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(GZ-20-2023 - 26. Oktober)
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► Zukunft des Deutschland-Tickets:

 

Ruf nach verlässlicher Finanzierung

 

Auch nach dem jüngsten Beschluss der Konferenz der Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister bleiben aus Sicht der öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen, Aufgabenträger und Verbünde wichtige Fragen zur Zukunft des Deutschland-Tickets ungeklärt. Bayerns Verkehrsminister Bernreiter dringt auf ein Entgegenkommen des Bundes. Sollte es keine verlässlichen Aussagen zu den Mehrkosten geben, würde der Freistaat das 49-Euro-Ticket auslaufen lassen, betonte Bernreiter und verwies dabei auf entsprechende Beschlüsse. Das Deutschlandticket wird zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert, mit jeweils 1,5 Milliarden Euro. Allerdings sind die Kosten rund um das Ticket deutlich gestiegen.

In einer gemeinsamen Erklärung weisen die Verbände VDV, BSN, mofair und bdo darauf hin, dass sie die mit dem Ticket verbundene Entlastung der Mobilitätskosten für die Bürger und die ersten Erfolge des Deutschland-Tickets in Sachen Kundenbindung und Verkehrsverlagerung verstetigen und zum Ausgangspunkt eines leistungsstarken und nachhaltigen ÖPNV für alle werden lassen wollen. Dazu brauche die Branche verlässliche Rahmenbedingungen. Die Einnahmen aus dem Ticket glichen die Defizite fehlender Einnahmen aus bisherigen Ticketverkäufen absehbar nicht aus. 50 Prozent der Käufer hätten zuvor auskömmlichere Abonnements gekauft, ca. 40 Prozent der Käufer kämen aus hochpreisigeren Bartickets und Zeitkarten, 10 Prozent seien „echte“ Neukunden.

Kommunale Aufgabenträger stehen voll im Risiko

Auch nach der Verkehrsminister-Konferenz sei für 2024 keine finanzielle Planungssicherheit gegeben. Unsicher seien die wirtschaftlichen Planungen für Personal-, Fahrzeug- und alle sonstigen Kosten sowie die Einnahmeseite. Die Gesellschafter der mittelständischen, privaten und kommunal-staatlichen Unternehmen sowie die Gewährleistungsträger der Verbünde und die kommunalen- und Landes-Aufgabenträger stünden damit voll im Risiko. Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsidenten werden aufgefordert, „diese Unsicherheit und dieses Risiko mit einem starken und einstimmigen Beschluss für die Zukunft des Deutschland-Tickets zu beenden. Es braucht eine verlässliche Finanzierung des Tickets für das gesamte Jahr 2024, damit die Branche planen und vor allem stark für das Ticket werben kann. Das Deutschland-Ticket für Studierende und die Verstetigung des Tickets als Jobticket auch über 2024 hinaus sind dafür wesentliche Voraussetzungen. Hinsichtlich der Ausgestaltung einer gemeinsamen Nachschussverpflichtung von Bund und Ländern stehen wir für eine Mitarbeit bereit“, heißt es.

Grundsätzlich, so führen die Verbände weiter aus, ändere das Deutschland-Ticket nichts daran, „dass wir eine dauerhafte, planungssichere Finanzierung des Gesamt-ÖPNV für den Erhalt und den Ausbau des Angebots in Städten und ländlichem Raum, in SPNV und ÖPNV, brauchen. Neben dem Deutschland-Ticket benötigen wir deshalb das Deutschland-Angebot. Der Rahmen dafür muss der zwischen Bund und Ländern zu beschließende Ausbau- und Modernisierungspakt sein.“

