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(GZ-19-2021)
Gastbeiträge

► Seit 1. April 2021 in Bayern möglich:

 

Sarglose Bestattung

 

Von Ingrid Hannemann, KUBUS Kommunalberatung und Service GmbH, München und Hubert Schmitt, Gütegemeinschaft Friedhofsysteme e.V., Berlin

Nach der aktualisierten Bayerischen Bestattungsverordnung, die seit 01.04.2021 in Kraft ist, ist nunmehr auch in Bayern unter bestimmten Voraussetzungen die sarglose Bestattung möglich. Entgegen vielen Medienberichten ist vorab festzustellen, dass die Sargpflicht durch die genannte Regelung nicht aufgehoben ist. Sie ist gelockert worden. „Der Friedhofsträger kann Erdbestattungen in einem Leichentuch ohne Sarg aus religiösen und weltanschaulichen Gründen zulassen, soweit öffentliche Belange nicht entgegenstehen“.

Die Entscheidung über die Lockerung der Sargpflicht wird also der Kommune, dem Friedhofsträger überlassen, er kann hierfür die Voraussetzungen schaffen und erfüllen. Der Friedhofsträger kann sie also zulassen, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Das zuständige Gesundheitsministerium verweist hier auf die Pietätsvorstellungen in der Gesellschaft, wonach zu prüfen sei, ob der nur in ein Tuch gehüllte Leichnam andere Friedhofsbesucher in ihren sittlichen Vorstellungen belaste. Mit dem Transport der Leiche in einem Sarg hin zum Grab dürfte die Belastung jedoch tragbar sein.

Systemgrab für muslimische Bestattung, geschlossen, Oberflächen bzw. Grabgestaltung variabel. Bild: Hubert Schmitt
Systemgrab für muslimische Bestattung, geschlossen, Oberflächen bzw. Grabgestaltung variabel. Bild: Hubert Schmitt

Vorab zu klärende Faktoren

Im Rahmen der Entscheidung über die Lockerung der Sargpflicht sind wichtige Faktoren zu beachten. So sind im Vorfeld bestimmte Anforderungen aus religiöser und bestattungsrechtlicher Sicht zu klären. Die Religionszugehörigkeit muss eine sarglose Bestattung vorschreiben. Dies ist eng auszulegen. Jedenfalls der Islam erfüllt die Anforderungen der Vorschrift, denn er kennt grundsätzlich ein Verbot der Bestattung im Sarg. Daneben ist nicht nur die Waschung zu ermöglichen, sondern vor allem die unterschiedlichen Bestattungsriten, von den Vorgaben bei der Grabpflege, den Grabeinfassungen, den Grababdeckungen, beim Tragen des Leichnams im Tuch zum Grab, bei den Totengebeten, Abschieds- und Gedenkfeiern, beim Graböffnen, und –schließen usw.. Bestehende Friedhofsatzungen dürfen den Lockerungen nicht entgegenstehen oder müssen angepasst werden.

Schräg über dem Leichnam aufgestellte Bretter schützen den nur mit dem Leichentuch umhüllten Körper vor dem nicht unerheblichen Erddruck. Bild: Hubert Schmitt
Schräg über dem Leichnam aufgestellte Bretter schützen den nur mit dem Leichentuch umhüllten Körper vor dem nicht unerheblichen Erddruck. Bild: Hubert Schmitt

Grundwasserschutz

Auch ist die Tuchbestattung bei „infektiösen und hochkontagiösen Leichen“ untersagt. Zudem sollte man die Änderungen des § 30 Abs. 1 Bestattungsverordnung (BestV) zu Särgen, Sargausstattungen und der Bekleidung von Leichen mit einbeziehen. So sind für die Erdbestattungen neben Särgen aus Vollholz (Abs. 1 Satz 1) jetzt auch andere Materialien zulässig (Abs. 1 Satz 2), wenn sie so beschaffen sind, dass „die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Bodens oder des Grundwassers nicht nachteilig verändert wird“ (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), und „die Verwesung der Leiche innerhalb der Ruhezeit ermöglicht wird“ (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3). Beide Ausführungen gelten auch für die „Umhüllung der Leiche“ (Abs. 2 Satz 3).

Schutz des Bodens

Während „die Verwesung der Leiche innerhalb der Ruhezeit“ unter dem Thema „Ewiges Ruherecht“, „Ruhezeit auf Dauer“ oder „unbegrenzte Verlängerungsmöglichkeit aus religiösen Gründen“ gelöst werden kann, wird der Schutz des Bodens oder des Grundwassers durch das Leichentuch zu deutlich mehr Kopfzerbrechen führen.

Nicht unerheblicher Erddruck

Aus Berichten von Bestattern in anderen Bundesländern stellt man einen kreativen Aufwand fest, die nur mit dem Leichentuch umhüllten Körper vor dem nicht unerheblichen Erddruck zu schützen. So stellt man Bretter schräg über den Leichnam oder hebt eine zusätzliche Grube in der Grabsohle aus, in die man den Leichnam legt und mit schützenden Brettern abdeckt. Es werden sogar die Sargdeckel als Schutz über den Leichnam gelegt. Dabei bietet die Gütegemeinschaft Friedhofsysteme e.V. bereits seit 2016 ein mit dem RAL-Gütezeichen 502/1 zertifiziertes Grabkammersystem an, das zusammen mit dem Zentralrat der Muslime in Deutschland speziell für muslimische Bestattungen entwickelt wurde (Halal Certificate Nr. 16-01-01-06 v. 09.01.2016). Mit diesem System ist es auch für den Imam möglich, problemlos ins Grab zu steigen und den Leichnam mit Blickrichtung Mekka auszurichten. Die Unversehrtheit des Körpers bleibt gewahrt, da dieses System nicht mehr mit Erde befüllt wird und dadurch dem Leichnam kein Schaden zugefügt werden kann. Der in ein Tuch gewickelte Leichnam wird auf den Boden gelegt, auf natürliche Materialien. Schon vor dem 01.04.2021 wurden in Bayern bereits diese Systeme eingesetzt.

Vorteil Systemgrab

Mit den unterschiedlichen Grabkammersystemen lassen sich auch die geologischen und hydrologischen Probleme lösen, bzw. kommen erst gar nicht auf. Boden und Grundwasser werden geschützt. Inzwischen sind Systemgräber aus den unterschiedlichsten Gründen für diverse Religionen oder Glaubensgemeinschaften im Einsatz. Ob für jüdische oder muslimische Bestattungen, ob für Sinti/ Roma- Angehörige oder orthodoxe Christen. Systemgräber helfen mit, auch bei Erdgräbern eine pietätvolle letzte Ruhe zu finden.

Systemgrab für muslimische Bestattung, göffnet, doppeltief mit optio- nalem Zwischenboden. Bild: Hubert Schmitt
Systemgrab für muslimische Bestattung, göffnet, doppeltief mit optionalem Zwischenboden. Bild: Hubert Schmitt

KOMMUNALE 2021

Die Gütegemeinschaft Friedhofsysteme e.V., Berlin hat auch einen Stand auf der Kommunale in Nürnberg: Stand 9-143.

Ingrid Hannemann, KUBUS Kommunalberatung und Service GmbH, München und Hubert Schmitt, Gütegemeinschaft Friedhofsysteme e.V., Berlin

 

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