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(GZ-11-2023)
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► Fachkräftemangel:

 

Weniger Bürokratie wäre doch eine Lösung

 

Im Münchner Presseclub sprachen Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, und der Sicherheitspolitische Sprecher der Landtags-SPD, Horst Arnold, mit PresseClub-Ehrenvorsitzendem Peter Schmalz über das Thema Asyl, Migration und Fachkräftemangel.

V.l.: Moderator Peter Schmalz, Katharina Schulze, Staatsminister Joachim Herrmann und Horst Arnold im Münchner Presseclub. Bild: CH
V.l.: Moderator Peter Schmalz, Katharina Schulze, Staatsminister Joachim Herrmann und Horst Arnold im Münchner Presseclub. Bild: CH

Wegen des eklatanten Fachkräftemangels braucht Deutschland mehr Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Nur dass viele dieser dringend benötigten Personen aus Bürokratiegründen gar nicht nach Deutschland kommen können, zeigt folgendes Beispiel:

Herr S. wartet seit Februar 2021 auf einen Termin bei der deutschen Botschaft in Pristina. Er ist Kosovare und hat einen gültigen Arbeitsvertrag mit einer oberbayerischen Gartenbaufirma. Aber er bekommt einfach keinen Termin, um endlich sein Visum beantragen zu können. Monat für Monat bemüht er sich. Sein Vater ist bereits vor dem Kosovokrieg nach Deutschland emigriert. Als ausgebildeter Jurist gab es für den Vater zuhause keine Arbeit und um seine Frau und seine zwei kleinen Söhne zu ernähren, hat er in Deutschland gearbeitet. Während des Krieges musste seine Frau nach Mazedonien zu Verwandten fliehen; zwei Tage zu Fuß mit zwei kleinen Kindern. 2008 dann folgte die Mutter – ebenfalls ausgebildete Juristin – dem Vater nach Deutschland und arbeitete bei einer Reinigungsfirma. Als der Vater schwer an Krebs erkrankt, versucht S. nach Deutschland zu kommen, um seinen Eltern zu helfen. Er bekommt einen Arbeitsvertrag, Fachkräfte werden schließlich gesucht. Seither wartet er. Der Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter hätte die Unterstützung des Sohnes dringend gebraucht.

Erschwernisse durch Kapazitätsengpässe

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es: „Für Personen, die aus den Staaten des Westbalkans kommen und ohne besondere Berufsqualifikation eine Tätigkeit in Deutschland aufnehmen möchten, hat die Bundesregierung 2015 mit der sogenannten „Westbalkanregelung“ eine Sonderregelung geschaffen (§ 26 Absatz 2 Beschäftigungsverordnung). Damit wurde ein vereinfachtes Verfahren zur Visabeantragung für die betreffende Personengruppe geschaffen, für das allerdings durch die damalige Bundesregierung ein Kontingent von maximal 25.000 Zustimmungen zur Arbeitsaufnahme festgelegt wurde.

Die Nachfrage nach Visa dieser Kategorie ist allerdings so hoch, dass die Kapazitäten der betreffenden Visastellen diese nicht abdecken können, sodass Termine für die Antragsannahme in einem transparenten Losverfahren vergeben werden. Eine Terminwarteliste wird nicht geführt. Das Losverfahren wird monatlich durchgeführt, Personen, die in einem Monat keinen Termin zugelost bekommen haben, können sich im darauffolgenden Monat erneut registrieren.“

Nachdem allerorten um Fachkräfte gerungen wird, wirkt es grotesk, dass die Engstelle gar nicht innerhalb Deutschlands in der Anerkennung liegt, sondern daran, dass die Visastellen die hohe Nachfrage nicht abarbeiten können. Egal wie attraktiv das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gestaltet ist, es werden nicht mehr Zuwanderer kommen können.

