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(GZ-12-2024 - 20. Juni)
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► Frühjahrs-Justizministerkonferenz in Hannover:

 

Bayerische Inhalte

 

Mit inhaltlich wichtigen Vorhaben kann die 95. Justizministerkonferenz in Hannover aufwarten. Insgesamt wurden 66 rechtspolitische Themen behandelt und 50 Initiativen beschlossen. Als besonderen Erfolg der Konferenz werteten die Landesminister ihr gemeinsames Bekenntnis zur Stärkung des Grundgesetzes, des Bundesverfassungsgerichts und des gesamten Rechtsstaats.

Auf Initiative Bayerns fordert die Justizministerkonferenz den Bund nun unter anderem auf, wichtige Reformen zum Schutz der Menschen vor neuen Gefahren der digitalen Welt anzugehen. Laut Landesminister Georg Eisenreich zählt dazu ein besserer Schutz vor Mobbing und Cybermobbing, die bei Betroffenen zu enormen psychischen und auch körperlichen Schäden führen könnten – in Einzelfällen bis hin zu Suizid. Besonders gefährdet seien Kinder, Jugendliche und Frauen. Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse und des „Bündnisses gegen Cybermobbing“ waren bereits Ende 2022 allein mehr als 1,8 Millionen Schülerinnen und Schüler von Cybermobbing betroffen.

Schutz der individuellen Lebensgestaltung

Auch im Lichte der aktuellen EU-Gesetzgebung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt stellten die Justizminister fest, dass nicht alle Fallgestaltungen strafrechtlich erfasst sind. Erörtert werden muss aus ihrer Sicht ein umfassender und effektiver strafrechtlicher Schutz gegen fortgesetzte systematische Beeinträchtigungen der individuellen Lebensgestaltung und der psychischen Integrität. Darüber hinaus sei es geboten, strafschärfende Regelungen für diejenigen Fälle zu prüfen, in denen die Täter einer Nachstellung bzw. fortgesetzten Belästigung die Tat im Auftrag oder mit Billigung eines (fremden) Staates begehen. Anwendungsfälle hierfür ergäben sich insbesondere für das Handeln autokratisch regierter Staaten, die in Deutschland lebende Oppositionelle durch regimetreue Anhänger verfolgen und belästigen lassen.

Die Forschung für KI-Anwendungen zu erleichtern, war eine weitere Forderung des Freistaats. Die Forschung an und die Nutzung von KI-Anwendungen in der Justiz bietet nach Auffassung der Justizminister großes Potenzial. KI-Anwendungen könnten für unterstützende Tätigkeiten z. B. bei der Strukturierung von Sachverhalten, der Bewältigung von Massenverfahren oder der Anonymisierung von Urteilen eingesetzt werden und so die Tätigkeit von Gerichten und Justizbehörden erleichtern. Der Einsatz von KI sei daher ein wichtiger Baustein, um die Justiz angesichts immer komplexer werdender Verfahren und knapper werdender Ressourcen zukunftsfest auszugestalten.

Jedoch wurde darauf hingewiesen, dass die Forschung an KI-Anwendungen für den Einsatz in der Justiz zum Teil urheberrechtlichen Problemen begegnet: Für KI-Projekte sei es oftmals erforderlich, große Mengen an anwaltlichen Schriftsätzen, die potenziell urheberrechtlich geschützt sind, im Wege des Text- und Data Mining auszuwerten. Hierfür könnten sich die Justizstellen, die über die Schriftsätze verfügen, auf die Schranke für das Text- und Data Mining nach § 44b UrhG berufen.

Phänomen Cybertrading

Zudem befassten sich die Justizminister – unter anderem auf Antrag Bayerns – mit dem aktuellen Phänomen betrügerischer Anlageplattformen im Internet (sog. Cybertrading), durch die Privatanleger durch angeblich attraktive Geldanlagen hohe Verluste erleiden. Die psychologisch geschulten Täter operieren aus dem Ausland und sind der Organisierten Kriminalität zuzuordnen. Die Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber der Anlageplattformen, die Polizei und Staatsanwaltschaften bundesweit führen, sind daher regelmäßig äußerst komplex und weisen immer internationale Bezüge auf.

