Damit die medizinische Versorgung in der Fläche nicht gefährdet wird, ist es nach Ansicht der Präsidien des Bayerischen Landkreistags und des Landkreistags Baden-Württemberg unbedingt erforderlich, auf Bundesebene etwas für die Krankenhäuser in den Landkreisen zu bewegen.
„Wir fordern insbesondere eine Berücksichtigung der regionalen Kosten- und Lohnstruktur bei der Krankenhausfinanzierung. Krankenhäuser in Baden-Württemberg und Bayern dürfen nicht deshalb schlechter dastehen, weil hier die Löhne höher sind als anderswo in Deutschland.
Schließlich zahlen die Menschen im Süden wegen der höheren Löhne auch mehr Geld in die Gesundheitskassen ein“, so der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Landrat Joachim Walter (Tübingen).
„Das Spannungsfeld zwischen dem Finanzierungsdruck durch die Krankenkassen, medizinischer Spezialisierung und Notlagen bei der Fachkräftegewinnung werde sich immer stärker auf die Patienten auswirken. Wenn der Bund seinen Kurs in der Krankenhauspolitik nicht den tatsächlichen Realitäten vor Ort anpasst, sieht es für die Versorgung unserer Bürger düster aus“, betonte der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Christian Bernreiter (Deggendorf).
Wohnortnahe Versorgung in Krankenhäusern
„Behandlungen der medizinischen Grundversorgung müssen auch in Zukunft möglichst familien- und wohnortnah in erreichbaren Krankenhäusern möglich sein“, so der Appell der beiden Präsidien. „Für uns gehören dazu unter anderem Geburten, altersbedingte Krankheitsbilder der Inneren Medizin, viele neurologische Fragen, aber auch der geriatrische Versorgungsbedarf in einer alternden Gesellschaft. Dass sich die medizinische Versorgung – auch durch Spezialisierung – stetig verbessert, unterstützen wir. Nichtsdestoweniger brauchen wir auch flächendeckende Grund- und Regelangebote.“
Chancen der Digitalisierung in der Medizin nutzen
Die Spezialisierung in der Medizin müsse gemeinsam mit den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung betrachtet werden. Durch die Ausbildung von digitalen Kliniknetzwerken, auch zwischen Maximalversorgern und kleineren Häusern in der Fläche, könne das Fachwissen an den Leuchttürmen der Spitzenmedizin in die Fläche transportiert werden. Gute Beispiele seien dafür telemedizinische Schlaganfallnetzwerke, wie sie in Baden-Württemberg und Bayern schon aufgebaut sind.
Anspruch auf auskömmliche Finanzierung
Wie die Kommunalverbände erläuterten, haben die im Krankenhausplan als bedarfsnotwendig festgestellten Krankenhäuser unabhängig von ihrer Größe Anspruch auf eine auskömmliche Finanzierung ihrer Betriebs- und Investitionskosten. Vielerorts seien die defizitären Ergebnisse der Häuser ein Ergebnis der Nichtberücksichtigung des erhöhten Lohn- und Preisniveaus. Gleichzeitig würden wirtschaftlich lukrative Standorte durch private Anbieter herausgegriffen.
Die flächendeckende und mithin oftmals nur defizitär zu betreibende Versorgung der Bevölkerung mit stationären medizinischen Dienstleistungen verbleibe dann bei den kommunalen Trägern. Um die auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen, müsse der Bund die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend verändern.
Bei der Ausgliederung des Pflegebudgets aus den DRG-Fallpauschalen ab 2020 dürfe es nicht dazu kommen, dass die Sachkosten unterbewertet und die Krankenhäuser auf dem Defizit sitzen bleiben. Deswegen müsse nach der Ausgliederung des Pflegebudgets eine Korrektur der Sachkostenerstattung vorgenommen werden. Auch die Hebammen müssten im Pflegebudget berücksichtigt werden.
Gemeinsame Verantwortung von KVs und Krankenhäusern
Die von Bundesgesundheitsminister Spahn vorgeschlagene Reform der Notfallversorgung wird grundsätzlich begrüßt – zumindest soweit sie sich auf die Krankenhäuser bezieht –, da damit der Realität der ambulanten Notfallversorgung durch die Krankenhäuser Rechnung getragen wird.
Allerdings müsse bei der weiteren Diskussion zum Gesetzgebungsverfahren abgewartet werden, ob die gemeinsame Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhäuser für die Integrierten Notfallzentren (INZ) zielführend ausgestaltet werden kann. Die Reform dürfe auf keinen Fall zu einem Rückzug der Notfallversorgung aus der Fläche führen; auf eine auskömmliche Finanzierung der Notfallversorgung sei zu achten. Zudem wurden die Staatsregierungen in Bayern und Baden-Württemberg aufgefordert, die intersektorale Betrachtung der notfallmedizinischen Versorgung krankenhausplanerisch in den Blick zu nehmen.
„Leistungserbringer im intersektoralen (ambulant/stationär/Rehabilitation/Pflege) und im intrasektoralen Bereich (z. B. zwischen Haus- und Fachärzten) müssen einfacher zusammenarbeiten können“, lautete eine weitere Forderung. So könnte einem Ärztemangel auf dem Land mit einer stärkeren Öffnung der Kliniken für die ambulante Versorgung entgegengewirkt werden. Freilich scheitere dies bislang nicht zuletzt an den überkommenen Strukturen und gegensätzlichen Interessen der Beteiligten, die ohne (bundes-) rechtliche Ermächtigung nicht normativ übersteuert werden können.
