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(GZ-17-2023 - 14. September)
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► Bayerischer Sparkassentag 2023 in Würzburg:

 

Regional.Digital.Zukunft

 

Unter dem Motto „Regional.Digital.Zukunft“ führte der Bayerische Sparkassentag 2023 in Würzburg rund 400 Gäste aus Sparkassen, Trägerkommunen, Politik und Gesellschaft zusammen. Laut Prof. Dr. Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, sind die bayerischen Sparkassen ein tragender Pfeiler der Wirtschaft im Freistaat. Ihr Geschäftsmodell als kommunale, regionale und zunehmend auch digitale Kreditinstitute passe sich perfekt in die dezentrale deutsche Wirtschaftsstruktur ein, Städte und Landkreise könnten sich auf ihre Sparkassen verlassen.

Matthias Dießl. Bild: SVB
Matthias Dießl. Bild: SVB

„Wir müssen eng beieinander stehen in einer Zeit, in der sich geopolitische Konflikte bis in unseren Alltag auswirken, europäische Regularien sich über das Subsidiaritätsprinzip hinwegsetzen und digitale Entwicklungen mit einer bisher nicht gekannten Beschleunigung an Tempo aufnehmen“, betonte Reuter und bat in diesem Zusammenhang Ministerpräsident Dr. Markus Söder um weitere Unterstützung für die Sache der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und damit für alle Regionen des Freistaats.

Seriosität und Regionalität

Bei Söder traf er damit auf offene Ohren.Aus seiner Sicht sind und bleiben die Sparkassen „ein unverzichtbarer Stabilitätsanker unserer Finanzarchitektur in Bayern“. Sie zeichneten sich durch Seriosität und Regionalität aus. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten genössen sie das Vertrauen der Bevölkerung.

„Wir brauchen keine europäische Einlagensicherung und wollen unsere Strukturen behalten“, machte Söder zudem deutlich. „Gerade unsere Mittelständler und Existenzgründer brauchen eine vernünftige Finanzstruktur anstatt massiver Regulatorik und Bürokratie. Wir müssen aufpassen, dass wir auf den Märkten wettbewerbsfähig bleiben. Denn nur durch Leistung und Einsatz wird auch in Zukunft der Wohlstand erhalten bleiben. Und wir lehnen alle Pläne zur Abschaffung von Bargeld ab.“

Mit Blick auf aktuelle regulatorische Herausforderungen für Sparkassen stellte Präsident Reuter zunächst den Handlungsbedarf der EU-Kommission bezüglich einer Honorarberatungspflicht in Frage, denn der Markt sei bereits transparent und die Konkurrenz funktioniere gut. „Wenn etwas Transparenz und Effizienz behindert, ist es regulatorisch aufgezwungene Papierflut und Informationspflichten auch für mündige Anleger, die das gar nicht brauchen und wollen.“ Weiter erteilte er Plänen zur kompletten Vergemeinschaftung der Europäischen Einlagensicherung (EDIS) anstelle der 2015 bereits erfolgten Harmonisierung abermals eine deutliche Absage.

Finanzstabilität wahren

Auch der neue Vorschlag der EU-Kommission, europäische Abwicklungsvorschriften künftig über internationale Großbanken hinaus auch auf mittlere und kleinere Kreditinstitute auszuweiten (CMDI), schlage in diese Kerbe: „Denn auch damit würde letztlich die Handlungsfähigkeit des intakten nationalen, sparkassenspezifischen Institutssicherungssystems ausgehebelt, das heute ganz wesentlich zur Stabilität der Institute und zum riesigen Vertrauen unserer Bürger für die Sparkassen beiträgt.“ Finanzielle Mittel, die heute zur Absicherung der deutschen Sparkasseneinlagen im Sicherungssystem gebunden sind, würden so künftig auch hier gesamteuropäischen Institutionen unterstellt und flössen damit in einen gemeinsamen Topf; die Haftung für Risiken würde sozialisiert, so dass die Entnahme aus dem Topf mit hoher Wahrscheinlichkeit zugunsten von Banken mit risikoreichen Geschäftsmodellen erfolgen würde und nicht für deutsche Sparkassen. Reuter zufolge droht mit solchen Eingriffen die Kommission das bewährte Drei-Säulen-System aufzubrechen. Zur Wahrung der Finanzstabilität in Deutschland müsse dieses Vorhaben endlich begraben werden.

