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(GZ-9-2018)
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► GZ-Seminar „Lebendige Ortsmitte“ in Nürnberg:

 

Werkzeuge und Strategien

Digitalisierung und Globalisierung sind Ursachen massiver Veränderungen in Dörfern und Städten. Demographische Entwicklungen, schließende Geschäfte, unsachgemäße Eingriffe und lange Leerstände zehren an der Bausubstanz. Wie Ortskerne wieder zum Leben erweckt werden können, wurde beim GZ-Seminar „Lebendige Ortsmitte“ im Rahmen der Messe IFH/Intherm in Nürnberg anhand diverser Beispiele erläutert. 

GZ 09 2018 Ortsmitte

Erfolgsstrategien zur Gestaltung von lebendigen und lebenswerten Ortskernen standen auf dem Programm des GZ-Seminars, zu dem zahlreiche Gäste aus Bayerns Kommunen zur Messe IFH/ Intherm nach Nürnberg gereist waren. Infos: www.gemeindezeitung.de/lebendige-ortsmitte. RED

Die Premiere der Fachtagung, die sich an Bürgermeister, kommunale Entscheidungsträger, Bauamtsleiter, Stadtplaner und -entwickler richtete, stieß auf große Resonanz. Gezielt nachgefragt wurden unter anderem die SHK-Kernthemen Energetische Heizungssanierung sowie barrierefreie Sanitärlösungen im sozialen Wohnungsbau. Über 160 Teilnehmer folgten der Einladung der Bayerischen GemeindeZeitung.

Kompetente Partner

Als Partner fungierten GHM Gesellschaft für Handwerksmessen, Bayerischer Gemeindetag, Bayerischer Städtetag, Bayerischer Landkreistag und die Bayerische Architektenkammer.

Dass es Problembereiche in Ortskernen mitten in Bayern gibt, ist nach dem Worten von GZ-Verlegerin Anne-Marie von Hassel nicht nur traurig, sondern auch gefährlich, „weil die Menschen in unserer übersättigten Saturiertheit vereinsamen, innerlich verhungern und nicht mehr glücklich sind“.

Achtsamer Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen 

Nicht nur die Natur benötige eine achtsame Nachhaltigkeit, sondern auch der Mensch. „Insofern stimmt mich das von den Grünen initiierte Volksbegehren gegen den behaupteten ‚Flächenfraß‘ schon sorgenvoll“, betonte von Hassel, räumte jedoch ein, „dass der achtsame Umgang mit unseren Flächen schon deutlich verbesserungsfähig ist“.

GHM-Repräsentant Florian Pöhlmann verwies in seiner Begrüßung darauf, dass die GHM sich als Serviceeinrichtung des Handwerks versteht. Gerade die mittelständischen Handwerksbetriebe entwickeln Ideen und Lösungen z. B. zur Umsetzung der Energieeinsparverordnung, aber auch Innovationen im Bereich Energiewende, was für die Kommunen letztlich von vielfältigem Nutzen sei. Pöhlmann lud die Teilnehmer ein, sich bei einem Messerundgang eigene Eindrücke über diese technischen Neuerungen zu verschaffen.

Ortskernrevitalisierung und Leerstandsmanagement

„Ortskernrevitalisierung und Leerstandsmanagement – Strategien und Instrumente“ lautete im Anschluss das Vortragsthema von Matthias Simon, Referatsleiter Baurecht und Wasserrecht beim Bayerischen Gemeindetag. Simon verwies zunächst auf § 1a Abs. 2 BauGB, wonach mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll. Dabei seien zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen.

Simon zufolge bedarf es eines Gesamtkonzepts und des richtigen Instrumenteneinsatzes. Am Anfang stehe der Aufbau von Wissen. Wichtig sei das Prinzip „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ – man solle prüfen, ob ein neues Baugebiet am Ortsrand wirklich nötig sei, wenn im Ortskern Grundstücke und Gebäude leer stünden.

Einzelfallorientierung

Beim Thema Dorferneuerung riet Simon zu einem projektund/oder programmorientierten Vorgehen, während beim Instrumentenkasten ein einzelfallorientiertes Vorgehen mit Grundsatzbeschluss ratsam sei. Als weitere Strategien nannte der Referatsleiter eine städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahme (Satzungsrecht), ein Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept als Voraussetzung der Städtebauförderung (Interdisziplinäre Studie/ganzheitliches Vorgehen), Leuchtturmprojekte wie Kooperationen, Genossenschaften oder Baudenkmäler sowie den Einsatz des gebotenen Mittels zur richtigen Zeit, wie er unter anderem am Kommunalen Flächenmanagement der Stadt Freyung und dem Baulückenkataster der Gemeinde Neunkirchen anschaulich verdeutlichte.

