(GZ-23-2024 - 5. Dezember) |
► Beschluss der KPV-Bundesvertreterversammlung: |
„Pakt des Vertrauens“ |
Rund 500 Teilnehmer aus ganz Deutschland wohnten dem traditionellen Bundeskongress der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands in Bielefeld bei, um unter dem Motto „Solide Kommunalfinanzen“ zu diskutieren und Forderungen an das neue CDU-Wahlprogramm zu beschließen. Neben dem Thema Finanzen ging es auch um Energie, Klimaschutz, Migration und Kinderbetreuung.
Christian Haase (l.), Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Höxter, ist erneut zum Bundesvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU Deutschlands (KPV) gewählt worden. 98 Prozent der Delegierten stimmten für den Politiker aus Beverungen. Sein Stellvertreter ist erneut der Landesvorsitzende der bayerischen KPV, Landrat Stefan Rößle (r.). Dem Bundesvorstand gehören zudem folgende bayerische Vertreter an: Sebastian Franz, Geschäftsführer der KPV der CSU, Landrat Christoph Göbel (München); Hannelore Langwieser (2. Bürgermeisterin der Stadt Mainburg, Bezirks- und Kreisrätin). Bild: © Alexandra Unger
Der wiedergewählte KPV-Bundesvorsitzende, MdB Christian Haase, zog eine positive Bilanz des Kongresses: „Wir haben ein ganzes Paket von Beschlüssen gefasst, die eine klare Ansage für eine neue Politik im Land sind“, denn die Ampel habe abgewirtschaftet und die kommunale Selbstverwaltung sträflich vernachlässigt. „Stark aufwachsende Lasten im Sozialbereich, neue Aufgaben ohne Finanzierung, mehr Bürokratie, neue Haushaltsrisiken und keine Antworten auf die zentralen Fragen von Stadt und Land und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft: Dies muss dringend geändert werden“, bekräftigte Haase.
Revitalisierung der kommunalen Selbstverwaltung
Aus kommunaler Sicht seien die Problemlagen vielfältig und unterm Strich gehe es um das mangelnde Vertrauen, das die Kommunen von den Ebenen EU, Bund und den Ländern verspüren. Landräte und (Ober-) Bürgermeister und ihre Verwaltungen hielten Deutschland am Laufen. Daneben seien es die rund 75.000 ehrenamtlichen Amts- und Mandatsträger der Union, auf deren Entscheidungskompetenz man vor Ort zählen könne und denen Respekt und Anerkennung gebühre. „Wir fordern einen ‚Pakt des Vertrauens‘, der der kommunalen Selbstverwaltung wieder neues Leben einhaucht. Wir als Christdemokraten und Christsoziale wollen die Verantwortung und wir wollen das Vertrauen.“
Vertrauen müssen Haase zufolge aber auch die Bürgerinnen und Bürger zu ihrer Kommunalverwaltung haben. „EU, Bund und die Länder verkennen die strategische Bedeutung der Kommunen für die Akzeptanz des Staates, der staatlichen Leistungen und der staatlichen Verantwortung. Die Bürgerinnen und Bürger erleben mehr und mehr an ihrer oder bereits jenseits ihrer Leistungsfähigkeit agierende Kommunen. Und damit wird den Menschen vor Ort die drohende Dysfunktionalität der kommunalen Ebene als wichtigster Ansprechpartner für die Bürger vor Augen geführt wird. Ein unhaltbarer Zustand“, so der Bundesvorsitzende.
Formal müsse dafür nur das Grundgesetz (Art. 28 Abs. 2) mit Leben erfüllt werden. Es gewährleiste den Kommunen das Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Dieses Recht gelte es wieder in den Mittelpunkt zu stellen. „Deshalb erwarten die Kommunalen der Union vom nächsten Wahlprogramm der Union ein klares Bekenntnis zu dieser Verantwortung des Bundes, um auch gegenüber den Bundesländern, der Europäischen Union und internationalen Institutionen die kommunale Selbstverwaltung zu erhalten und neue Freiräume zu erschließen.“
„Die Kommunen benötigen zur grundsätzlich garantierten Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eine aufgabenangemessene auskömmliche Finanzausstattung, die insbesondere freiwillige Leistungen, die die Lebensqualität in den Kommunen steigern, ermöglicht. Hieraus ergibt sich eine zwingende Beteiligung der Kommunen am gesamtstaatlichen Steueraufkommen. Die Union muss in Zukunft im Bund und den Ländern alle kommunalen Steuerquellen insbesondere solche mit Hebesatzrechten sowie die Einnahmen aus Abgaben und Gebühren langfristig garantieren“, heißt es in dem von der Delegiertenversammlung beschlossenen Vertrauenspakt.
