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(GZ-9-2025 - 2. Mai)
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► Mangel an Unternehmertum im Bundestag

Der Befund allein nutzt wenig

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Der Deutsche Bundestag war noch nie ein Parlament der Unternehmer. Aber so wenig Unternehmertum wie aktuell war schon lange nicht mehr im Parlament, womöglich noch nie. Jedenfalls rein quantitativ nach Köpfen. Das hat die Stiftung Familienunternehmen und Politik nachgerechnet. Ihr Befund: In der 19. Wahlperiode (2017-2021) haben immerhin 78 Abgeordnete als Beruf Unternehmer angaben, in der 20. Wahlperiode (2021-2025) noch 51 Parlamentarier und in der aktuellen, gerade begonnenen 21. Wahlperiode, tun das lediglich 37 Mitglieder des Bundestages. Zudem hat die AfD die – nicht mehr im Bundestag vertretene – FDP als die Fraktion abgelöst, der die größte Zahl von Unternehmern angehört. Auf 17 Abgeordnete kommt sie. Zum Vergleich: Bei der CDU sind es gerade mal 11, bei der SPD fünf und bei den Grünen vier Mandatsträger.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Sicher, bei solchen Erhebungen und den Schlüssen, die daraus gezogen werden können, gilt es immer Vorsicht walten zu lassen. Insofern wäre es zu kurz gesprungen, von einer rückläufigen Zahl an Unternehmern auf die im Deutschen Bundestages vertretene Wirtschaftskompetenz schließen zu wollen. Man muss nicht unternehmerisch tätig (gewesen) sein, um etwas von Wirtschaft zu verstehen. Umgekehrt gilt gleichwohl auch, dass nicht jedermann/jederfrau, der/die in Parlament oder Regierung ein Mandat mit Wirtschaftsbezug ausübt, das zwingend mit Kompetenz tut. Und deshalb hat die These wohl Berechtigung, nach der Politiker durch wirtschaftspolitische Narrative mitunter eher verunsichern, denn Orientierung geben. Erinnert sei an den skurrilen Moment, als 2024 Bundeskanzler Scholz ein erneutes deutsches Wirtschaftswunder beschwor.

Die letzten Regierungsjahre im Bund boten ein erschreckendes Maß an unterkomplexen Lösungen für komplexe wirtschaftspolitische Herausforderungen. Noch bleibt ungewiss, ob es die neue Bundesregierung besser machen wird. Die Unternehmer in Deutschland spüren das. Ist der Hinweis der Stiftung Familienunternehmer und Politik also ein Weckruf und die Forderung nach mehr Unternehmern in Parlament und politischem Betrieb ein Beitrag zur Politikverbesserung?

Spätestens jetzt wird womöglich mancher warnend auf die Entwicklung in den USA zeigen und auf die dort begonnene Wandlung der präsidialen Demokratie zur Korporatokratie hinweisen. Jenseits des Atlantiks greifen wenige Großunternehmer demokratiegefährdend in Regierung, Verwaltung, Justiz und Medien ein. Gewiss, solche Verhältnisse kann hierzulande keiner wollen. Das ist freilich auch nicht intendiert, wenn es darum geht, dass Unternehmertum und Politik in Deutschland enger zusammenfinden.

Schleichende Distanzierung von der wirtschaftlichen Praxis

Die politischen Entscheider haben sich hierzulande über die Jahre schleichend von der wirtschaftlichen Praxis entfernt. Zu oft wird an dem politisch vorbei gestaltet, was Unternehmer, insbesondere die mittelständischen, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden und der Wohlstandsmotor sind, benötigen. Und nur zu oft ist dafür schlichtweg Unwissenheit die Triebfeder. Behoben wird das Defizit nicht dadurch, dass Politiker, insbesondere in Wahlkampfzeiten, mal eben und im Schnelldurchlauf Betriebe besuchen und Sonntagsreden ohne Handlungskonsequenz halten.

Es braucht Umdenken und Mentalitätswandel an vielen Stellen. Da sind zum einen nachvollziehbar die Parteien gefordert, entsprechende Möglichkeiten zu schaffen, damit sich Unternehmen mit ihrem Praxiswissen einbringen können und gehört werden. Die AfD schafft das offenkundig. Die Parteien der politischen Mitte konnten das lange sehr gut. Aber irgendwann haben sie es verlernt, den unternehmerischen Puls zu spüren und zu deuten.

Zum anderen bricht auch keinem Politiker ein Zacken aus der Krone, wenn er sich bei wirtschaftspolitischen Fragestellungen Praxisrat bei denen holt, deren Job es ist, ihren Betrieb erfolgreich im Wettbewerb zu führen und womöglich eine Einordnungskompetenz besitzen, die ihm selbst abgeht.

Und schließlich braucht es bei den Unternehmensmanagern ein wachsendes Bewusstsein dafür, das politische Rahmenbedingungen kein Schicksal sind. Sie lassen sich ändern. Indem man aktiv den Kontakt zu politischen Entscheidern sucht und selbstbewusst auf die Gestaltung von Standortfaktoren Einfluss nehmen will. Dauerhaft und als seriöser Ratgeber aus der Praxis, der konkret am Beispiel des eigenen Betriebs zeigen kann, was der deutschen Wirtschaft guttut, und was ihr schadet. Warum nicht auch mit dem Willen ein parlamentarisches Mandat anzustreben? Für mehr Unternehmertum in der Politik.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

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