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(GZ-22-2020)
Gastbeiträge

► Missing Factfulness:

 

Moderne Wasserkraftwerke sind auch ökologisch ein Gewinn

 

Gastbeitrag von Bertalan Alapfy, Technische Universität München, Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft

Die Nutzung der Wasserkraft hat in Bayern eine lange Tradition und sie spielt für die Energiewende eine besondere Bedeutung. Nicht nur wegen des Ausbauziels von 1 TWh/a bis 2022, sondern auch wegen ihrer energiewirtschaftlichen Bedeutung hinsichtlich Planbarkeit und Grundlastfähigkeit.

Laufende Bauarbeiten am Schachtkraftwerk Dietenheim im November 2020. Bild: Fontin & Company GmbH
Laufende Bauarbeiten am Schachtkraftwerk Dietenheim im November 2020. Bild: Fontin & Company GmbH

Trotz dieser unbestrittenen Vorteile und der Tatsache, dass die Wasserkraft bei der ganz überwiegenden Mehrheit der Bürger eine sehr hohe Akzeptanz hat, ist von sektoralen Interessenvertretern immer wieder Kritik wahrzunehmen, oft verbunden mit entsprechenden Verhinderungsmaßnahmen. Aber es lohnt sich, genau hinzuschauen: Allzu oft handelt es sich um einen Scheinkonflikt, der wohl eher aus ideologischen, denn aus sachlichen Gründen aufgebaut wird.

Debatte über die Wirkung von Aussagen

Mit seinem Buch ‚Factfulness‘ hat Hans Rosling eine Debatte über die Wirkung von Aussagen angestoßen, die alleine durch ihre mehrfache Wiederholung und breite Verteilung als richtig wahrgenommen werden, obwohl sie eigentlich falsch sind. Sie beeinflussen somit auch Einschätzungen, Entscheidungen und das Handeln – und zwar negativ. Bezogen auf die Wasserkraft bedeutet dies nachteilige Folgen für die Energiewende und gleichzeitig auch Nachteile für die zeitnahe Verbesserung der ökologischen Bedingungen.

Forschungsergebnisse wissenschaftlicher Versuchsreihen, bei denen die ökologische Auslegung neuer Wasserkraftkonzepte an erster Stelle stehen und auf überzeugende Weise bewiesen werden konnten, werden nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Dieses Phänomen kann am Beispiel der Schachtkraftwerk-Konzeptes, einem Vertreter der neuen Wasserkraftkonzepte, besonders deutlich beobachtet werden.

Mit dem Schachtkraftwerk-Konzept der TU München können Potenziale an bestehenden Querbauwerken auf ökologisch verträgliche und ökonomisch machbare Weise erschlossen werden. Durch die starke Gewichtung des Naturschutzes in den zu berücksichtigenden Gesetzen und Richtlinien ist alles andere als eine ökologisch optimale Umsetzung ohnehin ausgeschlossen. Kraftwerksplanungen, die nicht gleichzeitig eine ökologische Verbesserung erzielen, sind nicht zulassungsfähig. Die Kosten für diese ökologische Verbesserungen werden durch das Kraftwerk getragen und entlasten den Staat.

Schachtkraftwerk-Konzept

Das Schachtkraftwerk bietet einen hohen Wirkungsgrad und kompakte Bauweise und kann an bestehenden Querbauwerken sehr gut zur Verbesserung der ökologischen Bedingungen beitragen. Eine abwärts gerichtete Durchgängigkeit ist für Fische durch sohl- und oberflächennahe Fischabstiegsöffnungen möglich. Geschiebe und Treibgut werden problemlos über die verstellbare Verschlusstafel in das Unterwasser gespült.

Trotz dieser wissenschaftlich belegten Vorteile der Nutzung des SKW-Konzepts wird das ökologisch verträgliche Schachtkraftwerk wie ein konventionelles Kraftwerk behandelt. Horrorszenarien wie massenhaftes Fischsterben und Naturzerstörung werden ohne wissenschaftliche Begründung oder sonstiger stichhaltiger Beweise in den Raum geworfen.

Es wird ein vermeintlicher Konflikt gezeichnet, nach dem sich der Bau von Schachtkraftwerken an bestehenden Schwellen nicht mit den Zielen der Gewässerrenaturierung vereinbaren ließe, selbst wenn die Schwellen aus anderen, flussbaulichen Gründen auch in Zukunft nicht entfernt werden können.

Keine Differenzierung

Gerade im Lager der Wasserkraft-Gegner verbreiten sich diese Fehlinformationen sehr rasch. Eine Differenzierung zwischen neuen, umweltfreundlichen Wasserkraft-Konzepten und konventionellen Bauweisen fehlt in der Regel und findet nur bei technologieaffinen Betrachtern statt.

Dabei könnten solche Projekte zu einer Beschleunigung der Gewässerrenaturierung beitragen, da mit jedem neuen Schachtkraftwerk ein bestehendes Querbauwerk aus privaten Mitteln ökologisch deutlich aufgewertet wird. So wird beim Pilotprojekt Dietenheim im Rahmen des Kraftwerksneubaus auch eine neue Fischtreppe mit Anschluss an ein ökologisches Verbindungsgerinne im Auwaldbereich hergestellt.

Gerade Naturschützer müssten ein Zeichen setzen und solche umweltfreundlichen Ansätze befördern, so dass sich diese durch gute Referenzprojekte auch international rasch etablieren, und somit zu einem globalen Schutz der Ökologie beitragen können. Solange die Technologie im Erfinderland verhindert wird, werden in anderen Ländern weiterhin konventionelle, potentiell umweltschädliche Technologien bevorzugt.

Game-Changer in der Wasserkraft

Das Schachtkraftwerk bringt alle Eigenschaften mit, um ein Game-Changer in der Wasserkraft zu sein: Es ist an zahlreichen Standorten und verschiedenen Größenklassen einsetzbar, kompakt und kaum sichtbar, hochwassersicher, kosteneffizient und vor allem: umweltfreundlich.

Es lohnt sich also, genau hinzuschauen. Nur, weil wortstark Aussagen gegen die Wasserkraft ins Feld geführt werden, sind diese nicht richtig. Mit den richtigen Konzepten ist die Wasserkraft ein ökologisch sehr verträglicher Baustein zum Gelingen der Energiewende.

 

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