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(GZ-8-2022)
Gastbeiträge

► Zukunft der So­lar­ener­gie?

 

So­lar­strom um Mit­ter­nacht

 

Von Chris­tof Dah­l­mann, Re­dak­ti­on Profil

Die En­er­gie­Ge­nos­sen­schaft Inn-Salz­ach hat als erstes Un­ter­neh­men einen von der Bun­des­netz­agen­tur ge­för­der­ten So­lar­park mit Bat­te­rie­spei­cher rea­li­siert. Sind solche Anlagen die Zukunft der So­lar­ener­gie?

Re­ckerts­hau­sen ist ein Orts­teil der Stadt Hofheim im un­ter­frän­ki­schen Land­kreis Haß­ber­ge, rund 30 Ki­lo­me­ter nord­öst­lich von Schwein­furt gelegen. Bereits seit 2010 gab es mehrere Anläufe, nörd­lich des Orts einen So­lar­park zu er­rich­ten. Doch die bis­he­ri­gen In­ves­to­ren zö­ger­ten, unter anderem wegen der hü­ge­li­gen To­po­gra­fie des Ge­län­des. Damit alle So­lar­pa­nee­le ge­nü­gend Sonne ab­be­kom­men, müssen die Reihen dort lichter an­ge­ord­net werden. Das schmä­lert den Ertrag. Au­ßer­dem liegt der Ein­spei­se­punkt in das all­ge­mei­ne Strom­netz rund fünf Ki­lo­me­ter vom Stand­ort ent­fernt. Je größer die Distanz zum Ein­spei­se­punkt ist, desto höher sind die Kosten, um den So­lar­park an das Netz an­zu­bin­den.

Pascal Lang, Vorstandsvorsitzender EGIS eG. Bild: EGIS eG
Pascal Lang, Vor­stands­vor­sit­zen­der EGIS eG. Bild: EGIS eG

Die En­er­gie­Ge­nos­sen­schaft Inn-Salz­ach (EGIS eG) traute sich das Projekt trotz­dem zu. Denn moderne Pho­to­vol­ta­ik-An­la­gen sind dank des tech­ni­schen Fort­schritts deut­lich ef­fi­zi­en­ter ge­wor­den, sodass sich auch Pro­jek­te an Stand­or­ten lohnen, die früher nicht wirt­schaft­lich zu be­trei­ben waren. Ende Januar 2022 hat sie den Bür­ger­so­lar­park Re­ckerts­hau­sen schließ­lich in Betrieb ge­nom­men. Die Anlage besteht aus den beiden Frei­flä­chen­an­la­gen „Hüh­nerel­lern“ und „Haß­ber­ge“. Als Glücks­fall erwies sich für die EGIS eG jedoch ein neues För­der­mo­dell, um Anreize für die Ver­bin­dung von Solar- oder Wind­kraft­an­la­gen mit En­er­gie­spei­chern zu schaf­fen. „Die In­no­va­ti­ons­aus­schrei­bung der Bun­des­netz­agen­tur, mit der 2021 erst­mals solche Kom­bi­an­la­gen ge­för­dert wurden, war für uns der Ga­me-Chan­ger“, betont Pascal Lang, Vor­stands­vor­sit­zen­der der EGIS eG.

Exkurs: Öko­strom für 2.600 Haus­hal­te

Der So­lar­park Re­ckerts­hau­sen weist eine Ma­xi­mal­leis­tung von ins­ge­samt zehn Me­ga­watt auf. Die Frei­flä­chen­an­la­ge Hüh­nerel­lern steuert rund 6,8 Me­ga­watt bei, die Frei­flä­chen­an­la­ge Haß­ber­ge rund 3,5 Me­ga­watt. Ins­ge­samt wurden 23.000 Hoch­leis­tungs­mo­du­le auf einer Fläche von rund 13 Hektar verbaut. Damit können rech­ne­risch 2.600 Haus­hal­te mit Öko­strom ver­sorgt werden. Die In­ves­ti­ti­ons­sum­me liegt bei 14 Mil­lio­nen Euro.