Vor dem Hintergrund weiter wachsender Patientenzahlen, eines zunehmenden Fachkräftemangels und einer starken Verteuerung des ärztlichen Dienstes seien zudem alle Möglichkeiten der Delegation ärztlicher Tätigkeit zu nutzen – nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch um den ärztlichen Nachwuchs zu entlasten. Bereits heute gebe es funktionierende Modelle der ärztlichen Delegation von Aufgaben an geschultes Personal, die der Arzt nicht persönlich ausführen muss.
Um eine weitere Verschärfung des Ärztemangels abzuwenden, müssen aus Sicht der beiden Präsidien die Studienplatzkapazitäten in der Medizin deutlich ausgebaut und die Ausbildungsfächer der Allgemeinmedizin ebenso wie des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Rahmen der Curricula gestärkt werden. Die Zugangsvoraussetzungen für das Medizinstudium sollten flexibilisiert und die Weiterbildung zum Hausarzt verbessert werden.
Pflegeberuf muss attraktiv für junge Menschen sein
Darüber hinaus sollte die zum 1. Januar 2020 startende generalistische Pflegeausbildung zum Erfolg geführt werden. Der Pflegeberuf müsse für die jungen Menschen attraktiv sein. Ohne das erforderliche Pflegepersonal könnten die vom Bundesgesundheitsminister jetzt qua Verordnung zum Jahreswechsel vorzugebenden Personaluntergrenzen nicht eingehalten werden. Sowohl in den Krankenhäusern als auch in den Pflegeheimen herrsche bereits heute akuter Pflegekräftemangel.
Daneben seien auch die Bemühungen zur Anwerbung ausländischer Mediziner und Pflegekräfte zu verstärken. Hinderlich sei es dabei, wenn die notwendigen Gleichwertigkeitsprüfungen bei der Anerkennung ausländischer Studien- und Berufsabschlüsse zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Gerade die Chancen und Möglichkeiten, die sich durch eine Digitalisierung in der Medizin für die Versorgung der Bevölkerung ergeben, müssten offensiv angegangen werden. Dabei gehe es nicht nur allein um die Verfügbarkeit von schnellen Internetverbindungen in allen Stationen der Häuser, sondern auch um die Eröffnung reibungslos funktionierender sektorenübergreifender Versorgungspfade, digitale Optimierung der logistischen Abläufe in den Häusern – orientiert an der Industrie 4.0 – oder beispielsweise die qualitätsichernde Video-Konsultation bei Maximalversorgung.
Grundlegende Reform der Pflege
Unumgänglich ist nach Auffassung der Landkreistage zudem eine grundlegende Reform der Pflege. Hintergrund sind unter anderem die jüngsten Überlegungen zur Entlastung von Angehörigen. Der sich zuspitzende Pflegenotstand, die demografische Entwicklung, der steigende Fachkräftemangel und Finanzierungsdefizite bei einzelnen Pflegeformen tun ihr Übriges.
Was das Angehörigen-Entlastungsgesetz betrifft, so wird der für die Betroffenen erfreuliche Vorstoß begrüßt. Was bleibt, sind die auf die Kommunen zukommenden Kosten. Hierzu habe sich Berlin bislang nicht geäußert, obwohl für die kommunalen Amtsträger eines klar ist: Wer anschafft, hat auch zu bezahlen.
„Der Ansatz, Familien von pflegebedürftigen Menschen zu entlasten, ihre finanzielle Situation zu verbessern und die familiäre Pflegebereitschaft zu stärken, ist gut und richtig. Der Bund kann unsere Kommunen auf den dadurch entstehenden Mehrkosten aber nicht sitzen lassen. Wir würden erheblich finanziell belastet. Zudem hat das Gesetz auch eine große gesellschaftspolitische Dimension. Wir würden einen tragenden Grundsatz des Sozialhilferechts aushebeln, wonach nur demjenigen Hilfe gewährt wird, der sie nicht von anderen (insbesondere von unterhaltspflichtigen Angehörigen) erhalten kann“, stellte Bernreiter fest.
Mit der geplanten Reform werde der Familienbund als solcher endgültig ins Wanken gebracht, fuhr der Präsident fort: „Wir haben die Sorge, dass sich Angehörige schneller dafür entscheiden, ein pflegebedürftiges Familienmitglied in ein Pflegeheim zu geben, wenn dafür keine Unterhaltszahlungen mehr anfallen. Die Erfahrungen in Österreich, wo jüngst die Anrechnung von Vermögen der Pflegebedürftigen gestrichen wurde, zeigen neben einem beträchtlichen Kostenanstieg auch einen Anstieg der Heimanträge.“
Bund muss Mehrbelastungen kompensieren
Aus Sicht der Präsidien ist der Bund gefordert, gemeinsam mit den Ländern geeignete Wege zu finden, wie etwa die Ausgaben bei der Hilfe zur Pflege zu begrenzen und die Mehrbelastungen ab Inkrafttreten der Bundesgesetze unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Zuständigkeiten in den Ländern vollständig und dynamisch zu kompensieren.
Große Sorge bereitet den Landräten aus beiden Bundesländern die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung ab 2020. Die Pflegeschulen und die Träger der praktischen Ausbildung seien in vielen Landkreisen noch weit davon entfernt, die für den Start der neuen Ausbildung notwendigen Kooperationsverträge abzuschließen. Wegen der Engpässe bei der Pädiatrie und der Psychiatrie bestehe insgesamt die Gefahr, dass mit der neuen Ausbildung nicht mehr Ausbildungsplätze angeboten werden können, sondern es sogar zu einem Einbruch kommt.
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