Bevorzugung bei illegaler Einreise

Auf dieses Beispiel angesprochen entgegnet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, dass es sehr ärgerlich sei, dass deutsche Botschaften personell so überlastet seien: „Und dann haben wir das absurde Ergebnis, dass der gleiche Mensch, wenn er illegal einreist und in München Asylantrag stellt, Sozialhilfe bekommt. Wenn er aber den offiziellen Weg geht, dann wird ihm gesagt, ‚also in diesem Jahr bekommst Du keinen Termin‘.“ Da das Problem bekannt sei, arbeite man derzeit an Lösungen, die Visastellen zu entlasten, indem der Papierkram nach Deutschland geschickt und hier bearbeitet wird, erklärt der Minister.

Die alte Bundesregierung habe aber Erleichterung durch eine Alternative verschafft, in dem andersherum der Arbeitgeber von Deutschland aus das Verfahren anstoßen könne. Der Prozess nennt sich „Beschleunigtes Fachkräfteverfahren“ und muss vom Arbeitgeber bei der zuständigen Ausländerbehörde in Deutschland eingeleitet werden. Sind alle Voraussetzungen erfüllt muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen in der Botschaft einen Termin bekommen und innerhalb von drei weiteren Wochen muss der Visumsantrag entschieden sein. An zusätzlichen Gebühren muss aber mit ca. 500 Euro gerechnet werden.

Horst Arnold fügt an, er wisse aus diversen Petitionen, die im Landtag behandelt werden, dass oft Fachkräfte – auch mit Arbeitsplatzzusage – unnötigerweise in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, mit dem Hinweis, noch einmal den offiziellen Weg nach Deutschland zu nehmen: „Das steigert den bürokratischen Aufwand.“ Er ergänzt aber auch, dass das Chancenaufenthaltsgesetz nicht jedem und jeder automatisch das Recht gibt, hier zu bleiben. Aber wer straffrei ist, für seinen/ihren Unterhalt sorgen kann und dem Sozialsystem nicht auf der Tasche liegt, der habe Akzeptanz verdient.

Anstieg der Flüchtlingszahlen

Seit Herbst 2022 verzeichnen bayerische Kommunen einen enormen Anstieg der Flüchtlingszahlen insbesondere bei Personen aus dem Nahen Osten und den afrikanischen Staaten. Es ist nicht der Ukrainekrieg, der hier ins Gewicht fällt. Kommunalpolitikerinnen und -politiker rechnen damit, dass die Zahlen von 2015 überschritten werden bzw. schon wurden.

Laut Innenminister ist die illegale Zuwanderung nach Deutschland zu groß und bringt auch nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte. Er betont ausdrücklich: „Wir helfen den Menschen, die verfolgt werden, das ist klar.“ Für die bayerischen Kommunen bedeuten die hohen Flüchtlingszahlen hohe Belastungen. Das fängt bei der Unterkunft an und hört bei der medizinischen Versorgung sowie den Kindergarten- und Schulplätzen noch lange nicht auf. Schulze fordert von der Landesregierung die Integrationsmaßnahmen zu verstärken und noch enger zu verzahnen:

„Die Strukturen müssen verstetigt werden.“ Wichtig ist ihr die Rückmeldung auch von der kommunalen Basis. Kritik aus den eigenen grünen Parteireihen, wie jüngst durch den Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf, trage zum engen Austausch bei: „Integrationspolitik muss pragmatisch sein.“

Laut Herrmann ist Bayern das Land der gelungenen Integration. Kein Bundesland hat so eine hohe Nettozuwanderung wie Bayern. Die Zahl der ausländischen Arbeitslosen ist niedrig im direkten Vergleich. Nur 10 Prozent der Ausländerinnen sind in Bayern arbeitslos, in Deutschland sind es 20 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern sind es 40. Damit das so bleibt muss aber die illegale Migration reduziert werden. Dazu braucht es das Bekenntnis, dass diejenigen, die nicht berechtigt sind, hier zu sein, schneller abgeschoben werden:

„Das BAMF lehnt die Hälfte der Asylanträge ab, also müssen 50 Prozent der Asylsuchenden schneller abgeschoben werden.“

CH

 

 

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