(GZ-17-2024 - 12. September) |
► Deutscher Städtetag gibt Handlungsempfehlungen: |
Pflege und Versorgung älterer Menschen |
Die Auswirkungen des demografischen Wandels sind in den Städten bereits jetzt spürbar. Die Zahl der älteren Menschen nimmt zu, ebenso die der Pflegebedürftigen. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, Personal für die Pflege zu gewinnen oder auch nur zu halten. Die Kommunen sind oft die letzte Instanz, wenn andere Unterstützungssysteme nicht ausreichen, und tragen eine besondere Verantwortung für die Menschen vor Ort. In einem aktuellen Positionspapier zeigt der Deutsche Städtetag Herausforderungen der Kommunen bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen auf und leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen und Forderungen ab.
Nach Angaben des Deutschen Städtetags wird sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland allein durch die zunehmende Alterung bis zum Jahr 2055 auf etwa 6,8 Millionen erhöhen. Der derzeitige Aufwuchs an Pflegekräften könne ohne weitreichende Reformen mit der Altersentwicklung der Gesellschaft nicht Schritt halten.
Zudem stiegen die pflegebedingten Kosten immer weiter an. Leistungsausweitungen und Qualitätsverbesserungen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Vergütung und der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals hätten in den vergangenen Jahren zu einem höheren pflegebedingten Aufwand geführt, so der Kommunalverband. Hinzu kämen Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie für Investitionskosten.
Gefahr der Altersarmut
Trotz Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 seien immer weniger Menschen in der Lage, die anfallenden Kosten bei Pflegebedürftigkeit vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Pflegebedürftigkeit führe in immer mehr Fällen zu Altersarmut. Auch Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, seien allein aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit auf Sozialhilfe angewiesen.
Sofern pflegebedürftige Menschen die Aufwendungen nicht selbst übernehmen können und die Leistungen der Pflegeversicherungen zur Deckung der Kosten nicht ausreichen, haben die Kommunen den weitaus größten Teil der verbleibenden Kosten im Rahmen der Sozialhilfe zu übernehmen. Die mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) zum 1.1.2022 erfolgte Einführung der Leistungszuschläge nach § 43c SGB XI zur Begrenzung der Eigenanteile an den pflegebedingten Aufwendungen in der vollstationären Pflege war aus Sicht des Deutschen Städtetags ein richtiger und wichtiger Schritt. Allerdings genüge die Begrenzung der Eigenanteile nicht, um die Ausgaben nachhaltig zu senken. Insbesondere Personalkostensteigerungen hätten dazu geführt, dass diese punktuelle Entlastung bereits aufgezehrt wurde.
Mittlerweile liege die bundesdurchschnittliche Belastung pflegebedürftiger Menschen in Einrichtungen im ersten Jahr bei monatlich rund 2.800 Euro.
„Die Pflege und Versorgung älterer Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Städte, Bund, Bundesländer, Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen sind gemeinsam in der Pflicht. Den Städten ist es ein großes Anliegen, dass es gute und passgenaue Pflegeangebote gibt – vom Pflegeheim um die Ecke bis zur häuslichen Pflege mit Hilfe von Fachkräften. Sie werden ihre Verantwortung in der Daseinsvorsorge vollumfänglich wahrnehmen. Aber sie benötigen dafür passende Rahmenbedingungen und ausreichende finanzielle Ressourcen“, heißt es in dem Positionspapier. Es sei an der Zeit, grundlegende Reformen durchzuführen und die Pflegeversicherung zukunftsfähig zu gestalten. Nur durch ein koordiniertes und entschlossenes Handeln lasse sich sicherstellen, dass die Städte auch in Zukunft Orte des würdevollen und selbstbestimmten Alterns bleiben und die Versorgung für alle Menschen gesichert ist.
Folgende Maßnahmen sind laut Deutschem Städtetag deshalb unverzichtbar:
1. Eine gute kommunale Pflegeplanung ist Voraussetzung für den lokalen Aufbau bedarfsgerechter und effizienter Versorgungstrukturen. Die Pflegekassen sind zu verpflichten, den Kommunen die erforderlichen aktuellen und kleinräumigen Daten mindestens halbjährlich zur Verfügung zu stellen.
2. Zulassung und Förderung von Einrichtungen dürfen künftig nur noch nach Zustimmung durch die Kommune erfolgen. Alle im Sozialraum wesentlichen Akteure sind zur verbindlichen Teilnahme an kommunalen Pflegekonferenzen zu verpflichten.
3. Die Pflege einschließlich der vorpflegerischen Versorgung ist sozialraumorientiert auszurichten.
4. Die Pflegeberatung ist in die Verantwortung der Kommunen zu geben. Die Finanzierung soll weiterhin zum überwiegenden Teil durch die Pflegekassen erfolgen. Alle am Pflegeprozess beteiligten Akteure haben sich angemessen zu beteiligen. Beratung, Bedarfsfeststellung, Versorgungsplanung und Case-Management müssen in einen zeitlichen und organisatorischen Zusammenhang gebracht werden.
5. Pflegende An- und Zugehörige benötigen ein besseres Angebot an Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen. Ihr Engagement ist auch finanziell angemessen zu honorieren.
6. Das neue Personalbemessungsinstrument (PeBeMe) muss einen flexibleren Personaleinsatz und vorübergehende Standardabsenkungen in personellen Notlagen ermöglichen.
7. Um mehr Fachkräfte für die Altenpflege zu gewinnen, muss die Anerkennung von ausländischen Ausbildungs- und Berufsabschlüssen für Gesundheitsberufe erleichtert werden.
8. Sektorengrenzen müssen aufgelöst werden. Es bedarf hierzu einer Innovationsklausel, die die Entwicklung innovativer Angebots- und Versorgungsstrukturen ermöglicht. Sie muss durch ein Förderprogramm für innovative Ansätze ergänzt werden.
9. Der Bau barrierearmer Wohnungen sowie der Umbau im Bestand sind besser als bislang zu fördern. Die Finanzierung notwendiger Wohnungsanpassungen durch die Kranken- und Pflegekassen ist auszuweiten.
10. Technische Hilfsmittel und Assistenzsysteme sind in den Leistungskatalog des SGB XI aufzunehmen. Es ist ein Digitalpakt Pflege zu initiieren, mit dem notwenige Investitionsmaßnahmen angestoßen und finanziert werden.
11. Der Bund wird aufgefordert, die Pflegeversicherung als Vollversicherung auszugestalten. Zumindest hat ein Sockel-Spitze-Tausch zu erfolgen. Die Diskriminierung versicherter pflegebedürftiger Menschen mit Behinderung bei den Leistungen der Pflegeversicherung muss beendet werden, indem § 43 a SGB XI aufgehoben wird.
DK
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