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(GZ-6-2021)
Gastbeiträge

► Änderungen der Bayerischen Bauordnung:

 

„Möglichst einheitliches Abstandsflächenrecht und eine hohe Qualität von Freiflächen“

 

Von Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer

Die lang erwarteten Änderungen der Bayerischen Bauordnung BayBO sind am 1. Februar in Kraft getreten. Bereits im Vorfeld wurde intensiv und kontrovers diskutiert. Die Bayerische Architektenkammer stand in ihrer Stellungnahme nicht allen Änderungsvorschlägen der Bayerischen Staatsregierung positiv gegenüber, auch wenn die Kammer die politische Zielsetzung der Novelle, den Wohnungsbau in Bayern zu beschleunigen und zu fördern und zugleich einen aktiven Beitrag zum Flächensparen zu leisten, selbstverständlich voll unterstützt.

Christine Degenhart. Bild: Dominik Fritz
Christine Degenhart. Bild: Dominik Fritz

Flächen- und ressourcenschonendes Bauen, die Umsetzung vorhandener Klimaschutzziele im Bausektor oder auch eine Privilegierung von Bestandsbauten gegenüber Neubauten stehen aus Kammersicht auch weiterhin ganz oben auf der Agenda für ein innovatives Baurecht in Bayern.

Gerade die Pandemie zeigt, wie wichtig eine verlässliche Rechtssetzung ist, um notwendige Investitionen voranzutreiben und konjunkturelle Defizite der Baubranche auszugleichen, insbesondere für den dringend benötigten Wohnungsbau.

Die geplante Verkürzung der Abstandsflächen durch die Novelle auf 0,4 H (Art. 6 BayBO) greift gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahre auf: Das Bedürfnis nach flächensparenden Bauweisen, urbaner Dichte und einer lebendigen Durchmischung von Wohnen und Arbeiten spiegelt sich in der Beliebtheit von Metropolen und Stadtteilen wider. Im ländlichen Raum können auf Basis des neuen Abstandsflächenrechts Ortschaften nach dem Prinzip „innen vor außen“ weiterentwickelt werden.

Kommunen reagieren auf beabsichtigte Verdichtung mit individuellen Satzungen Zahlreiche Kommunen machen inzwischen von der Möglichkeit Gebrauch, im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Planungshoheit die Abstandsflächen in ihren Gemeindegebieten durch Satzung individuell zu regeln, um so die gesetzlich vorgesehene Verkürzung auf 0,4 H und eine damit verbundene bauliche Verdichtung zu vermeiden.

Zu erkennen ist, dass die Kommunen hierbei keine einheitlichen Regelungen schaffen, sondern ganz unterschiedliche Lösungen suchen. Oft werden dabei jedoch Ortsteile nicht spezifisch betrachtet, sondern ein einheitliches Maß für das gesamte Gemeindegebiet vorgegeben.

Im Rahmen von Bebauungsplänen vorgegebene Abstandsflächen werden gegenüber der BayBO Vorrang haben. Jedoch kann das Instrument der Abweichung ein angezeigtes Mittel sein, entgegen möglicher Festsetzungen im Bebauungsplan dichter bauen zu können. Alles in allem ist abzusehen, dass die Planungsarbeit künftig aufwändiger werden wird, da zusätzlich zu den Regelungen der BayBO immer auch das jeweilige kommunale Abstandsflächenrecht zu beachten sein wird.

Die aktuelle Entwicklung und die spürbare Verunsicherung zeigt aber, dass die Vorbereitung von kommunalen Satzungen besonderen Sachverstand und fachliche Unterstützung vor Ort erfordert. Notwendige Voruntersuchungen müssen sorgfältig durchgeführt werden. Auch der Satzungstext muss gut begründet werden, um rechtssicher und normenkontrollfest zu sein. Schließlich kann gegen Satzungen geklagt werden. Sinnvoll wäre zudem eine rechtzeitige Beteiligung der Bürger.

Es geht um nichts weniger als ein passgenaues Abstandsflächenrecht vor Ort, bei dem auch den Anliegen des Flächensparens und der Wohnraumbeschaffung gleichermaßen Rechnung getragen werden. Dieser Prozess ist herausfordernd. Richtig geplant und gut umgesetzt, bietet er allen Beteiligten die Chance, innovative Lebensräume zu schaffen.

Die Bayerische Architektenkammer hat deshalb ihre Stadtplanerinnen und Stadtplaner sowie Architekten aller Fachrichtungen aufgefordert, sich noch aktiver als bisher in ihren Städten und Gemeinden an der örtlichen Bauleitplanung zu beteiligen und ihre Expertise bei der Erarbeitung von Bauleitplänen oder dem Erlass von Satzungen auf Basis des neuen Abstandsflächenrechts unmittelbar anzubieten.

Wenn dichter gebaut wird, muss die Qualität des Freiraums stimmen

Mit einer Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H ist wegen der intensiveren baulichen Nutzung bereits jetzt abzusehen, dass in Siedlungsgebieten Bewohnerinnen und Bewohnern potentiell weniger nutzbarer Freiraum zur Verfügung stehen wird. Umso wichtiger – und das zeigt gerade die Pandemie – wird dann die Qualität des Freiraums sein.

Die Bayerische Architektenkammer fordert deshalb, die Qualität des Freiraums verpflichtend durch einen qualifizierten Freiflächengestaltungsplan zum Bauantrag nachzuweisen und die Liste der Bauvorlagen im Rahmen der Novellierung an geeigneter Stelle zu erweitern. Kosten, die für die Freiflächenplanung ausgelöst werden, sind nicht nur sinnvolle Investitionen für nachfolgende Generationen, sondern ebenso ein Mehrwert für Bewohner, Nutzer und das Quartier. Denn eine lebenswerte Umwelt ist nicht zuletzt eine Investition in eine langfristige Gesundheitsvorsorge.

Geht es Gemeinden nicht allein um Insellösungen, sondern um eine Zukunftsstrategie, die Nachhaltigkeit, Klimaanpassung, Ökologie sowie flächen- und ressourcensparendes Bauen in den Fokus nimmt, dann bietet die Bayerische Architektenkammer mit ihren Beratungsstellen, insbesondere der Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit (BEN), kostenfreie Expertenberatungen an.

Nutzen Sie dieses Angebot auch in Ihrer Kommune: www.byak.de

Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer

 

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