Digitaler Euro

Mit Blick auf den jüngsten Legislativvorschlag der EU-Kommission für einen digitalen Euro erläuterte Reuter: „Digitales Zentralbankgeld entspricht sicher unserer Entwicklung hin zu einem Zeitalter der Digitalität. Die EZB sollte sich jedoch darauf beschränken, den digitalen Euro – wie auch heutiges Bargeld – als Zahlungsmittel und nicht als umfangreiches Zahlverfahren zu gestalten, das in den Wettbewerb zu anderen Geldtransfersystemen tritt. Hier braucht es den Konsens zwischen Gesetzgeber, den Zentralbanken und der Kreditwirtschaft, damit die Aufgabenteilung im System auch weiterhin reibungsfrei funktionieren kann und das Vertrauen der Bürger erhalten bleibt. Das Mandat der EZB und die konkrete Ausgestaltung eines digitalen Euros müssen zwingend transparent und demokratisch legitimiert sowie gesetzlich verankert werden, Fehlentscheidungen können wir uns dabei nicht leisten.“

Geldautomatenbetrieb

Auf Deutschland bezogen warnte der Präsident vor zu starken gesetzlichen Eingriffen in den Geldautomatenbetrieb. Banken und Sparkassen müssten schon im Eigeninteresse handlungsfähig bleiben, die bayerischen Sparkassen ihre rund 3.300 Geldautomaten selbsttätig absichern: „Angesichts der gehäuften Geldautomatensprengungen im vergangenen Jahr sind wir alle besorgt, die Sparkassen als Ziel und Opfer der Angriffe, die Polizei, die Bevölkerung und die für die innere Sicherheit zuständige Politik. Die bayerischen Sparkassen haben 2022 in Zusammenarbeit mit dem LKA viele Maßnahmen zur Absicherung der Automatenstandorte angestoßen, diese Fortschritte werden uns auch vom BMI bestätigt. Pauschale gesetzliche Regelungen, wie sie von manchen derzeit zusätzlich gefordert werden, würden aber weit über das Ziel hinausschießen und doch gleichzeitig der jeweils sehr individuellen Risikosituation nicht gerecht werden können.“

Auch Ideen wie der drastischen Reduzierung von Bargeldbeständen in den Automaten oder von Geldautomaten selbst erteilte Reuter eine Absage: „Viele Menschen vertrauen nach wie vor auf Bargeld. Solche Pläne aber würden die flächendeckende Bargeldversorgung in Deutschland gefährden. Wer das fordert, hat die Interessen der Bevölkerung im ländlichen Raum völlig aus den Augen verloren. Und so könnten dann auch wir Sparkassen unserem öffentlichen Auftrag nicht gerecht werden.“

Anlässlich des Bayerischen Sparkassentags gab der Präsident auch einen kurzen Überblick über die aktuelle Geschäftsentwicklung der bayerischen Sparkassen, die sich in den ersten fünf Monaten 2023 in einem deutlich anderen Umfeld bewegen als in den Vorjahren. Nach dem zins- und geopolitisch geprägten Umbruchsjahr 2022, in dem sich das Kreditvolumen der bayerischen Sparkassen erneut auf Rekordniveau entwickelte, zeigen die ersten Monate 2023 einen deutlichen Rückgang im Kreditneugeschäft, der sich inzwischen erstmals seit 15 Jahren auch in einem stagnierenden Kreditbestand niederschlägt.

Im Vergleich zum Vorjahr ist seit Jahresbeginn ein Rückgang der Darlehenszusagen um fast 45 Prozent zu verzeichnen, bedingt vor allem durch den massiven Rückgang im Neugeschäft mit Wohnungsbaufinanzierungen (-56 Prozent). Auch die Auszahlung bereits zugesagter Immobiliendarlehen lag deutlich unter dem Vorjahresniveau (-36 Prozent). Insgesamt sank die Darlehensauszahlung um 26 Prozent, so dass sich das Kreditvolumen der bayerischen Sparkassen um 0,5 Prozent auf 169,9 Milliarden Euro reduzierte.

Kreditgeschäft

Die Kreditbestände der privaten Kunden nahmen bis Juni 2023 insgesamt um rund 330 Millionen Euro (-0,5 Prozent) ab. Ihre Nachfrage nach neuen Krediten lag nur noch bei 44 Prozent des entsprechenden Vorjahreszeitraums, in dem allerdings massive Vorzieheffekte angesichts der erwarteten ersten Zinserhöhung stattgefunden hatten. Vor allem die Darlehenszusagen für private Wohnungsbaukredite zum Neubau trieben die Entwicklung im Jahr 2023, sie sanken um rund 70 Prozent. Auch im Kreditneugeschäft mit Unternehmen und Selbstständigen verzeichnen die bayerischen Sparkassen mit -38,7 Prozent gegenüber 2022 einen deutlichen Rückgang. Das Kreditvolumen steigt hier aber noch an (+1 Prozent).

Insgesamt wird sich die Bilanz der bayerischen Sparkassen 2023 verkürzen, denn auch der massive Einlagenzustrom der Vorjahre bremst derzeit ab, so dass sich der Einlagenüberhang in den ersten fünf Monaten 2023 auf 23 Milliarden Euro reduzierte (Einlagen insgesamt: 193,2 Milliarden Euro). Sparguthaben und Sichteinlagen, die während der Niedrig- und Negativzinsphase den größten Teil der Einlagen bestimmten, nehmen inzwischen deutlich ab, während Termingelder und Eigenemissionen Wachstumsraten von 10 bzw. 74 Prozent aufweisen.

