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(GZ-21-2024 - 7. November)
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► Regierungserklärung von Staatsministerin Gerlach:

 

Maßnahmenpaket für Bayerns Kliniken

 

In ihrer Regierungserklärung vor dem Bayerischen Landtag hat Gesundheitsministerin Judith Gerlach ihre Pläne zur Unterstützung der Krankenhäuser vorgestellt. Um die Klinikversorgung im Freistaat fit für die Zukunft zu machen, habe die Staatsregierung ein großes Maßnahmenpaket aus sieben Punkten für die Krankenhäuser entworfen. „Wir unterstützen die Krankenhausträger dabei, die vor Ort passenden Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft zu finden“, erklärte Gerlach.

Als akutes Problem identifizierte sie unter anderem die wachsenden Defizite bei den laufenden Betriebskosten. Für dieses Thema sei klar der Bund zuständig. Gerlach: „Leider weigert sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach bislang, hier seiner Verantwortung gerecht zu werden. Bayern kann aber nicht zum Ausfallbürgen für den Bund werden.“ Auch wies die Ministerin darauf hin, dass Bayern bereits seit Jahren notwendige Umstrukturierungen bei Krankenhäusern unterstütze: „Wir haben früh angefangen, Weichen zu stellen.

Mit unserem 7-Punkte-Plan stellen wir nun ergänzende Instrumente zur Verfügung, damit sich die Kliniken auf den Wandel leichter einstellen können. Die Bundesregierung hat die Länder hingegen im Nebel tappen lassen und keine konkrete Auswirkungsanalyse vorgelegt.“ Laut Gerlach begleitet Bayern den notwendigen Anpassungsprozess der Kliniken aktiv – nicht nur mit Geld, sondern auch politisch und beratend. Dazu zählen:

1. Bereitstellung einer bayernweiten Datengrundlage zu den (voraussichtlichen) künftigen Leistungsangeboten der einzelnen Krankenhäuser: Der Freistaat hat auf Basis von Selbstauskünften der Kliniken für die Verantwortlichen vor Ort eine tragfähige und einheitliche Datengrundlage für deren Überlegungen zur künftigen Ausgestaltung der bayerischen Krankenhauslandschaft geschaffen. Diese Datengrundlage wird für Klarheit über das in der Region künftig zu erwartende Leistungsgeschehen sorgen.

2. Erstellung eines bayernweiten Gutachtens zur Prognose der künftigen Patientenzahlen: Bayern stellt ein bayernweites externes Gutachten zur Darstellung des aktuellen Versorgungsbedarfs und zur Prognose der künftigen Patientenzahlen zur Verfügung. Hierbei werden die Bevölkerungsentwicklung je nach Region und die weiter steigende Ambulantisierung der medizinischen Leistungen berücksichtigt. Damit wird eine einheitliche Basis für die Zukunftsüberlegungen der Krankenhausträger und ihre Vorgehensweise vor Ort geschaffen.

3. Veröffentlichung von Leitplanken („Matrix“) für künftig vorzuhaltende medizinische Leistungsangebote und Anpassung der Vorhaltung von Rettungsmitteln: Den Krankenhausträgern werden Leitplanken für die künftig vorzuhaltenden Leistungsangebote in besonders wichtigen medizinischen Bereichen (beispielsweise Notfallversorgung oder Geburtshilfe) an die Hand gegeben. Bei Bedarf wird der Rettungsdienst einschließlich der Luftrettung mit Blick auf die veränderten Krankenhausstrukturen angepasst.

4. Finanzierung regionaler Struktur- oder Umsetzungsgutachten: Um die Krankenhausträger bei der Versorgung im ländlichen Raum zu unterstützen, finanziert die Staatsregierung den Krankenhausträgern Gutachten zur regional passenden Ausrichtung ihrer Versorgungsstrukturen. Der Freistaat stellt dafür 100 Millionen Euro für den Zeitraum 2024 bis 2028 bereit. Die bestehende Förderrichtlinie soll angepasst werden, insbesondere um bei den Gutachten auch weitere Kliniken – wie größere Kliniken sowie teilweise auch Kliniken in Verdichtungsräumen – zu berücksichtigen, die für die Versorgung des ländlichen Raums eine maßgebliche Rolle spielen.

