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(GZ-10-2022)
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► Verkehrsministerkonferenz zum Neun-Euro-Ticket:

 

Warnung vor Strohfeuer

Zum 1. Juli 2022 soll das Neun-Euro-Ticket eingeführt werden. Darauf haben sich die Länderminister und Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing bei der Verkehrsministerkonferenz in Bremen verständigt. Bund und Bundesländer werden dazu das sog. Regionalisierungsgesetz bis zum 20. Mai in einer neuen Fassung verabschieden.

Enthalten sind darin die zusätzlichen Regionalisierungsmittel in Höhe von insgesamt 3,7 Milliarden Euro für das Neun-Euro-Ticket (2,5 Milliarden Euro) und die Fortschreibung des Corona-Rettungsschirms (1,2 Milliarden Euro). Die 1,2 Milliarden Euro des Bundes für Erlösausfälle im ÖPNV durch Corona werden von den Bundesländern mit der gleichen Summe aufgestockt. Die Kosten für das Neun-Euro-Ticket trägt der Bund in vollem Umfang. Dies reicht den Ländern jedoch nicht. Ihrer Ansicht nach braucht es in diesem Jahr noch 1,5 Milliarden Euro mehr, um den ÖPNV weiter auszubauen.

Befürchtet wird, dass der ÖPNV durch fehlende Mittel im weiteren Verlauf des Jahres nicht erweitert und ausgebaut werden kann, sondern stattdessen im schlimmsten Fall sogar zurückgefahren werden müsste. Dann würde das Neun-Euro-Ticket als Strohfeuer enden, so der Tenor der Bundesländer.

Bürger vorübergehend entlasten

Die Verkehrsministerkonferenz wies darauf hin, dass die Bundesmittel für das 9-Euro-Ticket den Ländern mehrere Tage vor Inkrafttreten des Tarifs zur Verfügung stehen müssen, um die Liquidität auf Seiten der Verkehrsunternehmen sicher zu stellen. Zum weiteren Verfahren über die Aufstockung der Regionalisierungsmittel wurde vereinbart, unmittelbar Gespräche mit den Bundestagsfraktionen aufzunehmen. In ihren Sitzungen Ende Mai sollen Bundestag und Bundesrat der nötigen Gesetzesänderung zustimmen.

Laut VDV hat der Bund mit dem Beschluss zur Einführung eines 9-Euro-Tickets für die Monate Juni bis August eine tiefgreifende Maßnahme beschlossen, um die Bürger nicht nur bei Energie- und Spritpreisen, sondern auch in der öffentlichen Mobilität vorübergehend zu entlasten. Diesen Beschluss unterstützt die Branche ausdrücklich, weil sie darin ein geeignetes Instrument zur befristeten Entlastung der Fahrgäste und zur (Rück)Gewinnung von Kundinnen und Kunden sieht.

Zugleich weisen die Verkehrsunternehmen aber auch darauf hin, dass eine solche Tarifabsenkung generell und besonders angesichts aktuell stark steigender Kosten durch Energiepreise, Personal und Angebotsausweitung weder durch die Verkehrsunternehmen noch durch Bund und Länder dauerhaft finanziert werden kann. Vielmehr zeige die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Bund und Länder zur Übernahme der zusätzlichen Kosten schon jetzt, welche Herausforderungen bei der nachhaltigen Finanzierung des ÖPNV entstehen können, wenn man die Tarifeinnahmen politisch motiviert drastisch absenkt.

Branche in Vorleistung

Im Bestreben, das 9-Euro-Ticket zum 1. Juni einzuführen, habe die Branche bereits zahlreiche Maßnahmen in Gang gesetzt, wie etwa den Aufbau einer ergänzenden digitalen und bundesweiten Ticketplattform für Neukunden. Alle zu ergreifenden Maßnahmen benötigten aber einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf, um das Personal und die Fahrgäste zu informieren, die Vertriebswegeumzustellen, etc., führte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff aus. „Wir sind hier bereits in Vorleistung gegangen, um den politischen Wunsch nach Einführung zum 1. Juni umzusetzen, denn sonst läuft uns die Zeit weg. Wir können jetzt nicht mehr weiter warten, sondern müssen umsetzen. Vor diesem Hintergrund müssen Bund und Länder jetzt dringend die Finanzierungsfragen abschließend klären.“

Der VDV bekräftigt seine Forderung an den Bund, die Finanzierung im ÖPNV entsprechend den Festlegungen im Koalitionsvertrag und der getroffenen Vereinbarungen mit den Ländern umzusetzen. Dazu zähle auch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel in diesem Jahr in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zur Abdeckung der deutlich erhöhten Kosten für Strom und Diesel.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter sprach von einem Kosten-Chaos. Die Bundesregierung habe sich mit dem „9 für 90 Ticket“ eine schöne Schlagzeile ausgedacht, wolle sich bei der Umsetzung aber einen schlanken Fuß machen. Ohne die von den Ländern geforderten zusätzlichen Mittel zur Unterstützung der Verkehrsunternehmen sieht der Minister auch die langfristigen Ausbauziele des ÖPNV in Gefahr. „Auf keinen Fall darf das „9 für 90 Ticket“ zu Lasten des weiteren Ausbaus des ÖPNV und der dringend nötigen Unterstützung unserer Verkehrsunternehmen in Zeiten extrem hoher Energiekosten gehen. Sonst wird das nur ein sehr kurzfristiger Erfolg. Der Bund muss zusätzliches Geld bereitstellen.“

Bernreiter skeptisch, Rosenbusch hoffnungsvoll

Sinnvoller wäre es aus Bernreiters Sicht gewesen, das Geld in eine Ausweitung des Angebots zu investieren: Der ÖPNV müsse attraktiver und eine wirkliche Alternative zum Individualverkehr werden, wofür Taktverdichtungen und neue attraktive Angebote im ländlichen Raum erforderlich seien. Der Minister verwies auf die Ballungsräume, in denen Fahrten mit dem ÖPNV im Vergleich zum Auto schneller seien und deshalb genutzt würden. Auch das autonome Fahren biete die Chance, ein Modell für die Zukunft zu werden.

Für Dr. Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds, ist das äußerst preisgünstige 9-Euro-Ticket eine große Chance, die Attraktivität des MVV zu zeigen. Um diese auch künftig zu gewährleisten, müssten die Sprit- und Energiepreise für Busse und Bahnen günstiger als für Autos gehalten werden. Zudem sollte die Politik über die Zeit nach der 9-Euro-Aktion beraten.

DK

 

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