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(GZ-21-2021)
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► Gleichstellungsgesetz:

 

Landtag plant Reform

 

Die regelmäßigen Gleichstellungsberichte der Staatsregierung zeigen: Noch immer haben es Frauen in der Arbeitswelt schwerer als Männer, obwohl die Beseitigung bestehender Nachteile Verfassungsauftrag ist. Der Landtag plant daher nach 25 Jahren eine Gesetzesreform anzustoßen. Wie diese aussehen könnte, diskutierten acht Fachleute bei einer Anhörung im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes. Während die Wissenschaft die drei konkreten Stellschrauben Diversitätsplan, Transparenz und Weiterbildungen empfiehlt, wurden auch Forderungen zu Sanktionen und Klagerecht laut.

Bereits im Jahr 1996 trat das Bayerische Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Kraft. Trotzdem: Nur 85,5 Prozent der Dienststellen in Bayern haben einen Gleichstellungsbeauftragten und nur 79 Prozent ein Gleichstellungskonzept. Das stellte gleich zu Beginn der Expertenanhörung im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes im Bayerischen Landtag der Gleichstellungsbeauftragte im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Dr. Michael Knabel, heraus. Wegen fehlender Sanktionsmöglichkeiten könnten die Verantwortlichen in den Dienststellen „aber nur freundlich auf den Missstand hingewiesen werden“. Er sprach sich daher dafür aus, das Gleichstellungsgesetz wie im Bund um ein Klagerecht zu erweitern.

Diskussion um Beförderungsstopp

Bettina Messinger, Vorsitzende des Bezirksfrauenausschusses des Deutschen Gewerkschaftsbunds und Landesbezirksfrauensekretärin bei ver.di Bayern, bezeichnete das Gleichstellungsgesetz als „zahnlosen Tiger“. Um das zu ändern, forderte sie einen Einstellungs- und Beförderungsstopp, solange eine Behörde kein Gleichstellungskonzept habe. Darin müssten auch verbindliche Regelungen für Freistellung, Geldmittel und Büroausstattung enthalten sein. Der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbunds, Rainer Nachtigall, hält die Wirkung des Gleichstellungsgesetzes in den vergangenen 25 Jahren für „überschaubar“. Im neuen Gesetzentwurf wünschte er sich, dass die Ziele nicht mehr unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen. Grundsätzlich sollte laut Nachtigall vom „unterrepräsentierten Geschlecht“ gesprochen werden, weil das innerhalb der Lehrerschaft zum Beispiel Männer seien. Einstellungsstopps als Sanktion lehnte er ab.

Warnung vor Sanktionen

Peter Meyer, Direktor der Bezirksverwaltung Oberfranken, warnte ebenfalls vor solchen Sanktionen für Dienststellen. „Wir können froh sein, überhaupt ausreichend Personal zu finden.“ Wenn es kein Gleichstellungskonzept gebe, lägen dafür objektive Gründe vor. Gremien paritätisch zu besetzten, hielt er für rechtlich schwierig umsetzbar: „Wenn der gewählte Gemeindetag nicht paritätisch besetzt ist, können entsprechend auch die jeweiligen Gremien nicht paritätisch besetzt werden.“

Klagerecht im Saarland

Tessa Hillermann, Dozentin an der Saarländischen Verwaltungsschule, erklärte, im Saarland sei das Gleichstellungsgesetz bereits 2015 novelliert und um eine Freistellungsstaffel ergänzt worden. Wenn dort Zielvorgaben der Dienststellen nicht erreicht werden, können sie sanktioniert werden. Außerdem wird die Frauenbeauftragte dort gewählt, erhält ab 1000 Bediensteten einen zusätzlichen Mitarbeitenden und hat ein Klagerecht. „Eine große Klagewelle ist bisher aber ausgeblieben.“

Verbesserungsvorschläge für höheren Frauenanteil

Die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt München, Nicole Lassal, kritisierte die aktuell „weichen“ Formulierungen im Gleichstellungsgesetz. Sie wünschte sich eine dienstliche Beurteilung differenziert nach Vollzeit, Teilzeit, Qualifikationsebene sowie Männern und Frauen. „Es kann nicht sein, dass Teilzeitbeschäftigte immer schlechtere Bewertungen haben.“ Auch müssten alle Führungsstellen in Voll- und Teilzeit ausgeschrieben werden – dann steige auch der Frauenanteil. Petra Müller-März, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der bayerischen Gleichstellungsstellen, forderte mehr Zeit für die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten, sie an Bewerbungsverfahren zu beteiligen und für den Krankheitsfall Stellvertretende zu ernennen. Auch sollte im Gesetz mit aufgenommen werden, dass die Personalabteilung gemeinsam mit den Gleichstellungsbeauftragten das Konzept erstellt. „Über die Zuständigkeit gibt es oft Streit.“

Fokus auf drei Stellschrauben

Dr. Annette Spiekermann, Gleichstellungsbeauftragte an der Technischen Universität München, nannte aus der Forschung drei elementare Stellschrauben für einen Wandel der Arbeitskultur: Erstens brauche es einen Diversitätsplan zur Frauenförderungen. Zweitens einen transparenten Recruiting-Prozess und drittens Weiterbildungsmaßnahmen. Paritätische Gremien lehnte sie für männerdominierte Bereiche ab: „Sonst müsste ich an der TU in allen Gremien sitzen.“

Anna Schwamberger (Bündnis 90/Die Grünen) forderte in der anschließenden Aussprache, Gremien als Übergangslösung nicht paritätisch, sondern lediglich zu 40 Prozent mit dem unterrepräsentierten Geschlecht zu besetzen.

Dr. Simone Strohmayr (SPD) war erstaunt, dass gerade im Öffentlichen Dienst Gesetze nicht richtig umgesetzt werden. „Wenn es keine Gleichstellungskonzepte gibt oder sie nicht auf den aktuellen Stand gebracht werden, muss es daher Sanktionsmöglichkeiten geben“, unterstrich sie und erwähnte als genanntes Beispiel das Saarland.

Andreas Jäckel (CSU) warf ein, dass sich das Gesetz vom Saarland nicht eins zu eins auf Bayern übertragen ließe. „Natürlich müssen wir aber je nach Beruf und Dienststelle das unterrepräsentierte Geschlecht im Blick behalten“, betonte er.

„Gemischte Gruppierungen bringen im Wissenschaftsbereich bessere Ergebnisse als eingeschlechtliche Gruppen“, sagte Dr. Wolfgang Heubisch (FDP). Daher müsse an den Hochschulen das Kaskadenmodell eingeführt werden, bei dem sich der Frauenanteil an der darunter liegenden Qualifizierungsstufe orientiere.

Gerald Pittner (Freie Wähler) wies darauf hin, dass Behörden oft zu wenig Bewerbungen von Frauen bekämen. Daher müsse die Frauenquote auch immer mit der Einstellungsquote verglichen werden.

 

 

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