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(GZ-9-2024 - 3. Mai)
Gastbeiträge

► Die Crux mit den Zahlen:

 

Sparkassen und Kreditgenossen zu Unrecht unter Generalverdacht

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Regelmäßig im Frühjahr veröffentlicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wie oft und zu welchen Themen sich Bankkunden im abgelaufenen Jahr über ihre Institute beschwert haben. Die Zahlen für 2023 lassen aufhorchen. Danach hat die Verärgerung über Banken immens zugenommen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Kunden, die über ihr Kreditinstitut bei der BaFin schimpfen, um 86,6 Prozent gestiegen. Ein erstaunlicher Zuwachs. Entsprechend betitelten die Aufseher dann auch die Verlautbarung auf ihrer Website mit „Zahl der Verbraucherbeschwerden bei der BaFin steigt deutlich“. Damit war die Tonalität gesetzt, der viele Medien mit ihrer Berichterstattung zum vermeintlichen Unmut der Kunden mit ihren Banken folgten.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Was folgerichtig klingt, muss nicht immer folgerichtig sein. Ja, die Beschwerden der Bankkunden sind 2023 tatsächlich erheblich gestiegen. Von 14.760 auf 27.536. Aber eben nicht flächendeckend und nicht bei allen Banken. Und das macht die Brisanz der BaFin-Information aus. Der tiefere Blick in die Zahlen zeigt nämlich: Bei Sparkassen haben die Beschwerden sogar geringfügig auf 2.216 abgenommen. Bei den Genossenschaftsbanken ist der Unmut im Jahresvergleich von 1.807 auf 1.920 Beanstandungen nur leicht gestiegen. In Wallung gekommen sind die Kunden dagegen in der Säule der Privaten Banken. Hier haben die Beschwerden tatsächlich signifikant zugenommen, von 7.935 im Jahr 2022 auf 20.238 im letzten Jahr. Die Entwicklung ist wohl ganz wesentlich den Problemen aus der IT-Umstellung bei der Postbank und in kleinerem Umfang mitunter verspätet zugestellter Jahressteuerbescheinigungen der Commerzbank geschuldet. Die diskreten Formulierungen in der Pressemitteilung der BaFin weisen in dieselbe Richtung. Nichts Neues also – zu beiden Themen gab es in den letzten 12 Monaten hinreichend Medienberichterstattung.

Fünf Lehren

Warum die Aufseher, die seit geraumer Zeit eher dazu neigen, Kreditinstitute bei Verfehlungen sehr direkt zu benennen, das bei der Präsentation der Beschwerdestatistik nicht getan und lieber einen Schatten auf die ganze Branche geworfen haben, wird ihr Geheimnis bleiben. Zugleich lassen sich aus dem Vorgang jedoch fünf Lehren ziehen:

Da ist erstens die Crux mit den Zahlen. Jetzt sollen die Beschwerden über Banken hier nicht klein geschrieben werden und hinter jeder steht ein persönliches menschliches Empfinden – mal größer, mal kleiner. Und doch: Bei 114 Millionen Girokonten in Deutschland sind 27.356 Kunden, die sich über eine Unzulänglichkeit in ihren Bankgeschäften beschweren, keine Zahl, die einem den Atem stocken lässt.

Zweitens ist es nicht so einfach bei Seite zu wischen, wenn der eine oder andere Banker – bei vorgehaltener Hand – hinterfragt, welche grundlegenden Erkenntnisse die Aufseher aus der Beschwerdestatistik ziehen. Nicht jeder teilt, angesichts der genannten Zahlenverhältnisse die Ansicht von Christian Bock, dem Leiter der BaFin-Verbraucherschutzabteilung, nach der Beschwerden für die Aufsichtsarbeit „ein wichtiger Indikator“ seien.

Zum Dritten steht es einer Behörde nicht gut zu Gesicht, wenn sie über Mitteilungen einen Ton so anschlägt, dass er zwar von den Medien sicher gehört wird, aber ansonsten wenig nuanciert klingt. Von einer staatlichen Einrichtung, die bei den beaufsichtigten Kreditinstituten sehr formell agiert, sollte man im Presseauftritt mehr Etikette erwarten dürfen.

Viertens ist es (nochmals) einer politischen Debatte wert, wieviel an Verbraucherschutzbehörde künftig in der BaFin stecken soll. Das kritisch mit politischen Entscheidern, Aufsehern, Kreditwirtschaft und Verbraucherschützern zu diskutieren, scheint notwendig. Durchaus auch zum Schutz der Bankenaufsicht, der eine überbetonte Rolle als „Kundenanwalt“ womöglich mehr schadet als nutzt.

Fünftens schließlich ist das Ganze ein Beispiel für den Grenzbereich medienvermittelter Kommunikation. Wenn selbst in Teilen der sogenannten Qualitätspresse die Botschaft der BaFin wenig einordnend und hinterfragend aufgenommen wird, dann ist das nicht nur handwerklich bedauerlich, sondern auch aus anderem Grunde bedenklich. Warum? Weil sie damit ein Stück der wichtigen Orientierungsfunktion für ihre Nutzer aufgibt – und damit ein relevantes Unterscheidungsmerkmal im Wettstreit mit jenen, die gerne den informatorischen (digitalen) Flach-, Kurz- und Fehlpass spielen.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros


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