Eisenreich zufolge ist der verursachte Schaden enorm hoch. Allein bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) seien seit 2017 bereits mehr als 8.000 Anzeigen zu rund 1.950 betrügerischen Trading-Plattformen eingegangen. In einem einzelnen Verfahren vor dem Landgericht Regensburg habe der Gesamtschaden 77 Millionen Euro betragen. Insgesamt würden seit 2017 in Bayern Verfahren mit einem Gesamtschaden von 350 Millionen Euro geführt. Die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher liegen.

Effektive Strafverfolgung

Die Landesminister stimmen in Hannover darin überein, dass eine effektive Strafverfolgung auch im Phänomenbereich Cybertrading insbesondere auch zum Schutz des Vermögens der Bürgerinnen und Bürger unerlässlich ist. Angesichts der großen Anzahl der sich ständig wandelnden betrügerischen Plattformen, der länderübergreifenden und internationalen Bezüge der Ermittlungsverfahren und der Vielzahl an Spuren und Ermittlungsansätzen sprachen sich die Justizminister für die Bündelung von Informationen aus verschiedenen Ermittlungsverfahren mittels einer beim Bundeskriminalamt angesiedelten zentralen Informationsplattform ebenso aus wie für den Informationsaustausch unter den Strafverfolgungsbehörden.

Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung

Die Konferenz setzt sich auf Vorschlag Bayerns auch für eine Prüfung ein, ob und unter welchen Voraussetzungen öffentliche Aufrufe zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung strafrechtlich geahndet werden können. Wie Eisenreich erläuterte, „sind bislang öffentliche Aufrufe zur Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung in Deutschland für sich genommen nicht strafbar. Deshalb hat die Justizministerkonferenz den Bundesjustizminister gebeten, die Möglichkeiten für eine strafrechtliche Ahndung zu prüfen. Anlass für diesen bayerischen Antrag waren öffentliche Forderungen nach Einführung eines Kalifats. Das ist völlig inakzeptabel.“

Beschleunigung von Asylverfahren

Überdies wurden die Möglichkeiten der weiteren Beschleunigung asylgerichtlicher Verfahren erörtert. Die Verfahrenslaufzeiten asylgerichtlicher Verfahren haben sich bereits deutlich verkürzt. Ergänzend soll die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch künftig in dem Ziel, die Verfahrenslaufzeiten insgesamt weiter zu reduzieren, unterstützt werden. Dazu wird eine Arbeitsgruppe zur nächsten Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister die Ergebnisse ihrer Beratungen vorlegen.

Reform des Verkehrsstrafrechts

Auf Initiative Bayerns schlugen die Justizminister außerdem eine Reform des Verkehrsstrafrechts vor. Nach Eisenreichs Angaben starben vergangenes Jahr in Bayern im Straßenverkehr 37 Menschen bei Unfällen mit Fahrern unter Alkoholeinfluss und zehn bei Unfällen mit Fahrern unter Drogeneinfluss. „Ich befürchte, dass die Teillegalisierung von Cannabis zu einem Anstieg schwerer Verkehrsunfälle führen wird. Das Verkehrsstrafrecht muss auch vor diesem Hintergrund dringend reformiert werden. Es bietet in einigen Bereichen keinen ausreichenden Schutz.“

Verbesserungsbedarf besteht insbesondere mit Blick auf folgende Fallgestaltungen: die Verursachung tödlicher Verkehrsunfälle unter dem Einfluss von Rauschmitteln, verbotene Kraftfahrzeugrennen mit schwerwiegenden Unfallfolgen und das Werfen von Gegenständen auf fahrende Kraftfahrzeuge.

DK

 

 

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