Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2025 - 16. Januar)
gz dstgb

► DStGB-Bilanzpressekonferenz:

 

Starke Kommunen möglich machen

 

„Die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden ist bedroht. Das Finanzierungsdefizit der Kommunen wächst auf mehr als 17 Milliarden Euro an. Trotz aller Anstrengungen schaffen es die meisten Kommunen nicht mehr, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Politik in Bund und Ländern muss unverzüglich handeln, um nicht die Funktionsfähigkeit unseres Staates insgesamt aufs Spiel zu setzen“, unterstrichen DStGB-Präsident Dr. Uwe Brandl und Hauptgeschäftsführer Dr. André Berghegger im Rahmen der Bilanzpressekonferenz des kommunalen Spitzenverbandes in Berlin. Kommunen müssten seit mehr als 20 Jahren immer mehr Leistungen erbringen, ohne dafür von Bund und Ländern eine ausreichende Gegenfinanzierung zu erhalten. „So kann und darf es nicht weitergehen.“

Fakt ist: Die Ausgaben für soziale Leistungen steigen ungebremst an. Gleichzeitig ist die konjunkturelle Lage angespannt, die Einnahmen stagnieren. Hinzu kommen Transformationsaufgaben, wie etwa der Umbau des Energiesystems oder die Anpassung an den Klimawandel.

Leistungsgrenze ist erreicht

Brandl und Berghegger zufolge ist die Grenze des Leistbaren vielerorts erreicht. Für immer neue und komplexere Aufgaben fehle den Kommunen nicht nur das Geld, sondern immer häufiger auch das Personal, weshalb ein „grundlegender Kurswechsel“ erforderlich sei.

Stabilitätsanker Kommunen

Gerade in Zeiten der Krise seien die Kommunen als Stabilitätsanker gefordert. Städte und Gemeinden stellten das Fundament der Demokratie dar. Hier hätten die Bürgerinnen und Bürger den ersten Kontakt mit dem Staat. „Wir brauchen starke Kommunen für ein starkes Gemeinwesen und ein starkes Land. Umso mehr muss es alle politischen Ebenen alarmieren, wenn die kommunalen Kapazitäten finanziell, organisatorisch und personell an immer mehr Orten nicht einmal mehr für die pflichtigen Aufgaben ausreichen. Wo die Infrastruktur bröckelt, Daseinsvorsorgeleistungen nur noch mit Mühe erbracht werden können und Streichungen bei Sport- oder Kulturangeboten notwendig werden, sinkt die Zufriedenheit der Menschen und damit auch das Vertrauen in den Staat insgesamt“, betonte die Verbandsspitze.

Notwendig seien eine grundlegende Aufgabenkritik und ein Moratorium bei neuen staatlichen Leistungsversprechen. „Neue Standards, Rechtsansprüche und gesetzliche Leistungen sind nicht mehr erfüllbar, ohne dass das Bestehende ehrlich überprüft und angepasst wird“, stellten Brandl und Berghegger klar. Gleichzeitig sei eine strikte Anwendung des Konnexitätsprinzips zwischen Bund und Kommunen notwendig. Städte und Gemeinden dürften nicht länger Ausfallbürgen für Bund und Länder sein. Allein bei den Ausgaben für soziale Leistungen verzeichneten die Kommunen Jahr für Jahr Anstiege im zweistelligen Prozentbereich. Im Jahr 2025 werden sie erstmals mehr als 80 Milliarden Euro für diesen Bereich aufwenden müssen.

Kurswechsel

Zum notwendigen Kurswechsel gehört aus Sicht des DStGB auch, die Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen. Automatisierung und Künstliche Intelligenz könnten deutlich zu einer Entlastung der Kommunen beitragen, führten Brandl und Berghegger aus. Zudem biete die Digitalisierung die Chance, grundsätzlich über eine Aufgabenverteilung im Staat zu sprechen:

„Städte und Gemeinden sind nicht die Filialen von Bund und Ländern. Wenn es nur darum geht, Leistungen zu erbringen, bei denen es kein Ermessen vor Ort gibt, müssen wir die Frage stellen, ob diese nicht auch zentral erbracht werden können. Die KFZ-Zulassung ist ein Beispiel dafür, wie es im digitalen Zeitalter gelingen könnte, Personal und Kosten zu sparen.“

Apropos Kosten: Die Finanzsituation der Kommunen hat sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich verschlechtert. Mit Blick auf die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit vor Ort kann der Deutsche Städte- und Gemeindebund keine positiven Signale oder Entwicklungen erkennen.

„Die Tatsache, dass kaum noch finanzielle Kapazitäten verbleiben, um die Infrastruktur in Deutschland zu sanieren, geschweige denn zu modernisieren, sollte deutlich mehr Alarmbereitschaft auf allen politischen Ebenen hervorrufen“, erklärten Brandl und Berghegger.

In nahezu allen Bereichen, von der Straße über die Schulen bis hin zu den Sportstätten, mache sich der Substanzverlust bei der technischen und sozialen Infrastruktur deutlich bemerkbar. Seit Jahrzehnten werde zu wenig in die öffentliche Infrastruktur investiert. Auf Ebene der Kommunen liege der wahrgenommene Investitionsrückstand bei 186 Milliarden Euro. In den vergangenen zehn Jahren habe sich dieser Wert mehr als verdoppelt. Über die Hälfte des Investitionsstaus gehe dabei auf die Bereiche Bildung und Verkehrsinfrastruktur zurück.

