagen des Bundes eingehalten werden und weitere Maßnahmen zur Entlastung getroffen werden. Dies betreffe die Bereitstellung von Liegenschaften des Bundes für Ankerzentren, das Einführen einer Bezahlkarte, die europaweit gleichmäßige Verteilung von geflüchteten Menschen, die Harmonisierung der Integration -und Sozialleistungen innerhalb der EU, die Beschleunigung der Asylverfahren, die konsequente Rückführung von Personen ohne Bleibeperspektive sowie die Ausweitung der Zeitspanne, bis Asylbewerber Bürgergeld beziehen von 18 auf 36 Monate.
Laut Innenminister Herrmann fanden 2023 in bayerischer Zuständigkeit insgesamt 14.087 Aufenthaltsbeendigungen statt, davon 2.364 Abschiebungen und 11.723 freiwillige Ausreisen.
„Trotz schwieriger Rahmenbedingungen konnten wir die Zahl der Abschiebungen um fast 16 Prozent und die Zahl der freiwilligen Ausreisen sogar um rund 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern.“ Die meisten Abschiebungen fanden in die Herkunftsländer Georgien, Moldau und Nigeria statt. Herrmann kündigte an:
„Unser Ziel ist es, die Zahl der Aufenthaltsbeendigungen weiter zu erhöhen und Ausreisepflichtige rasch außer Landes zu bringen.“ Die bisherigen Maßnahmen und Planungen der Bundesregierung bezeichnete Herrmann als bei weitem nicht ausreichend und teilweise wenig hilfreich oder sogar hinderlich.
„Der Bund muss seinen Schlingerkurs aufgeben und statt markiger Worte mit tatsächlich wirksamen Maßnahmen die Länder unterstützen“, forderte der Staatsminister.
DK
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