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(GZ-13-2024 - 4. Juli)
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► Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin:

 

Sofortprogramm statt Endlosschleife

 

Vorrangig im Zeichen der Asyl- und Migrationspolitik lag die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin. Darüber hinaus wurde die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ebenso diskutiert wie die Themen Bürokratieabbau und wehrhafte Demokratie. Aus Sicht von Bayerns Landeschef Markus Söder „reichen die Beschlüsse der Konferenz hinten und vorne nicht. Alles geht nur in Trippelschritten, wo Siebenmeilenstiefel nötig wären. Der Bund verzögert, anstatt entschlossen zu handeln. Es braucht ein Sofortprogramm und keine Endlosschleife.“

Konkret riefen die Ministerpräsidenten der Länder die Bundesregierung auf, mögliche Modelle für Asylverfahren in Drittstaaten vorzulegen. Nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte dieser anschließend Prüfungen zur Möglichkeit von Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU an.

Schnellere Abschiebungen

Laut dpa will Söder schnellere Abschiebungen und vorherigen Sofortarrest von nicht anerkannten Asylbewerbern auch dann, wenn sie nicht straffällig geworden sind, sondern lediglich als Gefährder eingestuft wurden. Dies sei rechtlich über die Polizeigesetze machbar.

Es bestehe die Gefahr, dass in der Bevölkerung der Eindruck entstehe, der Rechtsstaat sei zu liberal, sagte Söder im Deutschlandfunk. Deutschland brauche zu lange, um Entscheidungen voranzubringen. Es müssten endlich Rückführungsabkommen in Kraft treten, dies sei ein entscheidender Punkt. „Ich fordere auch die Bundesregierung auf, mit Syrien direkt zu reden, nicht über Umwege zu versuchen, kleine Lösungen zu haben“, erklärte Söder.

Dies gelte grundsätzlich auch für Afghanistan. Er erwarte jetzt nicht, dass die Außenministerin sofort nach Kabul fliegt; das Auswärtige Amt könne aber andere Kanäle nutzen, um auch etwa mit den Taliban in einen Dialog zu kommen.

Zu viele Menschen, die aus Syrien oder Afghanistan nach Deutschland kämen, erhielten über den sogenannten subsidiären Schutz Blankoschecks. Es erfolge „eine de facto 100-Prozent-Anerkennung“. Stattdessen müsse es wieder mehr Einzelfallprüfungen geben und die Rückführung generell möglich bleiben. Söder erhofft sich in dieser Frage auch Impulse auf europäischer Ebene durch eine neue EU-Kommission.

Bezahlkarte und 50 Euro bar

Eine Einigung wurde bei der neuen Bezahlkarte für Asylbewerber erzielt. Die Höhe der Bargeld-Auszahlungen soll flächendeckend 50 Euro pro Monat betragen. Noch in diesem Sommer soll die Bezahlkarte bundesweit eingeführt werden. Zudem forderten die Bundesländer, die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse zu erleichtern. Dementsprechend erteilten sie an die zuständige Kultusministerkonferenz einen Prüfauftrag zur Vereinfachung von Verfahren.

Mit der Forderung nach einer bundesweiten Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden scheiterten die Länder allerdings. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Angebotspflicht reicht den Ministerpräsidenten nicht aus. Scholz versprach, die Diskussion fortzusetzen.

Praxis-Checks gegen bürokratischen Aufwand

Stichwort Bürokratieabbau: Bundeskanzler und Regierungschefs fassten den Beschluss, die Belange von KMU besser zu berücksichtigen, inklusive Unternehmen der „Mid Cap“-Kategorie und von KMU in mehrheitlich öffentlicher Hand (u.a. Stadtwerke). Dies gelte insbesondere bei der Erarbeitung von EU-Rechtsakten und Standards.

Die Berichtspflichten sollen um mindestens 25 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig ist geplant, „Praxis-Checks“ auf europäischer Ebene einzuführen. Sie sollen den vermeidbaren bürokratischen Aufwand bei Vorhaben auf EU-Ebene durch den Austausch mit Unternehmen und anderen Betroffenen frühzeitig ermitteln und ihn bei der Umsetzung des Vorhabens vermeiden.