Erhalt der Lebensqualität

Im südlichen Landkreis Bad Kissingen ist die Allianz Fränkisches Saaletal, ein Zusammenschluss aus der Stadt Hammelburg, den Märkten Elfershausen, Euerdorf, Oberthulba und Sulzthal sowie den Gemeinden Aura an der Saale, Fuchsstadt, Ramsthal und Wartmannsroth entstanden. Diese neun Kommunen wollen laut Allianzmanager Holger Becker dem demographischen Wandel im ländlichen Raum aktiv entgegentreten. Der Erhalt der Lebensqualität in den Ortskernen sei ein Kernthema der Kooperation.

Wie Becker berichtete, haben Prognosen im Fränkischen Saaletal bis 2035 einen Bevölkerungsrückgang von 5,4 Prozent errechnet, was einem Rückgang von ca. 27.200 auf ca. 25.700 Einwohner entspricht. Hierdurch würde unweigerlich die Anzahl leerstehender Gebäude in den Ortskernen ansteigen. In der Fläche zeigten sich diese Auswirkungen bereits jetzt: Das aktuelle Angebot an Bauland (ca. 155 Hektar) übersteigt den Baulandbedarf von 10 Hektar bis 2021 um ein Vielfaches.

Im Rahmen der sog. Innenentwicklung habe die Allianz deshalb mehrere Maßnahmen eingeleitet, um die Attraktivität ihrer Gemeinden und Ortsteile zu erhalten. Zum einem wurde ein kommunales Förderprogramm Innenentwicklung aufgelegt, demzufolge Bau- und Sanierungsmaßnahmen an leerstehenden Anwesen in den Ortskernen mit bis zu 10.000 Euro finanziell bezuschusst werden. Voraussetzungen für die Förderung der Immobilien sind u.a.: Leerstand seit mindestens 12 Monaten, Mindestalter 50 Jahre (Ausnahme Stadt Hammelburg) und mindestens fünf Jahre gleichbleibende Nutzung. Dazu kommt noch eine kostenlose kommunale bzw. externe Beratung. Allein zwischen 2014 und 2016 konnten so bereits über 45 Maßnahmen in der Allianz gefördert werden. In allen Mitgliedskommunen hat die Allianz außerdem eine Eigentümeransprache an Besitzer leerstehender Gebäude und von Baulücken durchgeführt, um erwerbbare Immobilien und Bauland anbieten zu können. Daraus resultierte eine Bauland- und Immobilienbörse.

Positiv-Beispiel Fraunberg

Für den gelungenen Bau eines neuen Gemeindezentrums in Fraunberg (Landkreis Erding) wurden 2018 die oberprillerarchitekten aus Hörmannsdorf mit dem Sonderpreis für Baukultur der Europäischen Metropolregion München (EMM) ausgezeichnet. Jakob Oberpriller, Architekt, Stadtplaner, Regierungsbaumeister und Mitglied im Kompetenzteam Raum- und Flächenplanung der Bayerischen Architektenkammer, verwies darauf, dass im Zuge des Ortsentwicklungsprozesses „Modellvorhaben Fraunberg“ das neue Gemeindezentrum mit intensiver Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entstanden sei.

Aus einer Bürgerbefragung seien im weiteren Planungsprozess zahlreiche Aspekte berücksichtigt worden. Die Bürger der Gemeinde Fraunberg wurden in fünf Zukunftswerkstätten, mit Exkursionen und Vor-Ort-Terminen intensiv in die Planung ihres Gemeindezentrums einbezogen. Die Architekten arbeiteten eng mit der Teilnehmergemeinschaft und dem Ortsplanungsausschuss der Gemeinde zusammen.

