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(GZ-10-2023)
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► Reaktionen nach Flüchtlingsgipfel:

 

Bund verkennt Brisanz der Lage

 

Wenig Zählbares hat der Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern in Berlin eingebracht. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Scholz einigte man sich lediglich auf eine neue Lastenverteilung bei den Flüchtlingskosten. Der Bund sagte vorerst eine weitere Milliarde Euro zu, mit der die Länder die Kosten für die Unterbringung und Verteilung der Migranten finanzieren sollen. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden. Der Durchbruch blieb erwartbar aus, entsprechend enttäuscht reagierten Ministerpräsident Dr. Markus Söder sowie die kommunale Ebene.

Der Hinweis des Bundes auf seine Haushaltslage kann Söder zufolge nicht das letzte Wort sein. „Über Unterbringung und Humanität darf nicht nach Kassenlage entschieden werden“, warnte der Ministerpräsident. Deshalb müsse dringend nachgearbeitet werden. Allerdings zeigte er sich nach dem Verlauf des Treffens wenig optimistisch, dass der Bund dazu bereit ist. Man habe eine Bundesregierung erlebt, die die Sorgen der Kommunen wenig versteht.

Absolute Belastungsgrenze

„Leider wird jetzt wieder zu viel Zeit verloren“, kritisierte Söder. Die Kommunen seien an der absoluten Belastungsgrenze. Die Länder forderten ein atmendes System: „Wenn mehr Menschen kommen, sind die Belastungen höher, also müssen auch die finanziellen Anstrengungen größer werden - und umgekehrt.“

Leider passiere auch bei der Steuerung der Zuwanderung zu wenig. „Es braucht die Ausweisung weiterer sogenannter sicherer Herkunftsstaaten zur erleichterten Rückführung, wie zum Beispiel Algerien, Marokko, Tunesien oder auch Indien. Es fehlt auch ein rasch wirksames Konzept gegen illegale Migration.“ Erneut warb Söder dafür, das Modell der bayerischen Grenzpolizei als Vorbild für ganz Deutschland zu nehmen.

Bund zahlt seine Zeche nicht

Wie der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin (Fürstenfeldbruck) ausführte, „ist es trotz vereinter Stärke von drei Ministerpräsidentinnen und 13 Ministerpräsidenten nicht gelungen, den Bundeskanzler von der Brisanz der Lage zu überzeugen, dabei sind wir bei der Flüchtlingsunterbringung und -integration auf die Unterstützung des Bundes angewiesen.“ Die Flüchtlingskrise sei auch weiterhin eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die die Kommunen nicht allein stemmen könnten.

Berlin müsse die flüchtlingsbedingten Mehrbelastungen der Kommunen vollständig erstatten. Karmasin: „Der Bund, der allein die Zuwanderung steuern kann, hält daran fest, die Zuwandernden durch die Kommunen bewirten zu lassen und die Zeche nicht zu bezahlen. Zum Glück schützt uns in Bayern unser Freistaat, der immerhin die Unterbringung bezahlt.“

Der Landkreistagschef forderte eine echte Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung: „Als Kommunalpolitiker sind wir bitter enttäuscht: Bei der Begrenzung hat Kanzler Scholz nichts in Aussicht gestellt als vage Vorhaben, die wir seit Jahren hören. Der Zustrom muss nach klaren und humanitären Regeln begrenzt werden, wenn Staat und Gesellschaft nicht durch einen weiteren ungesteuerten und ungebremsten Zuzug überfordert werden sollen. Wenn die Bundesregierung das nicht möchte, muss sie die Kosten voll übernehmen. Für die Integration der Menschen mit Bleiberecht fehlt nach wie vor das Geld.“ Zudem warteten die Kommunen seit Februar darauf, dass der Bund sein Versprechen erfüllt, Bundesliegenschaften für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen.

Nötig ist eine verstetigte finanzielle Unterstützung

Aus Sicht des Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr, ist das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels „kein großer Wurf, aber ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung“. Die nun zugesagte Flüchtlingspauschale des Bundes könne nur im Übergang helfen. Befristete Sonderzahlungen und Sondermittel reichten nicht aus, um die langfristigen Kosten für Integration dauerhaft abzudecken, die bei Kommunen auflaufen.

