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(GZ-20-2024 - 24. Oktober)
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Heimatbanken könnten mehr aus ihrer Geschichte machen

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben in Deutschland eine lange Tradition. Sie reicht bis weit ins 19. Jahrhundert zurück. Entsprechend viel Erzählstoff in beeindruckender Detailfülle gibt es. Die kollektive unternehmerische Erfolgsgeschichte ist längst ein identitätsstiftendes Narrativ beider Institutsgruppen. Zugleich ist es ein Narrativ der Selbstvergewisserung. Der Erfolg in der Vergangenheit gilt als Quasibeweis dafür, auch die Zukunft erfolgreich zu meistern. Das nicht ohne Grund. Denn die Fähigkeit, im Zeitenwandel zu bestehen und sich innovativ weiterzuentwickeln, kann man weder den Kreditinstituten mit dem roten noch denen mit dem blau-orangen Logofarben absprechen.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Den krassen Gegensatz zur intensiven Erinnerungskultur auf der kollektiven Metaebene bilden bei der weit überwiegenden Zahl der 184 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie 58 Sparkassen im Freistaat jedoch sowohl die systematische Dokumentation der individuellen Geschichte als auch deren strategisch ausgerichtete Aufbereitung für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Beides findet nämlich bislang kaum statt.

Dabei haben die einzelnen Häuser viel zu erzählen – weil sie reich an Geschichte und Geschichten sind. Vielfach im Jahr produziert zudem jedes Institut wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert in seinem Geschäftsgebiet, der die eigene Historie um einzigartigen Content anreichert. Nur selten dokumentieren die Heimatbanken das (in ihren digitalen Kommunikationskanälen) zielgerichtet – und wenn doch, dann kaum auffindbar und zumeist wenig ansprechend aufgemacht. Geschichte in Geschichten zur Untermauerung und Konkretisierung des Unternehmensleitbildes respektive der Geschäftsstrategie oder Marktpositionierung (digital) zu erzählen, geschieht bei kaum einem der regional agierenden Kreditinstitute. Viel Potenzial für cleveres (digitales) Geschichtsmarketing bleibt damit ungenutzt.

Vernachlässigter Vermögenswert

So gewissenhaft Banker im Sparkassen- und Genossenschaftssektor ansonsten mit den ihnen anvertrauten Assets umgehen, den „Vermögenswert Geschichte“ vernachlässigen sie. Das ist nicht nur schade, sondern verwundert auch. Denn das Wissen um die Geschichte „ihrer“ Bank ist bei den allermeisten Vorständen umfassend, von immenser Tiefe und beeindruckendem Facetten- sowie Anekdotenreichtum.

Wissensmangel ist es also kaum, wenn man in den digitalen Auftritten von Sparkassen und Kreditgenossenschaften so wenig über ihre individuelle Geschichte und damit über ihre regional-historische Leistung erfährt. Dabei liegen hier die zentralen Wurzeln für deren heutiges und künftiges Agieren.

Großes Potenzial

Der „Vermögenswert Geschichte“ ist schlichtweg unterbewertet, weil er nicht als Asset erkannt ist. Wenn er denn überhaupt für die Außendarstellung der Bank (digital) genutzt wird, dann zerfließt er zumeist in allgemeinen, wenig institutsbezogenen Darstellungen oder blutleeren Zahlenreihungen. Auf der Strecke bleiben die Präsentation und Erzählung dessen, was die Leistung für die Entwicklung der Heimat ausmacht ebenso, wie die der Menschen und ihrer Geschichte, die für die Bank prägend waren und sind.

Dabei bietet der bewusste Einsatz von Geschichte so viel Potenzial. Im digitalen Zeitalter allemal. Heimatbanken mit einem ausgeprägten unternehmerischen Geschichtsbewusstsein unterstützt er, ihre Reputation noch gezielter zu steuern und die regionale Markenerzählung zu verstärken. Ins Reputationsmarketing eingebundene Schlüsselmomente, die den Beitrag des Instituts beispielsweise zur Entwicklung von lokaler Wirtschaft und Gesellschaft aufzeigen, bieten viel – nicht zuletzt emotionales – Potenzial, um sich in einem hochkompetitiven Markt der Ähnlichkeiten von Wettbewerbern durch Narrative mit konkretem, heimatbezogenem Inhalt abzuheben.

Verknüpfung von Entstehungsgeschichte und Leitbild

Dabei die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Kreditinstituts rund um Gründungsmotive und -akteure mit dem heutigen Leitbild zu verknüpfen, ist eine Möglichkeit, Kontinuitätslinien in der Bankentwicklung zu zeichnen. Diese sind hinsichtlich ihrer vertrauens- und loyalitätsschaffenden Wirkung nicht zu unterschätzen in einer Gesellschaft, in der Regionalität, Sicherheit, Beständigkeit, Verlässlichkeit und Fairness einen hohen Stellenwert haben.

Der bewusste Umgang mit Unternehmensgeschichte kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Leitbild und Wertekanon aus dem Abstrakten in die Lebenswirklichkeit von Mitarbeitenden, Mitgliedern und Kunden zu bringen. Geschichte ist ein Vermögenswert mit viel Rendite!

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros


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