Weniger Auskunfts-, Informations- und Dokumentationspflichten

Neben einer konsequenten Überprüfung und Senkung von Auskunfts-, Informations- und Dokumentationspflichten auch auf europäischer Ebene halten Scholz und die Länderchefs eine gezielte Flexibilisierung des EU-Beihilfenrechts für nötig, damit der Zusammenhalt des Binnenmarktes gewährleistet wird und neben strukturschwachen Gebieten in der EU auch wirtschaftlich starke und innovative Regionen, die besonders die nachhaltige und digitale Transformation vorantreiben, wirtschaftliche Anreize erhalten können. Außerdem setzt sich die Bundesregierung für eine Anwendung des Once-Only-Prinzips auf EU-Ebene ein.

Für eine wirksame Bekämpfung hybrider Bedrohungen verpflichten sich Bund und Länder, bis September 2024 zentrale Koordinierungs- und Ansprechstellen für das Thema hybride Bedrohungen einschließlich Desinformation einzurichten, die im Bund und im Land jeweils ressortübergreifend koordinierend für das Thema hybride Bedrohungen federführend sind.

Nach Auffassung von Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistags, sind Bund und Länder beim Thema Migrationspolitik noch lange nicht am Ziel. „Wir brauchen wirksame Maßnahmen für ein Begrenzung und ein Umsteuern. Nötig ist eine Kraftanstrengung bei den Asylverfahren, die schneller werden müssen. Zudem müssen mehr Migrationsabkommen mit Drittstaaten abgeschlossen werden, wobei auch die Türkei eine Rolle spielt.“

Zuzug stärker begrenzen

Nach wie vor gehe es den Landkreisen um eine Reduzierung der Zuzugszahlen. „An dieser Stelle spielt mittelfristig auch die EU-Asylreform eine gewisse Rolle, die aber erst noch umgesetzt werden muss. Unterdessen müssen die Grenzkontrollen verlängert werden, da sie einen deutlichen Effekt haben. Dass wir allein wegen der Grenzkontrollen zur Fußball-EM hunderte illegaler Einreisen verhindern und dutzende Schleuser fassen konnten, zeigt die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme“, unterstrich Sager.

Außerdem müssten die Anstrengungen deutlich intensiviert werden, Personen ohne Aufenthaltsrecht, erst recht natürlich Straftäter, abzuschieben – auch nach Syrien oder Afghanistan. „Vor diesem Hintergrund fordern wir die Bundesregierung auf, den sog. subsidiären Schutzstatus auf europäischer Ebene nach Möglichkeit abzuschaffen. Sehr viele Syrer haben diesen niedrigsten Status und sind daher keine anerkannten Flüchtlinge. Es würde die Rückführung dieser Personen erheblich erleichtern, wenn sie lediglich Geduldete wären.“

Für Asylverfahren in sicheren Drittstaaten

Auch wenn die Asylanträge derzeit etwas weniger seien als im Vorjahr, seien die Belastungssituation in den Landkreisen und die weiter sinkende Akzeptanz der Bevölkerung spürbar. Kapazitäten für eine gute Integration fehlten. Der Durchführung von Asylverfahren in sicheren Drittstaaten steht der Deutsche Landkreistag aufgeschlossen gegenüber, so der Präsident weiter: „Das muss natürlich menschenwürdig ablaufen. Der Bund ist aufgefordert, tragfähige vertragliche Absprachen mit den in Frage kommenden Staaten zu treffen. Andere westeuropäische Länder sind bereit, diesen Weg zu gehen, Deutschland sollte auch diese Bereitschaft haben.“

Kommunen brauchen volle Kostenerstattung

Enttäuscht zeigte sich Sager einmal mehr, dass die kommunale Forderung nach einer vollständigen Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge durch den Bund noch immer nicht erfüllt sei. „Allein 2023 fehlen den Landkreisen so 3 Milliarden Euro, die wir in der gegenwärtigen prekären kommunalen Finanzsituation gut gebrauchen könnten.“

„Um die Zahl der Asylsuchenden, die nach Deutschland einreisen, zu reduzieren und die Kommunen zu entlasten, ist ein Zusammenspiel verschiedener Instrumente notwendig. Dabei sollten wir die Signalwirkung, die einzelne Maßnahmen haben können, nicht unterschätzen. Es ist wichtig, dass auch in den Herkunftsländern wahrgenommen wird, dass sich illegale Migration nach Deutschland nicht lohnt“, erklärte DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. André Berghegger.