Eckpfeiler der Mobilitätswende

Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Oberbürgermeister Markus Pannermayr, unterstreicht die Bedeutung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für die Erreichung der Klimaschutzziele: „Der Öffentliche Personennahverkehr ist ein Eckpfeiler der Mobilitätswende. Ohne eine Mobilitätswende erscheinen die Klimaschutzziele bis 2045 im Bund und bis 2040 im Freistaat Bayern unerreichbar. Aber: ÖPNV kostet Geld. Und dieses Geld müssen Bund und Freistaat den Aufgabenträgern ausreichend und rechtzeitig bereitstellen nach dem Motto des Konnexitätsprinzips: Wer bestellt, der zahlt auch die Rechnung.“

Pannermayr zufolge reichten bereits im Jahr 2023 die ursprünglich veranschlagten 3 Milliarden Euro Bundes- und Landesmittel nicht aus. Neue Kalkulationen der Verkehrsbranche gehen von erheblichen Mehrkosten für das Deutschlandticket im Jahr 2024 aus. Der VDV prognostiziert für 2024 einen Finanzierungsbedarf von insgesamt 4,09 Milliarden Euro. „Damit offenbaren sich jetzt exakt die Probleme, auf die der Bayerische Städtetag von Anfang an hingewiesen hat.“

Aus Sicht des Verbandschefs können die Städte und Landkreise als kommunale Aufgabenträger das gewaltige Defizit von knapp 1,1 Milliarden Euro nicht auffangen. Ohne Finanzierungszusagen des Bundes und des Freistaats werde es nach 2023 kein günstiges Deutschlandticket mehr geben können. Die positive Werbung für den ÖPNV wäre bereits nach einem halben Jahr wieder verpufft.

Fast scheine es so, als hätte die Bundesregierung ein Vehikel gefunden, um den ÖPNV ins Rampenlicht zu stellen und darüber von weiteren dringenden Reform- und Investitionsnotwendigkeiten für die Nahverkehrssysteme abzulenken. Dabei wäre ein kräftiger Beitrag des Verkehrssektors zur Erreichung der Klimaschutzziele sehr wichtig, denn bislang gilt der Bereich des Verkehrs als Pro-
blemfall. Nun drücke ausgerechnet Bundesverkehrsminister Wissing auf die Bremse, indem er mehr Bundesmittel für das 49-Euro-Ticket ausschließt.

Das Netz zukunftsfest machen

Bereits früh habe der Bayerische Städtetag auf ein weiteres Problem aufmerksam gemacht, betonte Pannermayr. Notwendig seien vor allem Mittel für den Ausbau des ÖPNV, denn: „Der beste Tarif nützt nichts, wenn kein Zug kommt und kein Bus fährt. Der bisherige Mitteleinsatz reicht bei weitem nicht, das Netz zukunftsfest zu machen und Angebote besonders in ländlichen Räumen auszubauen. Hierfür brauchen wir eine Antwort.“

Es müsse mehr Geld in das mancherorts marode Netz und gerade im ländlichen Raum in eine bessere Taktung fließen. Zwar wende der Bund beträchtliche Summen für die sogenannten Regionalisierungsmittel auf, jedoch stelle eine Untersuchung im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums zum Finanzbedarf bis 2031 deutlich in Frage, ob der bisherige Mitteleinsatz reicht. Wissings Empfehlung an die Länder laute, mutig weiter voranzugehen und den Flickenteppich der Verkehrsverbünde effektiv neu zu ordnen und dadurch unnötige Kosten einzusparen. „Man könnte das durchaus auch als Spitze gegen Bayern verstehen“, so Pannermayr. „Dabei waren es gerade „unsere Aufgabenträger und Verkehrsverbünde, die mit guter Unterstützung des Freistaats im deutschlandweiten Vergleich die strapaziöse Einführung des Deutschlandtickets in kürzester Zeit mit Bravour gemeistert haben“.

Eine neue Gelegenheit für eine Einigung für die Kostenteilung im kommenden Jahr könnte die Ministerpräsidentenkonferenz im November sein, wie Verkehrsminister Bernreiter erklärte: „Es war eigentlich klar, dass die Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler verhandeln müssen. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.“

DK

 

 

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