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(GZ-17-2022)
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► Neun-Euro-Ticket:

 

Fluch oder Segen?

Bund und Länder ringen weiter um eine Folgeregelung für das Neun-Euro-Ticket. Zwar hat sich die Koalition nun auf eine Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket geeinigt - allerdings nur in groben Zügen. Ziel ist eine Preisspanne zwischen 49 und 69 Euro im Monat. Dafür will der Bund 1,5 Milliarden Euro zahlen, jedoch nur, wenn die Länder den gleichen Betrag bereitstellen. Damit ist die Einführung noch alles andere als sicher.

Unterdessen werden Forderungen nach langfristigen Finanzierungsgrundlagen für einen zukunftsfähigen öffentlichen Nahverkehr laut. Die aktuelle Diskussion lenke von den tatsächlichen Problemen im Nahverkehr nur ab, erklärte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter. „Bevor wir über weitere Billigtickets diskutieren, brauchen wir sehr schnell sehr viel mehr Geld im System“, unterstrich Bernreiter gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“. Um das Nahverkehrsangebot trotz höherer Energiepreise aufrecht zu erhalten, müsse der Bund die Mittel erhöhen. Konkret gehe es um 1,5 Milliarden Euro.

Bernreiter zufolge erhalten die Länder für den gesamten Regionalverkehr aktuell jährlich 9,5 Milliarden Euro vom Bund. Die Fortführung des Neun-Euro-Tickets würde allein 14 Milliarden Euro pro Jahr kosten. „Man muss kein Mathematiker sein, um festzustellen, dass die Länder das niemals finanzieren können“, betonte der Minister. Aus seiner Sicht war das Ticket „mehr Fluch als Segen“. Es sei vor allem für Ausflüge verwendet worden, Pendler im ländlichen Raum hätten praktisch nicht profitiert.

Nach Ansicht von Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy ist jetzt „eine schnell greifende, dauerhafte Anschlusslösung“ notwendig. Bund und Länder müssten sie gemeinsam tragfähig finanzieren. Die Mobilitätswende funktioniere nur, wenn Bund und Länder an einem Strang zögen.

Eine Nachfolgelösung dürfe für das Neun-Euro-Ticket „auf keinen Fall die Investitionen in Busse und Bahnen ausbremsen“, betonte Dedy. „Außerdem brauchen wir viele neue Busse und Bahnen.“ Der ÖPNV sei extrem unterfinanziert. Hinzu kämen die Kosten der Energiekrise für die Verkehrsunternehmen. „Das muss durch kurzfristige Sofortmaßnahmen behoben werden. Nur so kann der Betrieb dauerhaft gesichert werden“, hob der Hauptgeschäftsführer hervor.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wies darauf hin, dass man für die technische Umsetzung einer Anschlusslösung etwa drei Monate benötige. Sollte die Politik also ein neues Angebot zum 1. Januar des kommenden Jahres starten wollen, müssten die politischen Entscheidungsprozesse „idealerweise“ bis Anfang Oktober abgeschlossen sein, sagte ein Sprecher. Die nötige Einbeziehung der Bundesländer sei dabei mit einzukalkulieren.

Hohe CO2-Einsparung

Dass der positive Effekt des Neun-Euro-Tickets zur Bekämpfung des Klimawandels nachweisbar ist, belegt unterdessen eine Abschätzung zur Einsparung schädlicher Klimagase, die in den drei Monaten des Neun-Euro-Tickets parallel zu einer bundesweiten Marktforschung, die der VDV zusammen mit der Deutschen Bahn und den Marktforschungsinstituten Forsa und RC Research im Auftrag von Bund und Ländern durchführt, vorgenommen wurde.

Auf Grundlage der vom Pkw auf Busse und Bahnen verlagerten Fahrten hat das Ticket demnach rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart. „Drei Monate Neun-Euro-Ticket haben etwa so viel CO2 eingespart wie ein Jahr Tempolimit auf Autobahnen bringen würde“, verdeutlichte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. „Das Neun-Euro-Ticket hat also nicht nur die Bürgerinnen und Bürger finanziell entlastet, sondern auch eine eindeutig positive Wirkung fürs Klima. Alle verantwortlichen Akteure sollten daher jetzt zügig über die Fortsetzung und Weiterentwicklung eines solchen Angebots entscheiden. Wenn wir Verkehrswende und Klimawandel ernst nehmen, dann müssen wir jetzt handeln“, appellierte Wolff.

Anfang Oktober findet die Umstellung der Vertriebssysteme auf die ab Januar 2023 geltenden Tarife statt. Vor diesem Hintergrund schlug Wolff vor, den Monat September zu nutzen, um gemeinsam eine für die Verkehrsunternehmen wirtschaftliche und für die Fahrgäste attraktive Lösung zu erarbeiten.

Vom Verkaufsstart Ende Mai bis Ende August wurden rund 52 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Hinzu kommen mehr als zehn Millionen Abonnenten, die das vergünstigte Ticket jeweils monatlich über den Aktionszeitraum automatisch erhalten haben. 10 Prozent der Fahrten mit dem Neun-Euro-Ticket haben eine Fahrt ersetzt, die sonst mit dem Pkw unternommen worden wäre. Insgesamt liegt der Anteil der aus anderen Verkehrsmitteln verlagerten Fahrten bei 17 Prozent.

Dass es nicht ausreicht, den Fokus allein auf eine Nachfolgelösung für ein bundesweit attraktives Ticketangebot zu legen, lässt sich auch aus der aktuellen Auswertung der Marktforschung ableiten: Der Ticketpreis spielt für Neukunden eine deutlich geringere Rolle als für bestehende Abonnenten. Er ist zwar mit 56 Prozent auch bei den Neukunden das Hauptargument für den Kauf, gleich dahinter nennen jedoch 43 Prozent der befragten Neukunden den Verzicht auf Autofahrten als Kaufgrund. Auch die Flexibilität sowie die bundesweite Gültigkeit werden als wichtige Kaufargumente genannt.

Als Hauptgründe gegen den Kauf des Neun-Euro-Tickets wurden fehlende Nutzungsanlässe (37 Prozent), die Vorliebe fürs Auto (35 Prozent) und umständliche Verbindungen (33 Prozent) angegeben. Im ländlichen Raum dominieren als Nichtkaufgründe umständliche Verbindungen, Taktung, Fahrtdauer und Entfernung zur Haltestelle. Die Verkaufszahlen dort sind etwa halb so hoch wie in städtischen Gebieten.

DK

 

 

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