„Nötig ist eine verstetigte finanzielle Unterstützung, die sich dynamisch an die Zahl der Geflüchteten anpasst. Der Freistaat muss die Bundesmittel – von der Bundesmilliarde fallen auf Bayern geschätzt 170 Millionen Euro – auf der Basis eines transparenten Verfahrens an die Kommunen weiterleiten. Die Kommunen erwarten zudem klare Signale zu einer effektiven Steuerung von Zuwanderung auf europäischer Ebene, zur stärkeren Überwachung der EU-Außengrenzen und besseren Kontrolle der Einreise. Erforderlich sind schnellere Asylverfahren und schnellere Verfahren zur Feststellung von Bleiberechten und zur Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht“, erläuterte Pannermayr.

„Das war bereits der dritte Gipfel und leider wurde wieder nur ein Zwischenergebnis erzielt“, führte er weiter aus. „Lösungen müssen sorgfältig, aber auch rascher als bisher gefunden werden. Die bisherige Befassung des Bundes mit dem Thema entspricht jedenfalls nicht der Dynamik der Lage, mit der die Kommunen konfrontiert sind.“

Der Bayerische Gemeindetag begrüßt zwar grundsätzlich, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, in der Migrationspolitik gemeinsam voranzugehen, sieht darin aber nur winzige Trippelschritte. Ganz allgemein sind die bayerischen Gemeinden und Städte aber enttäuscht, dass keine substanzielle Änderung der Flüchtlingspolitik zu erkennen ist.

Notwendige Wende in der Migrationspolitik

Laut Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl „ist der Ansatz richtig, den Zuzug zu begrenzen, die Verfahren zu beschleunigen, die Außengrenzen der EU besser zu schützen und eine gerechtere Verteilung innerhalb der EU anzustreben“. Hier müsse man sich allerdings ehrlich machen, so der Verbandschef: „Die vereinbarten Maßnahmen werden nicht zu einer kurzfristigen Entspannung führen und sind letztlich nur kleine Schritte zu einer allerdings notwendigen Wende in der Migrationspolitik. Ein belastbares Konzept zur Umsetzung ist nicht erkennbar. Es bleibt abzuwarten, ob Deutschland und seine Regierung die notwendige Härte haben wird, diese richtigen Ziele gegenüber den anderen EU-Staaten, aber auch innerhalb Deutschlands zwischen den Ampelparteien tatsächlich durchzusetzen.“

„Man kann hin und wieder durchaus den Eindruck gewinnen, dass auf der höheren politischen Ebene in Berlin die teilweise dramatische Situation vor Ort nicht ausreichend gewichtet wird“, fuhr Brandl fort. Im Hinblick auf die Finanzierungsfragen seien beide Seiten aufeinander zugegangen, allerdings sei die zugesagte Milliarde nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Obwohl die Eckdaten klar waren und die Forderungen der Kommunen und Länder auf dem Tisch lagen, sei offenbar nach dem Grundsatz gehandelt worden: „Was Du heute kannst besorgen, verschiebe gern auf morgen.“ Eine Einigung erst im November komme für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stoße bei den Kommunen auf große Enttäuschung.

Fatales Signal

„Ein fatales Signal … unsere deutlich artikulierten Sorgen werden neuerlich ignoriert“, unterstrich der Präsident. „Die gesellschaftspolitischen Folgen wird die Bundesregierung zu tragen haben. Dieses entschiedene Ignorieren und Aussitzen ist verantwortungslos und inakzeptabel.“ Aktuell sind die Flüchtlingsunterkünfte im Freistaat fast voll ausgelastet. Wie das Bayerische Innenministerium auf Anfrage von BR24 mitteilte, seien die Einrichtungen aktuell zu 93 Prozent belegt. In den staatlichen Unterkünften in Bayern sind rund 139.000 Personen untergebracht, davon etwa 42.200 ukrainische Kriegsflüchtlinge (Stand: Anfang Mai).

15 Prozent aller Geflüchteten sind in Bayern

Laut Ministerium hätten einzelne Bezirke bereits mehr Geflüchtete aufgenommen, als sie nach dem Verteilungsschlüssel müssten. Insgesamt liege die Quote an aufgenommenen Flüchtlingen zwischen 95 Prozent in Schwaben und 108 Prozent in Mittelfranken. Jedem Bezirk werde bei der Verteilung von Geflüchteten eine Sollquote proportional zur Einwohnerzahl zugewiesen. Die Quoten sollen sich nach „der Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft vor Ort“ richten. Insgesamt sollen gut 15 Prozent aller nach Deutschland kommenden Geflüchteten in Bayern untergebracht werden.

DK

 

 

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