Politikzurück

(GZ-10-2018)
gz landespolitik

► Landtag verabschiedet Polizeiaufgabengesetz:

 

Neuregelungen von CSU-Mehrheit durchgesetzt

Nach einer sehr emotionalen und kontroversen Debatte hat der Landtag in dritter Lesung mit den Stimmen der CSU die umstrittene Novellierung des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) beschlossen. Dabei geht es einerseits um die Umsetzung der Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz und die Verbesserung der Rechte der Bürger auf Basis der neuen EU-Datenschutzverordnung. Andererseits erweitert es wesentlich die Befugnisse der Polizei in den Bereichen Überwachung und Fahndung und verlagert deren Eingriffsmöglichkeiten weit ins Vorfeld möglicher schwerer Straftaten.

Die wichtigste Neuerung besagt, dass die Polizei künftig schon bei einer „drohenden Gefahr“ tätig werden kann. Dabei handelt es sich stets um präventive Maßnahmen, wie zum Beispiel das Erteilen von Kontaktverboten, die verdeckte Ermittlung, das Abhören von Telefongesprächen, das Öffnen von Paketen oder die Durchsuchung von Computern. Darüber hinaus kann die Polizei in Zukunft die „erweiterte DNA“ erheben und zur Fahndung nutzen. Dazu gehören die äußeren Merkmale einer Person wie Augen- und Haarfarbe oder die Feststellung der Herkunft. All diese Maßnahmen bedürfen jedoch der richterlichen Zustimmung. Bisher konnte die Polizei erst bei einer sogenannten „konkreten Gefahr“ tätig werden.

Schutzgesetz, nicht Überwachungsgesetz

Innenminister Joachim Herrmann erklärte, die Verhinderung von Straftaten sei Kernaufgabe der Polizei. Die neuen Regelungen brächten mehr Sicherheit, stärkere Bürgerrechte und besseren Datenschutz. Er verwies auf die aktuelle bundesweite Kriminalstatistik, aus der eindrucksvoll hervorgehe, dass Bayern das mit Abstand sicherste Bundesland sei. Hier könnten die Bürger auch weiter „frei und sicher leben“. Dies bezwecke und gewährleiste vor allem das neue PAG. „Es ist ein Schutzgesetz und kein Überwachungsgesetz“‚ betonte er.

Verbreitung groben Unfugs

Massiv kritisierte Herrmann, dass auf zahlreichen Demonstrationen gegen das Gesetz Unwahrheiten und „grober Unfug“ verbreitet würden. Damit würden „in unverantwortlicher Weise Angst und Schrecken vor der Polizei geschürt“. Kein rechtschaffener Bürger müsse sich vor den bayerischen Ordnungshütern fürchten, machte der Innenminister deutlich. Auch künftig könne niemand grundlos überwacht und weggesperrt werden. Eine Vielzahl polizeilicher Befugnisse stünde unter dem Vorbehalt einer richterlichen Zustimmung. Falschen Behauptungen wolle er eine Aufklärungs- und Informationskampagne entgegensetzen. Herrmann bekräftigte den Vorschlag von Ministerpräsident Dr. Markus Söder, die praktische Umsetzung des PAG von einer Expertenkommission aus Verfassungsrechtlern, Datenschützern und Polizeipraktikern sowie von einem Bürgerdialog begleiten zu lassen.

Opposition warnt vor „Überwachungsstaat“

Die Opposition hingegen sieht in dem neuen PAG eine unangemessene Ausweitung polizeilicher Präventivbefugnisse und warnte vor einem „Überwachungsstaat“. Dazu erklärte die SPD-Landeschefin, Natascha Kohnen, das neue PAG mache Bayern nicht sicherer. Der Freistaat brauche kein Überwachungsgesetz, das ohne Respekt vor den Menschen von der CSU im Landtag „durchgepeitscht“ werde. Und die Polizei brauche keine neuen Befugnisse, sondern mehr Personal zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Die Eingriffsrechte schon bei „drohender Gefahr“ veränderten die „Sicherheitsarchitektur“ erheblich. Aus dem Gesetz spreche ein „tiefes Misstrauen“ der CSU gegenüber der Bevölkerung, da die neuen Regelungen nicht der Terrorabwehr dienten kritisierte Kohnen.

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erachtete das neue PAG aufgrund der hervorragenden Sicherheitslage in Bayern für unnötig. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Bürgerrechte derart beschnitten würden. Söders Vorschlag einer Evaluierungskommission und eines Bürgerdialogs sei „lächerlich und grotesk“. Erst ein Gesetz zu beschließen und danach einen Dialog zu führen sei kein „feiner Stil“ urteilte Schulze. Sie kündigte, wie auch die SPD, eine Verfassungsklage gegen das Gesetz an.

Atempause gewünscht

Die Sicherheitsexpertin der Freien Wähler, Eva Gottstein, sprach von der „größten Änderung“ des PAG seit Bestehen des Freistaats. Dadurch erhalte die Polizei Eingriffsrechte, die bislang nur Richtern und Staatsanwälten vorbehalten gewesen seien. Ihr Fraktionskollege Florian Streibl riet zur Rücknahme des Gesetzes. Es sei landauf landab sichtbar, dass dieses PAG den Menschen Angst mache und die Gesellschaft spalte, sagte er. Dringend nötig sei eine „Atempause“, um die vielfältige Kritik von Verfassungsrechtlern und Datenschützern noch einmal in Ruhe bewerten zu können. Zudem warnte Streibl die CSU vor Machtmissbrauch.

Bestmöglichen Schutz für die Bürger

CSU-Fraktionschef, Thomas Kreuzer, verteidigte das neue PAG. Es biete den Bürgern bestmöglichen Schutz vor schwersten Straftaten und ein Höchstmaß an Rechtssicherheit. Kreuzer räumte ein, dass es hier um eine „äußerst schwierige Abwägung“ zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit gehe. Dem werde das neue PAG in vollem Umfang gerecht. Technischer Fortschritt und veränderte Bedrohungslagen machten es erforderlich, der Polizei neue Befugnisse „auf der Höhe unserer Zeit“ an die Hand zu geben. Dafür schaffe das neue PAG die nötigen Rechtsgrundlagen. Dies führe jedoch nicht zu einem Überwachungsstaat.

Klagen gegen das PAG

Dem widersprach der SPD-Rechtsexperte, Franz Schindler. Die von Herrmann und Kreuzer aufgeführten Beispiele für die Notwendigkeit neuer Polizeibefugnisse seien „falsch und konstruiert“. Gegen mutmaßliche Bombenleger oder Kapitalverbrecher könne die Polizei schon jetzt auf der Grundlage bestehender Gesetze präventiv vorgehen. Schindler kündigte Klagen gegen das PAG sowohl vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof als auch vor dem Bundesverfassungsgericht an. Auch werde geprüft, ob in Karlsruhe zumindest einzelne Punkte des Gesetzes per einstweiliger Anordnung sofort wieder außer Kraft gesetzt werden können.

Das neue PAG wurde mit 89 zu 67 Stimmen verabschiedet, wobei SPD, Freie Wähler und Grüne dagegen stimmten. Die oppositionellen Änderungsanträge wurden von der CSU-Mehrheit abgelehnt. Das Gesetz tritt bereits am 25. Mai in Kraft.

RM

GemeindeZeitung

Politik

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung