(GZ-6-2023) |
► THW stehts im Hinterkopf behalten: |
Das Technische Hilfswerk als kostenneutrale Einsatzoption für Kommunen als örtliche Gefahrenabwehrbehörde |
Von Julian Pfeuffer, LL.M.1 Oberverwaltungsrat, München Hinsichtlich der Folgen des russischen Angriffskrieges betont die Bundesregierung die Verantwortung von Ländern und Kommunen. Die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen sei eine "große gesamtstaatliche Aufgabe“ nicht nur für den Bund, sondern "ganz wesentlich" auch von Ländern und Kommunen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
Auch Bundesinnenministerin Faeser hat die Innenministerinnen und -minister der Bundesländer, die kommunalen Spitzenverbände und auch Bundesbauministerin Klara Geywitz zu einem Flüchtlingsgipfel am 16.02.2023 eingeladen. Es gehe darum, direkt mit den Kommunen in den Dialog zu treten, was zur Entlastung getan werden kann. Dies ist deshalb konsequent, da letztlich die Kommunen vor Ort mit täglichen Komplikationen und Unsicherheiten im Umgang mit der Aufnahme von Flüchtlingen konfrontiert sind. Festzuhalten bleibt: Ohne den kommunalen Pragmatismus wären die Herausforderungen des letzten Jahres bei der Aufnahme von Menschen nicht so gut gemeistert worden. Ohne den überragenden Einsatz von Kommunalverwaltungen und Ehrenamtlichen hätten Geflüchtete aus der Ukraine und Asylbewerber nicht so schnell Schutz und Hilfe bekommen, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr: „Die Städte waren und sind stets konstruktive und verlässliche Partner, um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu schultern. Kommunen stehen zu ihrer Verantwortung, sie gehen organisatorisch und finanziell in Vorleistung. Städte und Gemeinden müssen zur Erfüllung dieser Aufgaben aber von den anderen staatlichen Ebenen ausreichende Unterstützung bekommen.“2 Diese eh schon komplexen Aufgaben wurden durch das Erdbeben in der Nacht zum 6. Februar 2023 in den Gebieten im Südosten der Türkei und im Norden Syriens nochmals verstärkt. Verwandte und Bekannte von Betroffenen wenden sich primär an die Kommunen mit Fragen aber auch mit der Bitte um Organisation und Unterstützung von Hilfslieferungen.3 Aufgrund dieser globalen Ereignisse, soll nachfolgend den bayerischen Kommunen eine Möglichkeit dargelegt werden, wie auf Unterstützung des Bundes durch das Technische Hilfswerk sowohl kostenneutral als auch pragmatisch, zielführend und ohne umständlichen Verwaltungsaufwand zugegriffen werden kann. Das THW Das Technische Hilfswerk (THW) ist weltweit einmalig: Organisatorisch gehört das THW als Bundesanstalt zum Geschäftsbereich der Bundesministerin des Innern und für Heimat. Jedoch sind nur zwei Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hauptamtlich für die Behörde tätig. 98 Prozent der THW-Angehörigen arbeiten ehrenamtlich im THW. In 668 Ortsverbänden, davon 111 Ortsverbände in Bayern, engagieren sich bundesweit mehr als 80.000 Helferinnen und Helfer in ihrer Freizeit, um Menschen in Not kompetent und engagiert Hilfe zu leisten. Grundlage des THW ist das Gesetz über das Technische Hilfswerk (THW-Gesetz - THWG). Dort werden in § 1 auch die Aufgaben des THW festgelegt: Wie der Name bereits verspricht, wird primär technische Hilfeleistung angeboten. Aufgabe des THW ist daher die technische Unterstützung 1. auf Ersuchen von für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sowie 2. auf Anforderung oberster Bundesbehörden, wenn das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zustimmt. Die technische Unterstützung umfasst dabei insbesondere: 1. technische Hilfe im Zivilschutz, 2. Einsätze und Maßnahmen im Ausland im Auftrag der Bundesregierung, 3. Bekämpfung von Katastrophen, öffentlichen Notständen und Unglücksfällen größeren Ausmaßes auf Anforderung der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen sowie 4. Unterstützungsleistungen und Maßnahmen im Sinne der Nummern 1 bis 3, die das Technische Hilfswerk durch Vereinbarung übernommen hat. Zum Verständnis dieser abstrakten Umschreibung erläutert das THW auf seiner Webseite ausführlich, was unter diesen Unterstützungsleistungen gemeint ist.4 Dies umfasst nicht nur klassische technische Unterstützung wie das Retten und Bergen sowie die Beleuchtung von Einsatzstellen, sondern auch Verbrauchsgütertransporte für Einsatzbedarf und die Errichtung und Einrichtung von Notunterkünften und Sammelplätzen mit entsprechender Infrastruktur. Zur weiterführenden Übersicht über die Einsatzmöglichkeiten des THW wurde eine Broschüre „Katalog der Einsatzoptionen“ herausgegeben, welche ebenfalls als pdf heruntergeladen werden kann.5 1. Ist ein Einsatz des THW überhaupt zielführend? Der Fachberater als erster Ansprechpartner vor Ort. Für Kommunen als Gefahrenabwehrbehörde stellt sich jedoch zumeist die Frage, ob das THW in der konkreten Einsatzsituation sinnvoll unterstützen kann. Die Verwaltung, die Feuerwehr und auch die Bürgermeister/innen kennen die individuellen Fähigkeiten und die vorhandene Expertise sowie Einsatzausrüstung des nächstgelegenen THW-Ortsverbandes im Regelfall nicht. Hier kommt der sogenannte Fachberater des THW ins Spiel: Jeder der 668 Ortsverbände hat mindestens einen Fachberater, welcher bei Bedarf von der jeweiligen Leitstelle angefordert werden kann. THW-Fachberater bilden die Schnittstelle zwischen THW und Anforderern sowie Bedarfsträgern. Zum Aufgabenbereich der Fachberater zählt die enge Zusammenarbeit mit Polizei, Feuerwehr, Hilfsorganisationen, kommunalen Verwaltungen, privaten Bedarfsträgern aus Handel, Handwerk und Industrie sowie mit internationalen Katastrophenschutzorganisationen. Aufgabe ist es, die jeweilige Situationen zu bewerten und die möglichen Einsatzoptionen des THW anzubieten. In der Praxis wird der Fachberater meist bei größeren Schadensereignissen hinzugezogen wie beispielsweise bei Großbränden, Rohrbrüchen, Verkehrsunfällen mit mehreren Beteiligten sowie bei Unwetterschäden. Der Fachberater kommt dabei direkt zur Einsatzstelle und erläutert die möglichen Unterstützungsleistungen. Zwei wesentliche Vorteile sind hierbei, dass die Einsatzleitung vor Ort weiterhin die vollumfängliche Zuständigkeit und Kontrolle behält. Mit Alarmierung des Fachberaters und gegebenenfalls Herbeiholen des THW wird keinerlei Kompetenz abgegeben. Zudem kann mit dem Fachberater zunächst eine Analyse vorgenommen werden. Dies vermeidet eine unnötige Voll-Alarmierung des THW, ohne zuvor die konkreten Aufgaben und Möglichkeiten abgeklärt zu haben. Sollte sich nach Rücksprache mit dem Fachberater herausstellen, dass ein Eingreifen des THW nicht notwendig bzw. nicht zielführend ist, so führt allein die Alarmierung des Fachberaters zu keinen Kosten der Gefahrenabwehrbehörde. Kosten des Fachberatereinsatzes (z.B.: Verdienstausfall, da Fachberater ebenfalls ehrenamtlich im Einsatz sind) werden, zumindest in Bayern, vom Landesverband THW intern getragen. 2. Einfache und schnelle Einsatzmöglichkeit dank Kostenverzicht Naturgemäß kann bei Einsätzen das Kostenrisiko (Verdienstausfall der Helfer, Verbrauchsmaterial etc.) nur schwer prognostiziert werden. Daher verzichteten Kommunen mitunter angesichts möglicher Kostenforderungen auf eine Alarmierung des THW. Um diesem Umstand gegenzusteuern wurde das THW Gesetz zum 01.05.2020 geändert und § 6 Abs. 1 THW-Gesetz eingeführt: (1) Das Technische Hilfswerk kann für seine im Rahmen der Amtshilfe erbrachten technischen Unterstützungsleistungen bei den ersuchenden Behörden, einschließlich der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen, Auslagen erheben. Auf die Erhebung von Auslagen soll verzichtet werden, soweit dies im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und eine Auslagenerstattung an das Technische Hilfswerk zu Lasten der ersuchenden Gefahrenabwehrbehörde ginge. Die Auslagenerstattung ginge insbesondere dann zu Lasten der ersuchenden Gefahrenabwehrbehörde, wenn 1. ihr kein Erstattungsanspruch gegenüber einer oder einem Dritten zusteht oder 2. sie aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses auf die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegenüber einer oder einem Dritten verzichtet. Das neue Gesetz stellt klar, dass das THW bei geleisteter Amtshilfe auf die Erstattung von Kosten verzichtet, wenn dies im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und die Kosten nicht anderweitig geltend gemacht werden können („Soll-Regelung“). Konkret heißt das, dass das THW keine Kostenbescheide stellt, wenn Gefahrenabwehrbehörden wie Städte und Gemeinden um Amtshilfe ersuchen und die Kosten des Einsatzes selbst tragen müssten. Kann beispielsweise gem. Art. 28 Bayerisches Feuerwehrgesetz kein Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangt werden, so wird eine Kommune auch keine Kosten des THW tragen. Damit wird es für die Anforderer noch einfacher, das THW in den Einsatz zu bringen. In der Praxis wird bereits der Fachberater auf den Kostenverzicht hinweisen. Im Nachgang des Einsatzes wird sodann den Kommunen ein Formular durch die Verwaltung des THW Ortsverbandes übermittelt, in welchem lediglich formal der Kostenverzicht unter Verweis auf das THW-Gesetz beantragt werden muss. Der jeweilige Ortsverband kann sodann aufgrund des Antrages auf Kostenverzicht die entstandenen Kosten (z.B.: Verbrauchsmaterial) intern aus Haushaltsmitteln des Bundes erstattet bekommen. 3. Besonderheit Rahmeneinsatzauftrag: Hilfsgüterlogistik - Unterstützung Erdbeben Türkei/Syrien 2023 (LVBY-EA-002) Angesichts des verheerenden Ausmaßes an Schäden und Verletzten durch die Erdbeben geht das THW von weiterem Bedarf an Einsatzkräften und Hilfsgütern sowie einer damit einhergehenden Einsatztätigkeit aus. Insbesondere wird eine Zunahme von Aufträgen im Bereich Transportunterstützung, hauptsächlich der Transport von angebotenen Hilfsgütern, innerhalb Deutschlands erwartet. Hinsichtlich der Unterstützung von Behörden hat der THW Landesverband Bayern deshalb am 09.02.2023 einen Rahmeneinsatzauftrag (Aktenzeichen LVBY-EA-002) an alle THW Ortsverbände und Regionalstellen in Bayern erteilt und den Einsatzkräften wurde aufgegeben, sich auf Unterstützungsleistungen, insbesondere die genannten Transportleistungen, vorzubereiten. Zur Vereinfachung wurden im Rahmeneinsatzauftrag alle hierzu notwendigen Fahrten innerhalb Bayerns genehmigt. Im THW internen Newsletter des Landesverbands Bayern vom 13.02.2023 werden die Ortsverbände explizit aufgefordert, proaktiv auf Städte und Kommunen zuzugehen und konkrete Hilfe in diesem Bereich anzubieten. Wenn sich daher Kommunen und Städte dazu entschließen, Hilfsgüter zu versenden, so kann hier auf die Einsatzstrukturen des THW zurückgegriffen werden. Insbesondere können Kommunen auch als Ansprechpartner für private Organisationen dienen und Sammlungen von Hilfsgütern bündeln, welche sodann über das THW transportiert werden. Eine direkte Anforderung des THWs durch private Hilfsorganisationen ist derzeit nicht vorgesehen. Fazit Bürgermeister/innen, Feuerwehrkommandanten aber auch die Verwaltung von Städten und Kommunen können das THW bei der Erfüllung der täglichen Anforderungen stehts im Hinterkopf behalten. Aufgrund der Neuregelung zur Kostentragung aus § 6 Abs. 1 THW-Gesetz wird auch der kommunale Haushalt geschont. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Feuerwehren und den Einsatzkräften des THW ermöglicht zudem Synergieeffekte, da auf unterschiedliche Ausrüstungen zurückgegriffen werden kann. Diese muss von den Feuerwehren (finanziert aus dem kommunalen Haushalt) nicht vorgehalten werden, sondern kann lediglich im Einsatzfall durch das THW bereitgestellt werden (z.B.: Wechselladerfahrzeuge, Tieflader, Bergeräumgeräte etc.). |
Julian Pfeuffer, LL.M., Oberverwaltungsrat, München
1) Julian Pfeuffer, LL.M. ist Jurist in der Vergabestelle 1 der Landeshauptstadt München und ehrenamtlicher Helfer des THW Ortsverbandes München-Land. Der Aufsatz gibt ausschließlich seine persönliche Meinung wieder. 2) Pressemitteilung des Bayerischen Städtetags vom 15. Februar 2023. 3) So liefert z.B.: die Stadt Hamburg Hilfsgüter an Syrien und die Türkei; die Stadt München hat auf Antrag aller Fraktionen des Stadtrats ein Spendenkonto „Erdbebenhilfe“ eingerichtet. 4) https://www.thw.de/DE/THW/Bundesanstalt/Aufgaben/Einsatzoptionen/einsatzoptionen_node.html
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