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(GZ-12-2018)
Gastbeiträge

► Chance für die ärztliche Versorgung auf dem Land:

 

Kommunale MVZ

 
Gastbeitrag von Dr. Christian Wittmann und Dr. Nadine Holzapfel Sozietät BRP Renaud und Partner mbB Stuttgart / Frankfurt a. M.

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vom 16.7.2015 hat die Gründung von medizinischen Versorgungszentren (MVZ) für Kommunen deutlich erleichtert. Sie haben seither mehr Möglichkeiten, einer lokalen ärztlichen Unterversorgung entgegenzuwirken. Der Beitrag gibt einen Überblick über die neuen Möglichkeiten.

Die Aufgaben einer Gemeinde hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa der allgemeinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, der Aufgabenwahrnehmung durch die Privatwirtschaft, der Gesetzgebung durch Bund und Länder sowie den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung. Aus kommunaler Sicht ist die ambulante ärztliche Gesundheitsversorgung als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge von herausragender Bedeutung.

Freiwillige Aufgabe der Kommunen

Der Auftrag, die ambulante ärztliche Versorgung sicherzustellen, obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese werden den lokalen Versorgungsbedürfnissen jedoch nicht immer gerecht, nicht zuletzt auch wegen der nachlassenden Bereitschaft junger Mediziner, sich auf dem Land selbstständig zu machen. Die Vertragsärzte konzentrieren sich regelmäßig im wirtschaftlichen Zentrum, zumeist also in der Stadt. Dies kann zur Folge haben, dass ein vertragsärztlicher Planungsbereich als überversorgt gilt, obwohl in den Randbereichen selbst Allgemeinmediziner fehlen. 

Da die Sicherstellung der (haus)ärztlichen Versorgung somit häufig nicht auf der rechtlichen Ebene der vertragsärztlichen Bedarfsplanung, sondern vielmehr auf lokaler Ebene tatsächlich gefährdet ist, lag es nahe, den Kommunen die ambulante Gesundheitsversorgung vor Ort als freiwillige Aufgabe zu eröffnen. Mit dem GKV-VSG ist es ihnen erleichtert worden, Gründer und Betreiber eines MVZ zu werden. MVZ sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Bereits vor der Gesetzesänderung konnten Kommunen MVZ gründen, hauptsächlich in der Rechtsform der GmbH.

Für die Zulassung eines MVZ als GmbH war bisher allerdings Voraussetzung, dass die Kommune eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen abgab, was wegen der kommunalrechtlichen Vorgaben nicht ganz einfach war. Zwar ist es einer Kommune seit Inkrafttreten des GKV-VSG möglich, die erforderliche Sicherheit nun beispielsweise auch durch Bestellung einer Hypothek oder Grundschuld an einem kommunalen Grundstück zu leisten, allerdings gelten auch für diese alternativen Sicherungsmittel vergleichbare kommunalrechtliche Hürden.

MVZ in einer öffentlichrechtlichen Rechtsform

Für Kommunen wesentlich dürfte deshalb die Neuregelung sein, wonach sie MVZ jetzt auch in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform gründen dürfen, also als Regiebetrieb, Eigenbetrieb oder als Kommunalunternehmen (Anstalt des öffentlichen Rechts). Für die Gründung eines MVZ in öffentlich-rechtlicher Rechtsform schreibt das Gesetz keine Sicherheitsleistung vor. Seit der Gesetzesänderung ist außerdem neu, dass ein MVZ nicht mehr fachübergreifend sein muss, sodass mittlerweile auch fachgebietsgleiche, z. B. rein hausärztliche MVZ zulässig sind.

Versorgungsdefizit vermeiden

Durch die Gründung eines MVZ können Gemeinden einem Versorgungsdefizit auf lokaler Ebene entgegenwirken und dem Versorgungsbedürfnis ihrer Bürger flexibel entgegenkommen. In einem MVZ werden in der Regel angestellte Ärzte tätig, deren Anstellungsverhältnisse vom Zulassungsausschuss für Ärzte genehmigt werden müssen. Genehmigungsfähig sind schon sogenannte ¼-Stellen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von höchstens zehn Stunden. Ein MVZ kann damit einerseits Ärzte und Ärztinnen leichter gewinnen, da dem Bedürfnis nach Teilzeitarbeit entsprochen werden kann. Andererseits benötigen die Einwohner vielleicht auch nicht in jedem Fachgebiet eine volle Arztstelle, sodass Teilzeitanstellungen insoweit die Effizienz steigern können.

Aufgaben im Krankenhaus

Als vertragsärztlicher Leistungserbringer kann das MVZ auch an Krankenhäusern z. B. belegärztlich tätig sein. Angestellte Ärzte des MVZ können so also auch Aufgaben im Krankenhaus übernehmen oder an Krankenhäusern angestellte Ärzte können in Teilzeit im MVZ arbeiten. Das MVZ kann auch mit anderen in der Gemeinde niedergelassenen Ärzten eine Berufsausübungsgemeinschaft eingehen, was erneut Rationalisierungs- und Effizienzpotenziale birgt.

Zweigpraxen

Zudem kann das MVZ sogenannte Zweigpraxen betreiben. Dies ermöglicht es in großflächigen Gemeinden, auch am äußeren Rand präsent zu sein, selbst wenn die Hauptbetriebsstätte des MVZ im regionalen Zentrum angesiedelt sein sollte. Den Anstoß zur Gründung eines kommunalen MVZ gibt nicht selten die Absicht des letzten Arztes einer bestimmten Fachrichtung, seine Praxis altershalber zu schließen. Oft sind diese Ärzte bereit, noch einige Jahre angestellt im MVZ zu arbeiten, um von der umfangreichen Praxisadministration entlastet zu sein.

Möglichkeit der Praxisübernahme

Für Kommunen ergibt sich damit die Chance, die Praxis dieser Ärzte zu übernehmen und die Patienten zunächst durch den angestammten Arzt weiter versorgen zu können. Gerade bei älteren, jetzt kurz vor dem Rentenalter stehenden Ärzten ist allerdings häufig der Verkaufspreis der Praxis als Bestandteil der Altersvorsorge eingeplant. Zudem ist in Planungsbereichen, die für Neuzulassungen gesperrt sind, die Gründung eines MVZ nur möglich, wenn mindestens zwei Zulassungsinhaber bereit sind, ihre Zulassung in das MVZ einzubringen. Die Bereitschaft hierzu besteht zumeist nur bei Abschluss eines Praxiskaufvertrages. Neben den Investitionen in die Ausstattung des MVZ sind daher auch Investitionen für den Erwerb von Arztpraxen in der Regel einzukalkulieren.

Festzuhalten ist, dass eine Kommune seit dem GKV-VSG nicht mehr tatenlos zusehen muss, wenn sich durch eine altersbedingte Praxisaufgabe ein Versorgungsdefizit auf lokaler Ebene abzeichnet, sondern es in der Hand hat, diesem aktiv entgegenzuwirken. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür hat der Gesetzgeber bereitgestellt.

 

Unsere Autoren

Dr. Christian Wittmann und Dr. Nadine Holzapfel, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, sind Rechtsanwälte und Partner der Sozietät BRP Renaud und Partner mbB Rechtsanwälte Patentanwälte Steuerberater, Stuttgart, Frankfurt a. M.

Dr. Christian Wittmann und Dr. Nadine Holzapfel, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, sind Rechtsanwälte und Partner der Sozietät BRP Renaud und Partner mbB Rechtsanwälte Patentanwälte Steuerberater, Stuttgart, Frankfurt a. M.

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