Fehler beseitigen
Die Kommunalpolitiker von CDU/CSU erwarten, dass die Union in der nächsten Legislatur die „grundsätzlichen Konstruktionsfehler“ beseitigt. Rechtsansprüche durch Bundesgesetze dürften sich trotz Zustimmung der Länder nicht direkt an die Kommunen richten. Länder müssten Rechtsansprüche übernehmen und gegenüber ihren Kommunen vollumfänglich finanzieren. „Wir brauchen ein Moratorium der bestehenden Leistungsgesetze und Standardsetzungen der letzten Legislaturperioden: Wenn nachweislich Kommunen höhere Kosten durch die gesetzlichen Vorgaben des Bundes entstehen als der Bund gemeinsam mit den Ländern tatsächlich erstattet, müssen diese Vorgaben bis zur Klärung der Finanzierung eingefroren werden.
Konkret fordern wir die Aussetzung der bestehenden Rechtsansprüche auf Kinderbetreuung bis zur vollumfänglichen Finanzierung und die Aussetzung aller betreffenden zusätzlichen Baustandards.“ „Insbesondere die Sozialausgaben, die einen immer größeren Anteil an den Kommunalausgaben einnehmen, sind kostentreibend“, heißt es weiter. Sie stiegen insbesondere durch bundesgesetzlich vorgegebene Leistungsausweitungen sowie Standarderhöhungen und träfen den gesamten kommunalen Bereich durch die Umlagenfinanzierung der Gemeindeverbände. Dabei seien strukturschwache Kommunen in doppelter Hinsicht betroffen.
Verbot des Bundesdurchgriffs
„Die Union muss dafür sorgen, dass dieser Mechanismus in den kommenden Jahren durchbrochen wird. Das Verbot des Bundesdurchgriffs muss wieder geachtet werden. Wir wollen einen Sachverständigenrat beim Bundesfinanzministerium unter Beteiligung der Vertreter der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kommunalpolitik, der die bestehenden gesetzlichen Vorgaben bei den bestehenden Leistungsgesetzen hinsichtlich ihrer kommunalen Wirkungen untersucht und Vorschläge unterbreitet, wie echte Konnexität hergestellt werden kann“, machten die Kommunalpolitiker deutlich.
Aktuell hätten die Kommunen in der Gesetzgebung kaum eine Chance, Folgekosten realistisch abzuschätzen und Folgewirkungen nachzuvollziehen, weil die frühere „Ampelregierung“ den kommunalen Spitzenverbänden häufig – und nicht nur bei besonders eilbedürftigen Vorhaben – extrem kurze Fristen zur Abgabe von Stellungnahmen eingeräumt habe. Stellungnahmen entfalteten keine Wirkung und neuerdings eingesetzte zusätzliche Bürgerräte höhlten nur die Demokratie aus.
Basierend auf den Jahresrechnungsergebnissen der kommunalen Haushalte hätten sich die Sozialausgaben innerhalb der vergangenen 20 Jahre mehr als verdoppelt. Die Ausgaben für Sachinvestitionen seien nur um ein Drittel gestiegen. Das Nettoanlagevermögen der Kommunen liege durchgängig im negativen Bereich, was deutlich zeigt, dass mehr Werte über Abschreibungen aufgezehrt werden als durch Investitionen neu geschaffen werden können. Die Kommunen lebten bei ihrer Infrastruktur seit Jahrzehnten von der Substanz; der auch von der KfW regelmäßig ermittelte Investitionsrückstau wachse kontinuierlich. Nicht zuletzt der Einsturz der Brücke in Dresden lege den Finger in die Wunde: „Um unser Land zukunftsfähig und wettbewerbsfähig zu halten, muss nicht nur ‚alte‘ Infrastruktur ersetzt, sondern vielmehr neue Infrastruktur insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Energie errichtet werden“, so die Forderung der Bundes-KPV.
Auch weist sie darauf hin, „dass die Kommunen und ihre Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Klimaanpassung leisten und mehrere hundert Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren müssen.“ Stadtwerke und kommunale Unternehmen benötigten für die notwendigen Investitionen zusätzliche Finanzierungswege oder mehr Eigenkapital, um etwa Strom- und Wärmenetze auszubauen, Gas- in Wasserstoffnetze umzubauen oder Ladesäulen für PKW zu errichten. Dadurch könnten die Ausschüttungen an die kommunalen Eigner – eine wesentliche Einnahmequelle der kommunalen Haushalte – künftig geringer oder sogar ganz ausfallen. Die bisherige Finanzierung anderer Aufgaben, wie beispielsweise des öffentlichen Personalverkehrs oder von Bädern, würde somit nicht mehr zur Verfügung stehen.
„Wir erwarten von der Union eine Lösung der Investitionsbremsen: Wir wollen schlankere Verfahren, geringe bürokratische Vorgaben und die Mobilisierung öffentlichen und privaten Kapitals. Wir schlagen dazu vor, einen Investitionsfonds zu errichten, der sich aus Anleihen, Rententrägern, Pensionskassen und Rücklagen der öffentlichen Hand speist und projektgebunden das notwendige Kapital den Kommunen anbietet.“
Gefordert wird überdies eine angemessene aufgabengerechte Beteiligung der Kommunen am gesamtstaatlichen Steueraufkommen und ein zusätzlicher Anteil am Aufkommen an der Umsatzsteuer. Zukünftige Mittel aus der Umsatzsteuer müssten unabhängig von der Wirtschaftskraft zum Ausgleich von Strukturschwäche verteilt werden.