2023 setzt sich das Wachstum des Wertpapiergeschäfts fort: Der Nettoabsatz stieg im Vergleich zum ebenfalls schon sehr positiven Vorjahreszeitraum (+ 37 Prozent) um 73 Prozent auf fast 5 Milliarden Euro, die Käufe konzentrieren sich eindeutig auf festverzinsliche Wertpapiere (+ 90 Prozent). 2021 hatte das Hauptgewicht noch bei Investmentfonds gelegen.

Durch das stark angehobene Zinsniveau wurde 2022 zum Jahr der ersten Zinserträge seit fast zehn Jahren, heuer wird diese Entwicklung fortgesetzt. Die bayerischen Sparkassen erwarten für das Gesamtjahr einen deutlich steigenden Zinsüberschuss. Die Sparkassen müssen dabei allerdings den Spagat zwischen ihren niedrig verzinsten Langfrist-Engagements aus der Negativzinsphase im Kreditbereich und bei eigenen Festzinsanlagen einerseits und Kundenerwartungen nach Einlagenzinsen andererseits schaffen. Das bedeutet auch, Einlegern zu erklären, dass sie vor dem Hintergrund der derzeitigen Inflation positive Realzinsen nur mittel- bis langfristig über Wertpapierengagements er-
zielen können.

Auswirkungen der Zinsentwicklung

„Der schnelle Zinsanstieg hat auch die bayerischen Sparkassen mit deutlichen Anpassungseffekten konfrontiert“, stellte Reuter fest. Die Auswirkungen der Zinsentwicklung für das Jahr 2022 wirken auch auf das Bewertungsergebnis Wertpapiere, können aber trotz vorübergehend negativer Effekte auf die Profitabilität auch im Jahr 2023 gut verarbeitet werden.

Insgesamt ist im laufenden Jahr 2023 „eine gutauskömmliche Weiterentwicklung der Geschäftslage im Kredit-, Einlagen- und Wertpapiergeschäft mit weiteren positiven Effekten auf die Ertragslage“ zu erwarten.

Im Zuge des Sparkassentags hat der Verbandsverwaltungsrat des Sparkassenverbands Bayern auch die Nachfolge von Präsident Prof. Dr. Ulrich Reuter geregelt, dessen Amtszeit in Bayern zum 31.12.2023 endet, da er mit dem Jahreswechsel das Amt des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands antreten wird. Den Vorsitz im Vorstand des Sparkassenverbands Bayern wird als Präsident zum 1. Januar 2024 Matthias Dießl, seit 2008 Landrat im Landkreis Fürth, übernehmen (siehe dazu auch GZ 14).

Geregelte Nachfolge

Als zweiter Verbandsvorsitzender und Mitglied des Verbandsverwaltungsrats des Sparkassenverbands Bayern, Mitglied im Fachbeirat und im kommunalen Beirat des Sparkassenverbands, langjähriges Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse Fürth sowie als Mitglied in mehreren Aufsichtsorganen von Verbundunternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe Bayern ist der gelernte Diplom-Kaufmann und Bankkaufmann bereits intensiv in die Entscheidungen der Sparkassen-Organisation eingebunden. Er ist langjähriges Mitglied im Verwaltungsrat der Landesbausparkasse Bayern, weiterhin im Aufsichtsrat der Bayern-Versicherung Lebensversicherung AG und der Versicherungskammer Bayern Konzern-Rückversicherung AG, sowie stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats der Bayerischen Sparkassenstiftung.

Der amtierende Präsident des Sparkassenverbands Bayern, Prof. Dr. Ulrich Reuter, zum Wahlergebnis: „Mit Matthias Dießl übernimmt ein ausgewiesener Kenner der Sparkassenpraxis und gleichzeitig der kommunalen Trägerstrukturen das Amt des bayerischen Sparkassenpräsidenten.“ Dießl verbinde die beiden Säulen und bringe damit eine ausgezeichnete Ausgangsposition mit, um kraftvoll für die Interessen der bayerischen Sparkassen-Finanzgruppe einzutreten. Mit seinem notwendigen strategischen Weitblick und einer zukunftsorientierten Gestaltungskraft verfüge er über hervorragende Voraussetzungen, um die bayerischen Sparkassen erfolgreich zu vertreten.

Ein „Mann vom Fach“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann würdigte Dießl als „Mann vom Fach“. Der 47-Jährige sei mit der Sparkassenwelt von der Pike auf vertraut. „Seit mehr als 20 Jahren stellst Du Dich darüber hinaus in den Dienst der kommunalen Selbstverwaltung, wobei Du seit 15 Jahren als Landrat besondere Verantwortung für Deinen Landkreis trägst und dort vieles erfolgreich voranbringen konntest“, würdigte Herrmann die kommunalpolitische Leistung Dießls.

Als langjähriges Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse Fürth und als zweiter Verbandsvorsitzender des Sparkassenverbands Bayern sowie als Mitglied in vielen weiteren Gremien der Sparkassen sei Dießl mit den aktuell anstehenden Themen vertraut. Dank intensiver Einbindung in die Verbandsorganisation bringe er „beste Voraussetzungen für die erfolgreiche Führung des Sparkassenverbandes mit und auch dafür, die Sparkassen durch die vielfältigen Herausforderungen der nächsten Jahre zu steuern“.

DK

 

 

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