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(GZ-13-2024 - 4. Juli)
Gastbeiträge

► Finanzinstitute als Naturschützer:

 

Biodiversität bietet Heimatbanken Chancen und testet ihre Glaubwürdigkeit

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Der Schutz der menschlichen Lebensgrundlagen ist kein neues Thema. In den Programmen der politischen Parteien Deutschlands ist es – zugebenermaßen in unterschiedlichen Nuancierungen – seit Jahrzehnten gesetzt. Für die Koalitionsverträge der regierungstragenden Parteien gilt seit etlichen Regierungsperioden auf Bundes- und Landesebene Gleiches. Jahr für Jahr beschäftigen sich internationale Institutionen und Konferenzen mal mehr, mal weniger aufmerksamkeitswirksam mit Umwelt- und Naturschutz. Und die Dringlichkeit des Themas wächst. Auch in Deutschland. Aufgrund menschlichen Einwirkens gelten hierzulande 70 Prozent der natürlichen Lebensräume als gefährdet, 40 Prozent der einheimischen Tierarten sowie 70 Prozent der Amphibien- und Reptilienarten als bedroht. Ein Viertel der heimischen Farn- und Blütenpflanzen ist bestandsgefährdet. Zahlreiche Tierarten und Pflanzenarten sind bereits ausgestorben.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Ohne die in Abermillionen Jahren gewachsenen biologischen Ökosysteme wird menschliches Überleben schwer, auch wirtschaftlich. Für das Weltwirtschaftsforum stellt ihr möglicher Verlust in den kommenden 10 Jahren ein wesentliches globales Risiko dar. Tritt das Risiko ein, wären die wirtschaftlichen Folgen immens. Davon jedenfalls geht die Weltbank aus und schätzt den jährlichen Verlust weltweit auf 2,7 Billionen US-Dollar, wenn nur drei Ökosysteme wie natürliche Bestäubung, Holz- und Fischangebot zusammenbrechen. Die Folge: Erhebliche Bremswirkungen auf die globale Wirtschaftsleistung.

Naturschutz und die Bankenregulatorik

Alles Erkenntnisse, die schon seit längerem auch die Bankenregulatoren wie Europäische Zentralbank (EZB), Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), Deutsche Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sensibel aufnehmen. Die EZB geht davon aus, dass in der Eurozone 75 Prozent der Unternehmenskredite in hoher Abhängigkeit von mindestens einer Ökosystemleistung stehen. Die Logik der Aufseher: Kollabiert die Natur, drohen unterbrochene Produktions- und Lieferketten, womöglich Kreditausfälle und damit Instabilitäten im Bankensystem. Das wiederum läuft dem Ziel der Bankenaufsicht zuwider, die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors sicherzustellen. Ergo: Naturschutz hat – von Finanzinstituten mitunter kaum wahrgenommen – bereits Einzug in die Bankenregulatorik gehalten.

Die Verantwortlichen und Mitarbeitenden in den Banken werden schon allein deshalb nicht umhinkommen, in nächster Zeit ihren Wortschatz (und den ihrer Kunden) um ein Wort zu erweitern: Biodiversität. Also den Erhalt der Mannigfaltigkeit an Pflanzen, Tieren, Lebensräumen und der genetischen Vielfalt an Arten sowie Populationen.

Der Umgang damit in der Praxis wird für Kreditinstitute und ihre Kunden alles andere als einfach. Naturbezogene Risiken und Chancen zu messen ist zweifelslos nicht trivial. Ohne neue Kennzahlen, Steuerungsprozesse, Tools, Bewertungs- und Entscheidungskriterien sowie deren Dokumentation wird es nicht gehen. Leistbar ist es freilich allemal. Zumal der Zug längst abgefahren ist.

Systemrelevante Banken müssen der EZB zeitnah aufzeigen, wie sie Biodiversitätsrisiken in ihr Risikomanagement integrieren. National beaufsichtigt Finanzhäuser haben dafür wohl noch einige Jahre Zeit. Gleichwohl wird auch an ihnen der Kelch nicht vorbeigehen, Anlage- und Kreditentscheidungen naturbezogen zu bewerten.

Indes auf Handlungsanweisungen der Aufseher zu warten, wird der Dimension des Themas ohnehin nicht gerecht. Insbesondere regional tätige Banken tun gut daran, eine intrinsische Motivation an den Tag zu legen, wenn es um Biodiversität geht. Längst nicht nur, um naturbezogene Risiken im Kreditportfolio zu erkennen und zu steuern. Angebote auf der Anlage- und Kreditseite, die zum schonenden Umgang mit der Natur motivieren, werden auch aus ganz anderem Grunde notwendig. Wer nämlich damit wirbt, für die Heimat Verantwortung zu übernehmen, dort verwurzelt zu sein, regionale Zukunft gestalten zu wollen, der steht unweigerlich in der Pflicht, den Erfordernissen der Biodiversität Genüge zu tun – wenn er denn in seinem Markenversprechen glaubwürdig sein möchte.

So gesehen wird der Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen zum strategischen Thema für Heimatbanken. Kreditgenossenschaften und Sparkassen, die Platzhirsche im Geschäft mit Mittelstand, Landwirten und Häuslebauer, bieten sich hier zahlreiche Ansatzpunkte. Biodiversität ist für sie ein Chancenthema.

Dr. Jürgen Gros


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