Da aktuell bei der Grundsteuer ein nicht unerhebliches Einnahmerisiko der Städte und Gemeinden bestehe, erwartet die Bundes-KPV von der Union, das Risiko des Totalausfalls der Grundsteuer zu minimieren. „Wir wollen kurzfristig eine bundesgesetzliche Initiative, die es den Ländern ermöglicht, unabhängig vom bestehenden Grundsteuergesetz landesgesetzliche Grundsteuerregelungen zu erlassen und anzuwenden. Diese bundesgesetzliche Initiative greift die Länderöffnungsklausel des Grundsteuergesetzes auf und entzieht sie durch eine eigenständige bundesgesetzliche Grundlage dem laufenden Klageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Auf diese Weise erhalten zumindest die Kommunen der Länder mit bestehenden vom Bundesgesetz abweichenden Grundsteuerregelungen größere Planungssicherheit.“
Neuausrichtung der Kommunalfinanzen
Mit Blick auf das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse gehe es bei der Neuausrichtung zukunftsfähiger Kommunalfinanzen auch darum, strukturelle Unterschiede zwischen den Kommunen zu berücksichtigen und auszugleichen. Förderprogramme von Bund, Ländern und EU erwiesen sich aufgrund der Ausgestaltung oftmals als kontraproduktiv, weil sie häufig nicht dort ankommen, wo der Bedarf am größten ist, sondern von strukturstarken Kommunen intensiv genutzt werden können, die zur Administration der Programme in der Lage sind. Insofern seien Förderprogramme zum Teil auch Ausdruck einer nicht auskömmlichen allgemeinen Finanzierung der Kommunen.
„Kommunaladressierte Förderprogramme des Bundes binden Mittel und Personal vor Ort. Sie blähen auch beim Bund den Personalbestand auf. Förderprogramme sind kompliziert konstruiert, so dass Kommunen Mittel nicht abrufen. Gerade struktur- und finanzschwache Kommunen haben oftmals weder ausreichend Personal zur Beantragung noch ausreichend Personal zur Umsetzung von Förderprogrammen.“ Diese entpuppten sich immer wieder als „Goldene Zügel“ und weckten Erwartungen bei den Bürgern, die langfristig nur schwergehalten werden könnten.
„Wir wollen Förderprogramme reduzieren, vereinfachen und zu 100 Prozent digital abwickeln. Wir wollen sie möglichst in der Städtebau- und Regionalförderung zusammenfassen. Dabei ist Städtebau- und Regionalförderung die zentrale Säule des Bundes, um für nachhaltigen Wohn-, Arbeits- und Lebensraum in Stadt und Land zu sorgen. Jeder staatlich gegebene Euro löst dabei sieben bis neun privatfinanzierte Euros aus. Bund und Länder müssen daher die Städtebau- und Regionalförderung dauerhaft auf einem hohen finanziellen Niveau halten, um die Kommunen langfristig bei der Anpassung an die demografischen, gesellschaftlichen und klimatischen Herausforderungen zu unterstützen.“
Das Sterben kommunaler Krankenhäuser sei für die Gesundheitsversorgung vor Ort ein alarmierendes Zeichen, heißt es weiter. Die Krankenhausreform der Bundesregierung sei gegen die Länder verhandelt worden, weswegen die Zukunft der örtlichen Gesundheitsversorgung ungewiss ist. Dabei bildeten kommunale Krankenhäuser das Fundament einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung in Deutschland, insbesondere mit Blick auf den Zivilschutz, auf die Notfallversorgung und auf eine immer älter werdende Gesellschaft. Deshalb seien auf Bundes- und Landesebene strukturfördernde Maßnahmen zu ergreifen, um den nachhaltigen Bestand der Versorgung zu sichern.
Standards auf den Prüfstand
In aller Regel seien die Kommunalverwaltungen diejenigen, die gesetzliche Standards von Bund und Ländern umsetzen müssen. Angesichts der angespannten Finanzlage, des Fachkräftemangels und einer überbordenden Bürokratie müssten diese Standards aber fachübergreifend auf den Prüfstand gestellt werden. Zudem solle beim Setzen künftiger Standards stärker berücksichtigt werden, was vor Ort leist- und umsetzbar ist. Zielführend könne es daher sein, die mit der Gemeindefinanzkommission begonnene Aufgabe der „Standard-Überprüfung“ wieder aufzunehmen.
Fazit: „Wir brauchen dringend wieder Wirtschaftswachstum und die Union als Zukunftsmotor: Wir müssen die Probleme unseres Landes deutlich benennen und realistisch pragmatische Lösungen anbieten. Der Schlüssel zur Stabilität, Funktionsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands liegt in den Kommunen. Wir machen Deutschland stark, wenn wir die Kommunen stärken. Wir können besser regieren.“
DK
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