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(GZ-21-2021)
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► Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz auf dem Prüfstand:

 

Zwischenbilanz im Gesundheitsausschuss

 

In einer Anhörung des Gesundheits- und Sozialausschusses gaben Experten eine Zwischenbilanz zum Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Sie kritisierten unter anderem die nicht flächendeckende Umsetzung. Zudem käme es aufgrund von Personalmangel mitunter zu Zwangseinweisungen. Ein Monitoring könne helfen, die Prozesse zu optimieren. Celia Wenk-Wolff vom Bayerischen Bezirketag zog eine positive Bilanz: „Das PsychKHG hat viele Partner vernetzt und neue Gespräche angestoßen.“

2018 hat der Landtag das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) verabschiedet. Dieses besteht aus zwei Teilen: Im ersten geht es darum, die Hilfe für psychisch kranke Menschen zu verbessern. Wichtigster Baustein dabei ist die landesweite Einführung von Krisendiensten. Im zweiten – strittigeren Teil wird die Zwangseinweisung von psychisch kranken Menschen geregelt.

Umsetzung nicht flächendeckend

Martina Heland-Gräf vom Bayerischer Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen hatte lange für ein PsychKHG gekämpft. Sie bemängelte aber, dass es in Bayern nicht flächendeckend in derselben Intensität umgesetzt werde. „Zwangsmaßnahmen sind nicht überall Ultima Ratio“, berichtete sie. Heland-Gräf verlangte mehr Fortbildungsmaßnahmen für die Polizei und mehr Kontrollen von psychischen Einrichtungen, die wegen Corona oft ausgefallen seien. Sozialrechtsanwalt Dr. Rolf Marschner glaubte nicht, dass sich in den letzten drei Jahren an der Unterbringung psychisch kranker Menschen in Bayern etwas geändert habe. „Wie schon im vorherigen Gesetz steckt auch im PsychKHG viel Unterbringung und wenig Hilfe“, kritisiert er. Marschner vermisste Steuerungsinstrumente, einen gemeindepsychiatrischen Verbund und eine gesetzliche Grundlage für sozialpsychiatrische Dienste mit verbindlich aufsuchenden Hilfen.

Erweiterung der Dienste von Krisenteams

Der Leitende Polizeidirektor, Oliver Etges vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord, lobte zwar die Zusammenarbeit mit den Krisendiensten, war aber mit einigen Verwaltungsvorschriften unzufrieden. So werde die Polizei in manchen Fällen nicht über die Entlassung einer Person benachrichtigt, obwohl von ihr noch eine Gefahr ausgehe. „Manchen Kliniken fehlt auch das Equipment und das Personal, um die Person bei der Einweisung zu überwachen.“ Etges forderte zudem mehr mobile Krisenteams. Karl Heinz Möhrmann, Vorsitzender der Angehörigen psychisch Kranker in Bayern, hob die flächendeckende Verankerung der Krisendienste im Gesetz positiv hervor. Er forderte aber eine Erweiterung der Dienste in Richtung nachsorgender Betreuung. „Auch gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zur Betreuung chronisch psychisch erkrankter Menschen.“ Möhrmann verlangt außerdem mehr personenzentrierte Angebote wie die stationsäquivalente Behandlung zu Hause.

Zwangseinweisung wegen Personalmangel

Davor Stubican vom Paritätischen Wohlfahrtsverband hätte sich Informationen über die Entwicklung der Unterbringungszahlen gewünscht. Zwangsmaßnahmen zu senken sei schließlich ein Ziel des PsychKHG gewesen. Doch bisher liegen keine Daten vor. Selbst wenn, werden diese nur bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung erhoben, nicht bei regulären psychiatrischen Krankenhäusern. „So lassen sich keine Erkenntnisse gewinnen.“ Stubican bezeichnete diesen Zustand als „Webfehler“ des Gesetzes. Der Geschäftsführer des Krisendienstes Mittelfranken, Volker Haßlinger, tat sich mit einer Bewertung des PsychKHG schwer. Viele Zahlen hätten wegen der Corona-Krise nur wenig Aussagekraft. Gleiches gelte für die Krisendienste Oberbayern und Mittelfranken, die erst im Juli 2021 mit der Arbeit begonnen haben. Dringend gelöst werden müsse laut Haßlinger der Pflegepersonalmangel. „Dieser führt oft zu Zwangsmaßnahmen, die mit mehr Personal hätten vermieden werden können.“

Monitoring für Prozessoptimierung

Der Ärztliche Direktor des kbo-Inn-Salzach-Klinikums und Sprecher für seinen Berufsstand in Oberbayern, Prof. Dr. Peter Zwanzger, forderte zusätzlich zu den blanken Unterbringungszahlen ein Monitoring wie in Baden-Württemberg, um Prozesse zu verbessern. „Das können wir mit dem aktuellen Meldesystem nicht.“ Auch müsste mehr Werbung für die Krisendienste gemacht werden. Insgesamt sah Zwanzger das PsychKHG aber auf einem guten Weg. Lob kam auch von Dr. Alexander Korte, Leitender Oberarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum München. Er hob die 24-Stunden-Hotline der Krisendienste und die Hilfe der Sozialpsychiatrischen Dienste hervor. „Für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen hat sich durch das PsychKHG aber nichts geändert.“ Verbesserungsbedarf sah er bei den Krisenangeboten für Jugendliche bis 16 Jahre, bei Entstigmatisierungsprojekten und Präventionsangeboten.

Anstoß für Gespräche

Dr. Simona Kralik, Ärztliche Leiterin des Krisennetzwerks Unterfranken, lobte ebenfalls die Krisendienste mit ihrer 24-Stunden-Bereitschaft. Noch fehle aber die Vernetzung. „Wir haben so viele Angebote, aber A weiß nichts von B“. „Nicht glücklich“ war sie mit dem Unterbringungsteil des PsychKHG. Kralik forderte einen engeren Austausch der Krisendienste mit der Polizei und den Unterbringungsbehörden. „Noch sind die Krisendienste nicht Bestandteil der Routine.“ Celia Wenk-Wolff vom Bayerischen Bezirketag zog hingegen eine positive Bilanz. Das PsychKHG habe viele Partner vernetzt und neue Gespräche angestoßen, beispielsweise zwischen Jugend- und Eingliederungshilfe. Ihr fehlte jedoch ein Melderegister, das alle Zwangsmaßnahmen, aber auch Gewalt gegen Mitarbeiter erhebt.

 

 

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