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(GZ-19-2020)
Gastbeiträge

► Wohin geht der Weg:

 

Friedhof – tot oder lebendig?

 

Gastbeitrag von Hubert Schmitt, Vorsitzender der Gütegemeinschaft Friedhofsysteme e. V., Berlin

Für nicht wenige Friedhöfe in Bayern stellt sich zunehmend die Frage, wo der Weg hingeht. Geht es ihnen wie ihren Nutzern, dass sie sterben, oder bringen die zukünftigen Anforderungen und Entwicklungen die Chance eines Wiederauflebens. So wie derzeit viele Anlagen dahindümpeln, kann es nur ein Tod auf Raten sein.

Friedhof ist ein emotionales Thema. Bild Huber Schmitt
Friedhof ist ein emotionales Thema. Bild Hubert Schmitt

Einige „Krankheiten“ schleppt so mancher Friedhofsträger schonJahre/Jahrzehnte mit und vor sich her, andere Gefahren entstehen aus den gesellschaftlichen Entwicklungen und den immer schnelleren Veränderungen in der Friedhofs- und Bestattungskultur:

  • Immer schlechter werdende Wirtschaftlichkeit durch veraltete Gebührenstrukturen, steigende Kosten und rückläufige Einnahmen.
  • Neue Grabarten, die nicht mehrdie Flächen wie früher benötigen. Dadurch entstehen auch grö-
  • ßere Flächen, die keine Gebühren mehr einbringen, aber weiter gepflegt werden müssen, sog. Überhangflächen.
  • Geologische und hydrologische Probleme, die nie gelöst wurden und Flächen blockieren, bzw. für eine Weiterentwicklung unbrauchbar machen.
  • Eine stetig geringer werdende Akzeptanz der Friedhofsanlage in der Bevölkerung durch jahrzehntelangen Stillstand, keinerlei Veränderungen, fehlende Attraktivität.
  • Rückgang der freiwilligen und ehrenamtlichen Unterstützung der Bürger.
  • Wettbewerb, extern und interkommunal.

Diese Themen sind immer wieder Hauptbestandteil bei den fast täglichen Informations- und Beratungsgesprächen der Gütegemeinschaft Friedhofsysteme e.V. bei den Friedhofsträgern vor Ort, die sehr oft auch auf dem jeweiligen Friedhof stattfinden.

Aber, wie bereits erwähnt, bieten sich hier große und sehr gute Chancen, eine „Gesundung“ der Anlage herbeizuführen und auch wieder ein Kleinod in der kommunalen oder dörflichen Gemeinschaft zu schaffen, bis hin zu einem Mittelpunkt, der nicht nur der Bestattung von Toten dient, sondern auch für die Lebenden zu einem Treffpunkt werden kann.

Es ist sehr erfreulich, dass dieser Weg bei immer mehr Kommunen und Kirchen gewählt wird. Das zeigt der steigende Informationsbedarf bei den unterstützenden Stellen, wie Städte- und Gemeindetag und kommunale Beratungsstellen, aber auch bei Planungsbüros oder Verbänden der Gewerke.

Aus der 20-jährigen praktischen Erfahrung der Gütegemeinschaft Friedhofsysteme e.V. wird immer wieder festgestellt, dass bei den Vorhaben oft von hinten begonnen wird, ohne zu wissen, was man verändern will, kann oder muss. Daher ist es wichtig, erst einmal zu definieren, welche Maßnahmen im jeweiligen Friedhof sinnvoll und überhaupt umsetzbar sind, anschließend können Satzungen geändert und neue Gebühren kalkuliert werden.

