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(GZ-3-2023)
Gastbeiträge

► Vorsorge treffen:

 

Starkregen und Sturzfluten in der Planung

 

Von M.Sc. Markus Weinig und Dipl.-Ing. Univ. Andreas Rockinger

Extreme Starkregenereignisse und Sturzfluten können überall auftreten, auch fernab von Gewässern oder bisher bekannten Hochwassersituationen. Die gestiegenen Temperaturen lassen vor allem konvektive Starkregen häufiger werden, die sehr kleinräumig auftreten und nahezu ortsfest abregnen können. Nicht selten fällt in wenigen Stunden mehr Wasser auf den Quadratmeter als sonst im ganzen Kalendermonat. Das Wasser kann dann nicht mehr im Boden versickern und fließt als Oberflächenabfluss der Topografie folgend ab.

Ausschnitt Starkregengefahrenkarte Kempten (außergewöhnlicher Starkregen). Bild: Ingenieurbüro Reinhard Beck / Stadt Kempten
Ausschnitt Starkregengefahrenkarte Kempten (außergewöhnlicher Starkregen). Bild: Ingenieurbüro Reinhard Beck / Stadt Kempten

Versiegelte Flächen, wassergesättigte oder auch stark ausgetrocknete Böden verstärken diesen Effekt. Häufig ist das Kanalnetz in solchen Situationen überlastet und kann kein Wasser mehr abführen. Die Folge: Abseits von Flüssen und Gewässern können so Sturzfluten und Ströme entstehen, die Boden abtragen und zu erheblichen Schäden an Bauwerken und Infrastruktur führen. Lebensbedrohliche Situationen entstehen, wenn das Wasser Objekte mit sich reißt, hohe Fließgeschwindigkeiten erreicht oder tiefgelegene Bereiche wie Keller in sehr kurzer Zeit flutet. Stadträume und gebaute Umwelt sind darauf bisher nicht vorbereitet und benötigen dringend ein Klima-Update.

Vorsorge treffen

Ein Mittel der Vorsorge ist eine stadtweite dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, anhand derer sich Spitzen bei extremen Niederschlägen in der Fläche abmildern lassen. Gemäß dem Prinzip der Schwammstadt werden Niederschläge zunächst in Mulden, Senken, Baumgruben, Rigolen und Zisternen sowie durch Gründächer gespeichert und zurückgehalten und dadurch der Vegetation zur Verfügung gestellt. Die Verdunstung offen zurückgehaltenen Wassers leistet zudem einen Beitrag zur Kühlung der Städte. Im letzten Schritt gilt es Wasser intakten Böden zur Versickerung zuzuführen und möglichst nicht der Kanalisation und damit in die Vorflut einzuleiten, weil es hierdurch nur zu einer Verlagerung der Wassermassen kommt. Wichtig ist zudem durch gute Kommunikation mehr Bewusstsein für Vorsorgemaßnahmen und den Umgang mit Gefahrensituationen zu schaffen. Eigentümerinnen und Eigentümer sind dabei besonders gefordert, da die Verantwortung für den individuellen Gebäude- und Objektschutz bei außergewöhnlichen und extremen Starkregen-
ereignissen in privater Hand liegt, selbst wenn die Kanalisation überstaut sein sollte.

Starkregengefahrenkarten und Risikomanagement

Viele Städte und Gemeinden entscheiden sich für ein kommunales Starkregenrisikomanagement mit dem die potenzielle Überflutungsgefährdung dargestellt, Risiken abgeschätzt und Vorsorgemaßnahmen entwickelt werden. Zunächst werden gemeindegebietsweite Starkregengefahrenkarten erstellt: Auf Grundlage von Topografie, Flächennutzung, Bodenkarten und gezielten Vermessungen werden Regenereignisse und Abflussverhalten digital modelliert und mögliche Überflutungsbereiche, Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten dargestellt.

Mit den Starkregengefahrenkarten lassen sich alle relevanten Akteure in einen integralen Vorsorgeprozess einbinden. Gefahrensituationen können analysiert und Vorsorgemaßnahmen ressortübergreifend entwickelt und koordiniert werden. Das Risikomanagement wird derzeit durch das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert. Maßnahmen können kommunikativer oder informativer Art sein, die Organisation von Abläufen und Einsatzplänen betreffen oder bauliche Eingriffe darstellen, die sich mithilfe des Modells auf ihre Wirksamkeit hin testen lassen. Eingriffe in den Stadtraum müssen dabei einer ganzheitlichen, nachhaltigen Stadtentwicklung gerecht werden! Neben der reinen Starkregenvorsorge bieten sich enorme gestalterische Chancen Synergien zwischen grüner, blauer und grauer Infrastruktur zu schaffen und räumliche Situationen auch hinsichtlich Flächeneffizienz, Stadt- und Landschaftsbild, nachhaltigem Umgang mit Böden und Artenvielfalt sowie der Nutzbarkeit zu verbessern.

Gemeinsam handeln

Vorsorge gegen Klimarisiken und Starkregen im Planungs- und Baualltag zu verankern ist eine interdisziplinäre Herausforderung, die uns alle betrifft. Für Städte und Gemeinden stellt dies eine neue Aufgabe dar, für die es keinen standardisierten Lösungsweg gibt. Es gilt mit den Akteuren vor Ort ins Handeln zu kommen und ein situationsgerechtes Vorgehen zu entwickeln. Die BEN – Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit der Bayerischen Architektenkammer steht mit ihrem kostenfreien Beratungsangebot bereit (www.byak-ben.de).

M.Sc. Markus Weinig und Dipl.-Ing. Univ. Andreas Rockinger

 

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