5. Regionalkonferenzen zur Krankenhausstruktur: Der Freistaat geht aktiv auf Träger und kommunale Entscheidungsgremien zu und fordert diese zur Ausarbeitung und Umsetzung erforderlicher Strukturanpassungen im Rahmen von Regionalkonferenzen auf, wenn die vor Ort verantwortlichen Krankenhausträger nicht bereits Überlegungen zur Anpassung ihrer Klinikstrukturen anstellen. Dieser Dialogprozess kann durch einen externen Moderator organisiert und fachkundig begleitet werden.

6. Verstärkte politische Rückendeckung für Entscheidungsträger vor Ort: Bayern wird die Entscheidungsträger vor Ort bei der Umsetzung von tiefgreifenden Krankenhaus-Umstrukturierungen noch stärker politisch unterstützen. In besonders gelagerten Fällen wird daher die Staatsregierung die Ergebnisse von Umstrukturierungsüberlegungen, die mit erheblichen Veränderungen der gegenwärtig bestehenden Versorgungsangebote einhergehen, insbesondere bei gebietsübergreifenden oder in anderer Hinsicht systemrelevanten Neuordnungen, im Kabinett bestätigen und damit die vor-Ort-Verantwortlichen in ihrer getroffenen Entscheidung politisch unterstützen. Die grundsätzlichen Verantwortlichkeiten, planerischen Verfahren usw. bleiben davon unberührt.

7. Keine Rückforderung von Fördermitteln bei Nutzungsänderungen: Der Freistaat wird Krankenhausträger im Falle einer Nutzungsänderung größtmöglich von der Rückzahlung noch nicht abgeschriebener Fördermittel entlasten, dabei ist jeder Einzelfall unter Beachtung des EU-Beihilferechts und der Art der Nachnutzung zu betrachten.

Nach Angaben der Ministerin ist Bayern auch bei den Investitionen vorbildlich aufgestellt. „So haben wir seit 2018 gemeinsam mit den Kommunen die Investitionen in die bayerischen Kliniken mit jährlich 643 Millionen Euro gefördert und auf dieser Grundlage alle notwendigen Projekte zeitgerecht finanziert. In diesem Jahr konnte der Etat sogar auf 800 Millionen Euro gesteigert werden.

Darüber hinaus stelle sich der Freistaat seiner Verantwortung für die Krankenhäuser mit einer aktiven und passgenauen Krankenhausplanung. Dabei setze er auf die Zusammenarbeit mit allen beteiligten Akteuren. Viele Landkreise, so Gerlach, hätten sich bereits vor einiger Zeit auf den Weg gemacht und Maßnahmen ergriffen, um die Versorgung in ihrer Region anzupassen und zukunftsfest auszugestalten. Dies betreffe Regionen quer durch ganz Bayern: zum Beispiel die Landkreise Neu-Ulm oder Freyung-Grafenau, aber auch die Landkreise Mühldorf und Altötting, die gemeinsame Konzepte entwickelten. In teils schmerzhaften Prozessen hätten diese Kommunen nach einer gründlichen Analyse entschieden, Doppel- oder gar Dreifachvorhaltungen derselben stationären Angebote an mehreren Standorten innerhalb des Landkreises abzubauen.

„Das heißt konkret: Konzentrierung an einem Standort und dadurch aber auch, dass dieser Standort dauerhaft gestärkt und in der Versorgungsqualität zum Teil sogar weiter aufgewertet wird“, machte Gerlach deutlich. An manchen Standorten seien die stationären Leistungen bedarfsgerecht reduziert worden, aber oft bei gleichzeitigem Ausbau der ambulanten Notfallversorgung. Vor allem, wenn sich Klinikträger zu größeren Verbünden zusammengeschlossen hätten, sei es gelungen, solche Abstimmungen landkreisübergreifend über mehrere Kommunen hinweg vorzunehmen.