Große pflegebedürftige Flächen. Bild Huber Schmitt
Große pflegebedürftige Flächen. Bild Hubert Schmitt

Veränderungen im Friedhof unterstehen oft zeitlichen Zwängen. Nicht selten geschieht daher dieser Prozess über mehrere Abschnitte. Zu den erfolgreichen „Therapien“ für eine Genesung und einen Fortbestand unserer auch kleinen Friedhöfe gehören zum einen bauliche und gestalterische Veränderungen, aber natürlich auch fachkompetentere Verantwortlichkeiten in den Verwaltungen. Gerade in der bayerischen kommunalen Klein-
struktur haben wir zwar in jedem Dorf, jedem Ortsteil einen Friedhof, aber oft nicht die finanzielle Möglichkeit, entsprechende fachliche Zuständigkeiten und Verantwortung bereit zu stellen.

Zu den derzeit am meisten umgesetzten baulichen und gestalterischen Veränderungen, gehören:

  • Schaffung neuer Grabarten, meist Urnengräber, unter- und oberirdisch, bedingt durch steigende Kremationsraten.
  • Errichtung von Bestattungsmöglichkeiten für neue Bevölkerungsgruppen oder andere Religionen.
  • Reaktivierung, Sanierung und Umgestaltung der klassischen Erdgräber in kleinflächige, pflegearme Gräber mit kürzeren Ruhezeiten, etc.
  • wenn möglich barrierefreie Infrastruktur für die Besucher und geeignete Infrastruktur für die am Friedhof Arbeitenden.
  • Begrünung, Aufforstung (Baumgräber), etc. zu einer parkähnlichen Anlage.
  • Sanierung, Modernisierung der baulichen Anlagen, Aussegnungshalle, sanitäre Anlagen, Entsorgungsplätze, etc.
  • Räume und Plätze für Kommunikation, Abschied und Meditation, etc. für eine älter werdende Gesellschaft, für alleinstehende ältere Bürger, die den Kontakt suchen und brauchen und die Rituale zusammen mit dem Friedhofsbesuch ermöglichen.
  • Aufenthalts- und Verabschiedungsräume für Abschied am Sarg, mit entsprechendem Ambiente, bevor der Sarg ins Krematorium überführt wird – gerade bei steigender Kremation immer wichtiger.
  • Außen- und Innenmöblierung.

Gemeinsam mit den baulichen und gestalterischen Veränderungen muss aber auch die Kompetenz der Friedhofsverwaltung und des -managements mitwachsen:

  • Festlegung der Zuständigkeiten, Ausbildung und Fortbildung
  • Entwicklungs- und Betreibungskonzept für jede Anlage
  • Aktuelle und korrekte Friedhofs- und Gebührensatzungen
  • Digitalisierung der Anlage und der Betreibung.

Abschließend kann nur an die politischen Entscheidungsträger in den Kommunen, aber auch an die kirchlichen Friedhofsträger appelliert werden, die Bemühungen vieler Verwaltungen und auch Bürger im Bereich Friedhof zu unterstützen und nicht zu blockieren.

Friedhof ist ein emotionales Thema, im Gegensatz zu früher verliert man jetzt schneller den Anschluss an die Entwicklungen. Versäumtes aufzuholen ist meist teurer und dauert länger. Ist erst einmal die Akzeptanz beim Bürger nicht mehr vorhanden, sucht man andere Wege der Bestattung und zunehmend werden der eigenen Friedhofsanlage die Sterbefälle wegbrechen. Die letzte Konsequenz ist bereits zu Beginn erwähnt worden.

Lindflur: Pflegearme Erd-Sarg-Systemgräber, mit 12 Jahren. Bild Huber Schmitt
Lindflur: Pflegearme Erd-Sarg-Systemgräber, mit 12 Jahren. Bild Hubert Schmitt

Bergtheim: Urnenstelen kombiniert mit Urnenerdgräbern. Bild Huber Schmitt
Bergtheim: Urnenstelen kombiniert mit Urnenerdgräbern. Bild Hubert Schmitt

Bastheim: Urnenerdgräber als Baumgräber. Bild Huber Schmitt
Bastheim: Urnenerdgräber als Baumgräber. Bild Hubert Schmitt

 

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