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(GZ-19-2024 - 10. Oktober)
Gastbeiträge

► Quadratur des Kreises:

 

Die Kommunikation zur neuen Grundsteuer und ihre Folgen

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Die Einführung der neuen Grundsteuer B bietet viel Potenzial, um als Lehrbeispiel in die Handbücher der politischen Kommunikation einzugehen. Als Negativmuster dafür, wie politische Kommunikation zu Missverständnissen führt, Regierungshandeln Verdruss auslöst und Beschädigungen im föderalen System entstehen.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Frühzeitig hat sich die bayerische Staatsregierung festgelegt, und der Steuerzahler hat es gerne vernommen: Die Grundsteuer soll im Freistaat aufkommensneutral ausgestaltet werden. Politisch gemeint war damit freilich, dass in den Gemeinden das Aufkommen aus der Grundsteuer nach der Umsetzung des neuen Rechts in etwa gleichbleiben sollte. Keineswegs zugesagt war dagegen das, was ein CSU-Bundestagsabgeordneter 2019 in einem ersten Moment euphorischer Übersteuerung zum Besten gab. Nämlich, dass man in Bayern ein einfaches Steuermodell schaffen werde, das nicht zu Steuererhöhungen führe.

Letzteres, keine Steuererhöhungen, ist gleichwohl das, was sich bei nicht wenigen Grund- und Immobilienbesitzern im Freistaat festgesetzt hat. Sie haben das Wörtchen „aufkommensneutral“ sehr individuell und bezogen auf die persönliche Steuerlast interpretiert. Natürlich gab es warnende Stimmen, die sachte darauf hinwiesen, dass sich ein grundlegendes Missverständnis zwischen Staat und Bürgern anbahne. Ausgeräumt wurde es aber nie. Der Ton war mit „aufkommensneutral“ politisch gesetzt.

Umso mehr greift jetzt Irritation um sich, weil es absehbar zu Verschiebungen in der individuellen Grundsteuerlast kommen kann und der eine oder andere Grund- und Immobilienbesitzer künftig mehr als bisher zahlt. Wenn dabei Grundstücke auch in die Besteuerung kommen, die bislang nicht – das soll es gelegentlich im ländlichen Bereich tatsächlich geben – oder falsch veranlagt waren, dann ist das allerdings recht und billig. Die Betroffenen sollten es deshalb staatsbürgerlich gesittet ertragen, wenn das jetzt korrigiert wird. Was im Einzelfall als steuerlicher Nachteil in Vergleich zur Altregelgung begriffen wird, ist jedoch eine der Stärken des bayerischen Wegs im Grundsteuerrecht. Denn künftig gilt der einfache und nachvollziehbare Zusammenhang, nach dem die kommunale Leistung als umso aufwendiger gilt, je größer und intensiver bebaut ein Grundstück ist.

Versäumnis der Politik

Diesen Zusammenhang intensiv zu erklären, dafür war ein halbes Jahrzehnt Zeit. Dass die politischen Entscheidungsträger und der Gesetzgeber die Zeit nicht zur umfänglichen Aufklärungsarbeit rund ums neue Grundsteuergesetz genutzt haben, darf man ihnen vorwerfen. Ein Versäumnis, das noch für viel Verdruss im Land sorgen wird – spätestens dann, wenn die neuen Grundsteuerbescheide Anfang des nächsten Jahres auslaufen.

Die Bayerische Staatsregierung hat es sich bei aller inhaltlichen Qualität des Grundsteuerrechts mit Blick auf die Umsetzung zu einfach gemacht und schlichtweg darauf gebaut, dass es die Kommunen dann schon eines Tages richten werden. Einen Bärendienst hat sie ihnen zudem mit dem „Appell“ erwiesen, die Hebesätze für 2025 so festzusetzen (d.h. in der Regel abzusenken), dass die Grundsteuereinnahmen denen des Jahres 2024 entsprechen. Denn auch hier ist entscheidend, was beim Bürger ankommt. Und das ist in dem Fall die schlichte Botschaft, nach der die Kommunen durch ein Neujustieren der Hebesätze schon dafür sorgen werden, dass der einzelne Grund- und Immobilienbesitzer nicht mehr Grundsteuer als vor der Reform zahlt.

Erinnerungen werden wach

So mancher Bürgermeister begreift den „Appell“ nach aufkommensneutralen Hebesätzen als übergriffige Forderung. Erin- nerungen werden wach an die einst als wenig geglückt empfundene Empfehlung der Staatsregierung zu den Erschließungsbeiträgen im Straßenbau. Das hat sich schmerzvoll in bürgermeisterlichen Gedächtnissen festgesetzt. Politischer Druck durch staatsministerielle Ankündigungs-, Empfehlungs- und Erwartungsrhetorik als wiederkehrendes Muster? Im kommunalen Bereich sorgt das mittlerweile hier und da für besorgtes Stirnrunzeln.

Der Staatsregierung jedoch zu unterstellen, sie sei politisch übergriffig, mag gleichwohl hart formuliert sein. Zumal zu deren Entlastung angeführt werden könnte, dass sie den „Appell“, die Hebesätze aufkommensneutral zu gestalten, immer mit dem Hinweis auf die im Grundgesetz verankerte Hebesatzautonomie der Städte und Gemeinden versehen hat.

Kommunale Bürde

Ungeachtet dessen tangiert der Regierungshinweis allemal einen sensiblen Bereich. Nämlich den der kommunalen Selbstverwaltung. So schwach die Kommunikation zur Erklärung der neuen Grundsteuer in Eindeutigkeit und Bürgernähe war, so stark ist fatalerweise die Wirkung des Regierungsappells. Alle Erwartungen sind dadurch auf die Kommunen gerichtet. Ihnen fällt nolens volens die Bürde zu, das zu richten, was wo anders kommunikativ verbockt wurde – und schränkt damit womöglich die gemeindliche selbständige und weisungsfreie Verwaltung ein.

Realpolitische Herausforderung

Verfassungsrechtlich ist das delikat und realpolitisch herausfordernd in Zeiten, in denen die kommunalen Finanzen ohnehin schon (über-)strapaziert sind – nicht zuletzt aufgrund vielfältiger Aufgabenzuweisungen durch die Bundespolitik. Da ist die Verlockung nachvollziehbar, den „Appell“ der Staatsregierung aus eigenem Recht zu ignorieren und zusätzliche Einnahmen durch die Grundsteuer
mitzunehmen.

Begründen ließe sich das allemal. Nicht zuletzt durch den bereits erwähnten Zusammenhang von kommunalem Aufwand sowie Größe und Bebauungsintensität von Grundstücken. Wie auch immer: Lassen die Kommunen die Hebesätze unverändert (oder heben sie gar an), haben sie den schwarzen Steuerpeter. Senken sie die Hebesätze, gefährden sie womöglich Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich. Neuregelungen und Klarstellungen sind hier deshalb ebenfalls dringend notwendig.

Die nächsten Wochen werden für die Kommunen nicht einfach. Bis spätestens Anfang Dezember sollten sie – zum Teil auf noch unvollständiger Datenbasis – über die Grundsteuerhebesätze zumindest für das Jahr 2025 entscheiden. Wie sie es auch wenden. Sie stehen vor der Quadratur des Kreises. Wieder einmal.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros


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