Besonders konsequent sei die sen Weg der Konzentration beispielsweise der Landkreis Main-Spessart gegangen. In einem konstruktiven Dialog wurde entschieden, die stationäre Versorgung für die Region von ehemals drei Standorten in einem zentralen Klinikneubau in Lohr zu konzentrieren. Hierdurch würden nicht nur unwirtschaftliche Mehrfachvorhaltungen und bestehende Überkapazitäten abgebaut, sondern auch die medizinische Qualität der Versorgung durch stärkere Profilbildung verbessert. Der Freistaat unterstütze diesen Weg weitreichend mit der Investitionskostenförderung.

Mit Blick auf Bayerns Strategie im weiteren Gesetzgebungsprozess des Bundes erklärte die bayerische Gesundheitsministerin: „Da Bundesminister Lauterbach und auch die Ampelkoalition im Bundestag bislang die zentralen Forderungen und Vorschläge der Länder zur Krankenhausreform des Bundes weitestgehend ignoriert haben, werde ich mich im Bundesrat dafür einsetzen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das ist die letzte Chance, dringend notwendige Änderungen nachzuverhandeln, um die für die Bundesländer wichtigen Änderungen zu erreichen.“

Nach Angaben des Vorsitzenden der Freie Wähler-Landtagsfraktion Florian Streibl sind bundesweit derzeit 70 Prozent der Krankenhäuser ernsthaft besorgt um ihre Existenz – und auch im Freistaat sei die Lage dramatisch. „Wir Freien Wähler wollen keine Zweiklassengesellschaft bei der Gesundheitsversorgung. Wir lassen nicht zu, dass Stadt und Land gegeneinander ausgespielt werden. Eine schnelle medizinische Behandlung muss allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen – nicht nur jenen, die in Metropolregionen leben“, unterstrich Streibl.

Bei der Krankenhausplanung müssten gewachsene Strukturen mit realen Versorgungsbedarfen in Einklang gebracht werden. Die Krankenhausreform sollte Streibl zufolge u.a. dazu genutzt werden, die Pflege zukunftsorientiert aufzustellen – im Sinne aller Patientinnen und Patienten:

„Pflegefachliche Expertise muss in Entwicklung und Strukturvorgaben der Krankenhausreform fest integriert werden und der Bund muss dafür die Weichen richtig stellen. Pflegequalität muss ein Kriterium für die Zuordnung zu Leistungsgruppen sein. Eine Klinik, die Spitzenmedizin leisten will, kommt ohne hohe Pflegequalität nicht aus. Dazu gehören für mich zwingend sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen, die unter pflegerischer Leitung stehen. Nur auf diese Weise werden wir älteren, multimorbiden Patienten auch eine gute Genesungszeit ermöglichen können.“

Der Grünen-Sprecher für Gesundheit und Pflege Andreas Hanna-Krahl wies darauf hin, dass seine Partei seit langem eine vorausschauende und transparente Krankenhausplanung fordere. „Jetzt müssen umgehend passgenaue Regelungen geschaffen werden, um damit regionale Unterversorgungen, Mehrfachvorhaltungen und Fehlversorgung aufzudecken und zu reduzieren. Außerdem müssen die Chancen der Bundesreform genutzt und sektorübergreifende Einrichtungen konsequent gestärkt werden.

AfD-Gesundheitssprecher Andreas Winhart bezeichnete die von Staatsministerin Gerlach vorgeschlagenen Maßnahmen als unzureichend und forderte eine Bestandsgarantie für alle öffentlichen Klinikstandorte in Bayern. Statt einer Anpassung an die Reform der Bundesregierung, die ein Desaster für Bayern darstelle, sei eine regionale Krankenhausversorgung erforderlich.

Die finanzielle Schieflage der Krankenhäuser führt SPD-Gesundheitssprecherin Ruth Waldmann auf die nach ihrer Ansicht „seit Jahren unzureichenden Investitionen der Staatsregierung“ zurück und plädierte dafür, die Finanzierungsgrundlage zu ändern. 80 Prozent der Kliniken rechneten heuer mit roten Zahlen.

DK

 

 

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