Die EGIS eG erhielt von der Bun­des­netz­agen­tur den Zu­schlag, die beiden Pro­jek­te in Re­ckerts­hau­sen als Pho­to­vol­ta­ik-Spei­cher-Kom­bik­raft­wer­ke aus­zu­füh­ren. Die Um­set­zung ging schnell, da der Flä­chen­nut­zungs­plan bereits stand und auch die Bau­ge­neh­mi­gung vorlag. „Das hat den Prozess ge­schätzt um rund ein Jahr ver­kürzt. Wir mussten den Be­bau­ungs­plan nur ge­ring­fü­gig ändern und bei­spiels­wei­se den Spei­cher er­gän­zen“, erklärt Lang. Auch die Bau­ar­bei­ten ver­lie­fen wei­test­ge­hend rei­bungs­los. Lang geht deshalb davon aus, dass der So­lar­park Re­ckerts­hau­sen das erste Projekt aus der In­no­va­ti­ons­aus­schrei­bung 2021 ist, das um­ge­setzt wurde. „Wir sind damit so­zu­sa­gen Deutsch­lands in­no­va­tivs­ter So­lar­park“, be­kräf­tigt der Vor­stands­chef der Ge­nos­sen­schaft.

En­er­gie­spei­cher ent­las­ten das Strom­netz

In­no­va­tiv sind vor allem die Bat­te­rie­spei­cher des So­lar­parks mit einer Leis­tung von ins­ge­samt 7,2 Me­ga­watt­stun­den. Diese hat das Un­ter­neh­men Max­So­lar aus Traun­stein ent­wi­ckelt, mit der die EGIS eG re­gel­mä­ßig zu­sam­men­ar­bei­tet. Max­So­lar hat den So­lar­park zudem gebaut und an­schlie­ßend an die Ge­nos­sen­schaft über­ge­ben, die den Park nun be­treibt.

Die Bat­te­rie­spei­cher werden tags­über mit Son­nen­strom aus dem So­lar­park Re­ckerts­hau­sen geladen. Auf diese Weise kann die Anlage auch nachts oder bei Ver­sor­gungs­eng­päs­sen ins Netz ein­ge­speist werden – So­lar­strom um Mit­ter­nacht so­zu­sa­gen. Au­ßer­dem wird so das all­ge­mei­ne Netz ent­las­tet, weil der Son­nen­strom nicht mehr dann ein­ge­speist wird, wenn überall die PV-An­la­gen unter Voll­last laufen. Ein sehr wich­ti­ger Aspekt für die Sta­bi­li­tät der all­ge­mei­nen Strom­ver­sor­gung. Weil immer mehr Son­nen­strom pro­du­ziert wird, ent­steht mitt­ler­wei­le re­gel­mä­ßig ein Über­an­ge­bot, vor allem zur Mit­tags­zeit. Wenn die Netz­be­trei­ber fest­stel­len, dass das Netz den Son­nen­strom nicht mehr auf­neh­men kann, sind sie be­rech­tigt, die Anlagen ab­zu­schal­ten. Pascal Lang kennt solche Fälle nur zu gut: „Das pas­siert auch unseren So­lar­parks immer wieder. Ent­schä­di­gun­gen federn den fi­nan­zi­el­len Verlust zwar ab, doch na­tür­lich ist es är­ger­lich, wenn der Strom aus er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en ver­schwen­det wird.“

Spei­cher: Schlüs­sel­tech­no­lo­gie für CO2-neu­tra­le En­er­gie­ver­sor­gung

En­er­gie­spei­cher spielen eine ent­schei­den­de Rolle für das Ge­lin­gen der En­er­gie­wen­de. „Sie sind für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit bei einer weit­ge­hend CO2-neu­tra­len En­er­gie­ver­sor­gung die Schüs­sel­tech­no­lo­gie schlecht­hin“, betont Jürgen Karl, Pro­fes­sor für En­er­gie­ver­fah­rens­tech­nik an der Uni­ver­si­tät Er­lan­gen-Nürn­berg im In­ter­view mit „Profil“. Während En­er­gie­spei­cher für Pri­vat­ver­brau­cher schon länger eine in­ter­es­san­te Er­gän­zung zur Pho­to­vol­ta­ik-An­la­ge auf dem Dach sind, waren sie für Be­trei­ber von Er­neu­er­ba­re-En­er­gi­en-An­la­gen oder Netz­be­trei­ber zu kost­spie­lig. Da sich die Technik in­zwi­schen wei­ter­ent­wi­ckelt hat und auch die Preise ge­sun­ken sind, rückt ein wirt­schaft­lich ren­ta­bler Betrieb in greif­ba­re Nähe. Auch die Bun­des­netz­agen­tur fördert zu­neh­mend En­er­gie­spei­cher, erst­mals 2021 durch eine In­no­va­ti­ons­aus­schrei­bung.

Lang hält En­er­gie­spei­cher noch aus einem anderen Grund für sinn­voll: Sie könnten die Wert­schöp­fungs­quo­te von E-Au­to-Bat­te­ri­en deut­lich erhöhen. Denn diese Bat­te­ri­en halten nor­ma­ler­wei­se bis zu zehn Jahre, an­schlie­ßend müssen sie mühsam re­cy­celt werden. Für En­er­gie­spei­cher reiche die ver­blei­ben­de Leis­tung jedoch aus, sagt Lang: „Während Bat­te­ri­en bei E-Autos mög­lichst schnell laden sollten, ist die Ge­schwin­dig­keit für die Strom­spei­che­rung nicht so ent­schei­dend. Deshalb kann ich mir gut vor­stel­len, dass aus­ge­mus­ter­te E-Au­to-Bat­te­ri­en flä­chen­de­ckend in En­er­gie­spei­chern zum Einsatz kommen.“

Ge­nos­sen­schaft sorgt für Bür­ger­be­tei­li­gung vor Ort

Die Men­schen vor Ort konnten sich auf zwei Wegen am So­lar­park be­tei­li­gen. Ei­ner­seits hatten sie die Mög­lich­keit, Ge­nos­sen­schafts­an­tei­le zu er­wer­ben. An­de­rer­seits konnten sie Nach­rang­dar­le­hen zeich­nen. „Auf diese Weise treiben wir die En­er­gie­wen­de in Bür­ger­hand voran und binden die Mit­glie­der lang­fris­tig in nach­hal­ti­ge Pro­jek­te ein“, erklärt Lang.

Auch wenn die EGIS eG das Projekt in kurzer Zeit rea­li­siert hat, gab es durch­aus Her­aus­for­de­run­gen. En­er­gie­spei­cher sind Neuland für die Ge­nos­sen­schaft. „In Themen wie Wartung, Brand­schutz oder Kli­ma­ti­sie­rung der Anlage mussten wir uns erst einmal ein­ar­bei­ten. Da haben wir in den ver­gan­ge­nen Monaten viel da­zu­ge­lernt“, betont Lang. Be­spre­chungs­be­darf gab es des­we­gen auch mit der VR-Bank Rot­tal-Inn, die der EGIS eG er­gän­zend zur Bür­ger­be­tei­li­gung ein Dar­le­hen für den So­lar­park Re­ckerts­hau­sen gewährt hat. Unter anderem waren wegen des Bat­te­rie­spei­chers einige zu­sätz­li­che Details zur Fi­nan­zie­rung und zur Ver­si­che­rung des So­lar­parks ab­zu­klä­ren. „Glück­li­cher­wei­se haben wir eine gute Kun­den­be­zie­hung zur VR-Bank Rot­tal-Inn, die Ver­trau­ens­ba­sis war also gegeben, um so ein Projekt ge­mein­sam zu stemmen“, macht Lang deut­lich.

BKW als Strom­ab­neh­mer

Ab­neh­mer des EGIS-Stroms aus dem So­lar­park Re­ckerts­hau­sen ist das Schwei­zer Un­ter­neh­men BKW aus Bern, das auch in Deutsch­land aktiv ist und sich unter anderem auf die Ver­mark­tung von re­ge­ne­ra­tiv er­zeug­tem Strom spe­zia­li­siert hat. Dazu hat die EGIS eG einen lang­fris­ti­gen Strom­lie­fer­ver­trag (Power Purcha­se Agree­ment; PPA) mit BKW ab­ge­schlos­sen.

Die Di­rekt­ver­mark­tung von Strom über PPA-Ver­trä­ge sei zwar mitt­ler­wei­le Stan­dard, doch in Kom­bi­na­ti­on mit Spei­chern gebe es nur wenige Un­ter­neh­men, die ent­spre­chen­de Leis­tun­gen an­bie­ten, stellt Lang fest. „Letzt­lich hatten wir mehr Arbeit als gedacht. Wir sind aber sehr froh, dass wir den So­lar­park Re­ckerts­hau­sen rea­li­sie­ren konnten. Das zeigt, dass sich auch schwie­ri­ge Pro­jek­te um­set­zen lassen, wenn es neue und in­no­va­ti­ve Ver­mark­tungs­mög­lich­kei­ten gibt.“

Die Web­sei­te der En­er­gie­Ge­nos­sen­schaft Inn-Salz­ach eG: https://​www.​egis-energie.​de

Chris­tof Dah­l­mann, Re­dak­ti­on Profil

 

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