Der Ansatz, mögliche Modelle für Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen, gehöre in die Reihe dieser möglichen Maßnahmen.

„Wir müssen jeden Stein umdrehen und jeden möglichen Ansatz auf seine Wirksamkeit prüfen. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass dies kurz- oder mittelfristig für signifikante Entlastung sorgen wird. Wir warnen davor, den Menschen zu suggerieren, solch eine einzelne Maßnahme könne die Flüchtlingssituation nachhaltig verändern. Notwendig sind viel mehr viele einzelne Bausteine.“

Dazu können Berghegger zufolge wirksame Grenzkontrollen, die rasche Umsetzung des EU-Asylkompromisses und die Reduzierung sogenannter Pull-Faktoren, etwa durch den Einsatz der Bezahlkarte, gehören. Von zentraler Bedeutung sei außerdem, dass die Städte und Gemeinden von den Kosten für Unterbringung, Versorgung und Integration vollständig entlastet werden.

„Für die Städte ist es ein gutes Signal, dass Bund und Länder um ernsthafte Lösungen in der Flüchtlings- und Asylpolitik ringen. Aber nicht alles, was diskutiert wurde, hilft uns vor Ort kurzfristig weiter. Die Drittstaaten-Lösung ist etwas, das man prüfen kann. Sie würde in der Praxis aber keine schnellen Effekte haben“, stellte Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister von Münster, fest.

Die Städte benötigten praktische Lösungen, die schnell Entlastung bringen. „Wir brauchen deutlich mehr Unterstützung, um die vielen Integrationsaufgaben vor Ort zu stemmen. Die im letzten Jahr vereinbarte Pro-Kopf-Pauschale von 7.500 Euro je Geflüchteten war ein guter Schritt und der Einstieg in ein ‚atmendes System‘ der Finanzierung, dass wir immer gefordert haben. Aber für die vielen Integrationsaufgaben vor Ort reicht sie noch nicht aus. Hier sollte der Bund noch einmal nachlegen. Und die Länder müssen dafür sorgen, dass das zusätzliche Geld auch tatsächlich bei den Kommunen für die Flüchtlingsversorgung ankommt.“

Offene Fragen bei der Bezahlkarte

Bei der Bezahlkarte, so Lewe, seien viele Detailfragen, wie etwa: Für welchen Personenkreis gilt die Karte? Gilt die Karte für Asylbewerber die neu hierherkommen oder auch für Menschen, die schon länger hier sind? Gilt sie nur für Asylbewerber in Einrichtungen oder auch für Menschen, die bereits in Privatwohnungen leben? Akzeptiert jeder Vermieter die Bezahlkarte? noch immer offen. Hier müssten die Länder noch nacharbeiten, damit es keinen Flickenteppich gibt und bundesweit möglichst einheitliche Regeln für die Bezahlkarte gelten.

Keine gute Nachricht ist aus Sicht des Deutschen Städtetags, dass es bei der Elementarschadenversicherung keine Einigung gab. „Extremwetterereignisse nehmen zu und kommen in immer schnellerem Takt. Es ist deshalb sehr wichtig, dass für mehr Häuser als bisher eine solche Versicherung abgeschlossen wird“, machte der Präsident deutlich.

Allerdings seien die Hürden für eine Pflichtversicherung sehr hoch. „Wir halten deshalb den Vorschlag der Versicherer für eine gute Option, künftig die Wohngebäudeversicherungen nur mit Elementarschadenversicherung anzubieten. Dann müssten Kunden aktiv wählen, wenn sie keine Elementarschadenversicherung wollen. Das ist im Kern auch der Vorschlag, den der Bund im Vorfeld des Bund-Länder-Treffens gemacht hatte. Bundeskanzler und Ministerpräsidenten konnten sich aber auf keinen gemeinsamen Ansatz verständigen. Gar keine Lösung ist aber die schlechteste Lösung, die Gespräche dazu müssen jetzt weitergehen.“

DK

 

 

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