„Wir müssen den Substanzverlust stoppen und in den Investitions-Modus schalten. Nur so kann es uns gelingen, dass wir international nicht noch stärker zurückfallen und Made-in-Germany wieder zum Aushängeschild werden kann“, forderten die Verbandschefs.

Die chronische Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden sei die größte Hürde für kommunale Investitionen. Hinzu kämen nicht-monetäre Hindernisse wie begrenzte Kapazitäten in der Bauverwaltung, steigende Baupreise, überbordende Administration, teilweise zu hohe und damit in der Regel teure Baustandards oder lange Gerichtsverfahren bei Klagen. Kommunalpolitik findet laut Brandl und Berghegger „nicht im Wolkenkuckucksheim statt, sondern mit dem größten und nächsten Bezug zu Menschen vor Ort. Wir brauchen zusätzliche Handlungsspielräume statt überbordender Bürokratie.“

Von der Bundespolitik erwartet der DStGB in der neuen Legislaturperiode insbesondere folgende Maßnahmen:

1. Die kommunale Investitionskraft muss mit einem Investitionsprogramm gestärkt werden. Die gesamtstaatliche Steuerverteilung ist zugunsten der Kommunen zu reformieren. Staatliche Sozialleistungen müssen zielgenau und effizient sein. Die Kommunen tragen derzeit gesamtstaatlich rund 25 Prozent der Ausgaben, erhalten jedoch nur rund 14 Prozent der gesamtstaatlichen Steuereinnahmen. Die Sozialausgaben haben sich in 15 Jahren verdoppelt und die Tendenz ist weiter stark steigend. Das liegt nicht zuletzt an deutlichen Aufgaben- und Standarderweiterungen durch den Bund. Deutschlands wirtschaftliche Stärke und Wohlstand müssen vorrangig gesichert werden. Ohne starke Infrastruktur keine starke Wirtschaft.

Deshalb müssen Investitionen jetzt Vorrang haben. Durch die dramatische finanzielle Lage ist die kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt. Kommunale Rettungspakete genügen jetzt nicht mehr. Wir brauchen ein Moratorium: Neue Standards, Rechtsansprüche und gesetzliche Leistungen sind nicht mehr erfüllbar, ohne dass das Bestehende „ehrlich“ überprüft und angepasst wird.

2. Die Zuwanderung muss gesteuert, geordnet und begrenzt werden. Es bedarf einer gemeinsamen groß angelegten Integrationsoffensive von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die Fachkräftezuwanderung muss beschleunigt werden. Die Kommunen brauchen die Zeit und die Möglichkeit, denen gut zu helfen, die der Hilfe bedürfen. Allein seit 2022 sind rund 2 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen, die integriert werden müssen. Die Kraft und die Ressourcen reichen jedoch dafür vor Ort nicht mehr aus. Die Sozialstandards in der EU müssen nach Kaufkraft vereinheitlicht werden. Der Bund muss mit seinen Kompetenzen mehr Verantwortung bei Abschiebungen übernehmen. Die Zuwanderung von dringend notwendigen Fachkräften ist verfahrensmäßig zu beschleunigen.

3. Die äußere und innere Sicherheit muss gestärkt werden. Das beinhaltet auch eine deutliche Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes. Die vergangenen Jahre haben vor Augen geführt, dass Sicherheit und Freiheit auch im Zentrum von Europa nicht mehr selbstverständlich sind. Auf diese Situation müssen wir uns einstellen. Neben dem deutlichen Ausbau der äußeren Sicherheit ist es zwingend notwendig, die innere Resilienz Deutschlands zu stärken. Dazu beitragen könnte die Einführung eines verbindlichen Gesellschaftsjahres. Der Zivil- und Katastrophenschutz und die Klimafolgenanpassung unter Einbeziehung der Eigenverantwortung der Bevölkerung sind auszubauen. Um vorhandene Konzepte umzusetzen, muss der Bund in den nächsten Jahren ausreichend Mittel bereitstellen.

4. Die Digitalisierung staatlicher Dienste ist dringend voranzubringen. Benötigt wird eine deutliche Entbürokratisierung. Bis 2030 werden allein auf der kommunalen Ebene rund 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen. Daher müssen die Digitalisierungspotenziale konsequent genutzt werden. Der Bund muss zusammen mit den Ländern klare und einheitliche Vorgaben machen und Lösungen präsentieren. Durchgehend digitale Prozesse sind zu ermöglichen und dabei muss der Datenschutz pragmatisch ausgestaltet werden. Die Kommunen wissen vor Ort am besten, was benötigt wird. Sie brauchen keine Kleinststeuerung in Förderprogrammen und Verwaltungsvereinbarungen durch den Bund und die Länder. Bundes-Förderprogramme sollten daraufhin überprüft werden, ob die Mittel nicht besser nach pauschalen Kriterien für einen bestimmten Zweck an die Städte und Gemeinden gegeben werden.

5. Die frühkindliche Bildung und Betreuung muss flexibilisiert und ausfinanziert werden, um den Betreuungsumfang sicherstellen zu können. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter muss im investiven Bereich und im Betrieb an den tatsächlichen Kosten orientiert ausfinanziert werden. Angesichts fehlender pädagogischer Kräfte lässt er sich auch nicht vollständig erfüllen. Zumindest sollte eine zeitliche Verschiebung beschlossen werden. Die Kita-Kosten steigen in kürzester Zeit in ungeahnte Höhen, Personalmangel führt zu immer mehr Gruppenschließungen. Neben pädagogischen Fachkräften müssen in diesen Bereichen auch weitere geeignete Personen zugelassen werden, heißt es abschließend in der Resolution des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

DK

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Kommunalverbände

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung