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(GZ-10-2022)
Gastbeiträge

► Steffen Hörtler: „Ein Zeichen setzen zur Versöhnung“

 

Sudetendeutsche tagten in Aussig (Ústí nad Labem)

 

Ein Bericht von Kurt Aue, Gretl Michel, Horst Peter Wagner und Dr. Wolfgang Theissig

München/Aussig (Ústí nad Labem). Anfang März wählte die Landesdelegiertenversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Bayerns im Sudetendeutschen Haus in München einen neuen Landesvorstand. Mit überwältigender Mehrheit wurde Steffen Hörtler aus Bad Kissingen im Amt bestätigt. Um ein Zeichen zur Versöhnung zu setzen, lud Steffen Hörtler für den 26. und 27. März zur konstituierenden Sitzung in die ehemalige deutsche Stadt Aussig (Ústí nad Labem) ein.

Auf der Beneš Bücke in Aussig legte Steffen Hörtler mit seinen anwesenden Vorstandsmitgliedern einen Kranz nieder. Dabei erläuterte Hörtler, dass am 31. Juli 1945 gegen 15:30 Uhr eine mächtige Detonation im Munitionsdepots im Stadtteil Schönpriesen (Krásné Březno) erfolgte. Man machte für die Explosion die Deutschen (Werwölfe) verantwortlich. Unter Führung des tschechischen Geheimdienstoffiziers Bedřich Pokorný – der auch den Brünner Todesmarsch organisiert hatte – begann gegen die Deutschen eine entsetzliche Hetzjagd, und zwar gegen alle Deutsche, derer sie habhaft wurden. Erwachsene, Verletzte, sogar Kinder im Kinderwagen wurden in die Elbe geworfen. Auch jenseits der Grenze in Deutschland sollen Leichen angeschwemmt worden sein.

Selbst in Dresden sollen Leichen mit der Elbe angeschwemmt worden sein. Erkennbar waren die Deutschen an ihren weißen Armbinden, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs alle Deutschen in der Tschechoslowakei tragen mussten. Hinweise auf eine geplantes Verbrechen, hat der Historiker Otfrid Pustejovsky im Prager Innenministerium gefunden.

Nach Erkenntnissen der Forschung und aus geheimen tschechischen Unterlagen kann aber heute davon ausgegangen werden, dass der Anschlag auf das Depot und auch die angebliche Reaktion eines Teils der tschechischen Bevölkerung eine gezielte Aktion der Abteilung Z des tschechoslowakischen Innenministeriums, des OBZ, waren. Ziel der Aktion war, einen für das Ausland klar erkennbaren Grund zu schaffen, die restlose Vertreibung der Deutschen aus dem Sudetenland zu vollziehen. Laut Hörtler sind viele Unterlagen des Vorgangs immer noch für die Historiker unzugänglich.

Am 31. Juli 2005 enthüllte der Oberbürgermeister Petr Gandalovič auf Dr.-Edvard-Beneš-Brücke eine Gedenktafel für die Opfer des Massakers an den deutschen Zivilisten als Zeichen der Versöhnung. Der Text der Inschrift lautet „Zum Gedenken an die Opfer der Gewalt vom 31. Juli 1945“. Dass es sich hier ausschließlich um Deutsche gehandelt hat, wird nicht erwähnt, der Text ist zweisprachig (tschechisch und deutsch).

Verbliebene Deutsche

Auf der im Anschluss abgehaltenen konstituierenden Sitzung wurde die langjährige stellvertretende Vorsitzende und Kulturreferentin Margaretha „Gretl“ Michel mit der silbernen Verdienstmedaille der Landsmannschaft der Landesgruppe Bayern ausgezeichnet. Orden und Urkunde wurden ihr in ihrer alten Heimat im Elbetal überreicht. Dietmar Heller wurde als Internetbeauftragter in den Vorstand kooptiert. Für eine große Überraschung sorgte die Anwesenheit von Hansi Adamec und Erna Schwarz. Sie gehören zu den wenigen verblieben Deutschen, die sich noch immer regelmäßig im Café des neuen Museums treffen. Anschließend ließen sich die Vorstandsmitglieder von Direktor PhDr. Petr Koura, Ph.D. durch die Ausstellung „Unsere Deutschen -Naše Nĕmci“ im Collegium Bohemicum führen.

Gedenken vor Ort

Am Bahnhof hatte Kurt Aue die Gelegenheit die 32-jährige Studentin Ludmilla Ceskaya zu befragen, ob sie das Sudetendeutsche Problem und die Beneš Dekrete kenne. Die Studentin erwiederte: „Ja, und das finde ich traurig! Ich dachte die Menschheit hat gelernt, so was nicht wieder zu tun. In der Grundschule sagte man uns nichts davon, aber an der Uni haben wir davon gehört.“ Ceskaya hat eine russische Mutter und einen tschechischen Vater. Teilnehmer an der Fahrt waren: Horst Peter Wagner - Kulmbach, Günther Wohlrab -  Marktredwitz, Johann Slezak - München, Steffen Hörtler - Bad Kissingen, Dr. Sigrid Ullwer-Paul - Burglengenfeld, Margaretha Michel - Pegnitz, Dr. Dorith Müller - Nürnberg, Andreas Schmalcz - München, Bernhard Moder - Neumarkt, Josef Paul - Burglengenfeld, Helga und Kurt Aue - Augsburg, Roswitha und Dr. Wolfgang Theissig - Ampfing.

Kurt Aue, Gretl Michel, Horst Peter Wagner und Dr. Wolfgang Theissig

 

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