Mehr-Wert für alle Bürger 

Das Gemeindezentrum wird dreifach genutzt. Unter dessen Dach vereinen sich das neue Rathaus mit einem großen Sitzungssaal, ein Bürgerbereich mit einem Veranstaltungssaal und einem Bürgerbüro sowie eine Zweigstelle der VR Bank Taufkirchen-Dorfen als Mieter. Der Bürgerbereich ist ein Anlaufpunkt für alle Bürger. So ist neben einem Foyer und einer Catering-Küche auch ein großer, überdachter Freiraum für Versammlungen, Märkte und Veranstaltungen entstanden. Im Vorfeld des Gemeindezentrums befindet sich der neue Dorfplatz von Fraunberg. Die in ihrer Breite reduzierte Staatsstraße ermöglicht mehr öffentlichen Raum für die Bürgerinnen und Bürger und reduziert die Dominanz des Verkehrs. Das Gemeindezentrum mit dem Dorfplatz ist so zu einem zentralen Identifikations- und Treffpunkt für die ganze Gemeinde geworden. Weitere Maßnahmen sind in Planung.

Laut Fraunbergs Bürgermeister Johann Wiesmaier unterliegt die in unmittelbarer Nähe zum Flughafen München gelegene Gemeinde einem enormen Veränderungs- und Anpassungsdruck, der alle Lebensbereiche umfasst. Gemeinderat und Bürger hätten sich entschlossen, der Entwicklung nicht freien Lauf zu lassen, sondern aktiv einen neuen Weg zu gehen, bei dem die Nachhaltigkeit und der schonende Umgang mit der Ressource Grund und Boden an erster Stelle stehen. Die starke landwirtschaftliche Prägung der gesamten Gemeinde mit ihren 42 Ortsteilen und die vielen Zukunftsbetriebe in den Dörfern, Streusiedlungen, Weilern und Einzelhoflagen legten eine Gemeindeentwicklung mit den Schwerpunkten Sicherung der Kulturlandschaft und Leben und Arbeiten im gesamten Gemeindegebiet nahe.

Eindämmung des Flächenverbrauchs

Nach Wiesmaiers Ausführungen wird im Zuge einer Flächennutzungsplanänderung der Flächenverbrauch in der Gemeinde eingedämmt. Auch werden Ausweisungen von Gewerbegebieten oder Wohnbauflächen zugunsten einer angepassten baulichen und wirtschaftlichen Weiterentwicklung in den Dörfern und Ortschaften zurückgenommen. Im Zuge des Strukturwandels in der Landwirtschaft freiwerdende Bausubstanz und Grundstücke sollen einer neuen Nutzung zugeführt werden. Mehrere kleinere Gewerbebetriebe konnten bereits in vorhandener Bausubstanz im Außenbereich untergebracht werden.

Aktive Bürgerbeteiligung

Die vorbildliche Bürgerbeteiligung in Fraunberg zeige sich insbesondere durch den Verein „Gemeindeentwicklung Fraunberg e. V.“. Der Verein versteht sich als Dachorganisation, die fachliche und finanzielle Hilfestellung anbietet. Arbeitskreise werden aus den örtlichen Vereinen heraus gebildet und bieten so möglichst vielen Bürgern Möglichkeiten, sich am Entwicklungsprozess zu beteiligen.

Aufwertung der Innenstadt

Die Stadt Freising hat im Jahr 2009 den Prozess für eine Aufwertung der Innenstadt gestartet. Zwei Jahre später schnürte der Stadtrat ein Paket mit 23 Einzelmaßnahmen, wie Barbara Schelle, Stadtbaumeisterin der Stadt Freising, gemeinsam mit Innenstadtkoordinator Michael Schulze hervorhob. Das Anliegen: Die Neugestaltung der Hauptstraße soll dem historischen Charakter der Altstadt ebenso wie den Anforderungen an ein modernes Handelszentrum gerecht werden. Ein niveaugleicher Ausbau von Straßen und Plätzen soll eine vielfältige Nutzung für Feste, Märkte oder Konzertveranstaltungen ermöglichen und zu einem längeren Aufenthalt animieren. Die bislang überdeckte Stadtmoosach soll als erlebbares Gewässer den Innenstadt-Besuch bereichern. Unnötiger Durchgangsverkehr soll aus der Innenstadt verbannt werden. Jüngsten Zählungen zufolge handelt es sich um mehr als die Hälfte der Fahrten.

Europaweiter Architektenwettbewerb

Mit diesen zentralen Aufgabenstellungen lobte die Stadt europaweit einen Architektenwettbewerb aus. 2013 wurde der Siegerentwurf eines Berliner Landschaftsarchitekturbüros gekürt, das auch mit der Detailplanung und Umsetzung betraut worden ist.

Schelle und Schulze zufolge beschäftigt sich die Stadt Freising im Zuge der Innenstadtkonzeption mit weiteren Projekten bzw. Themen, deren Planung und Umsetzung vorangetrieben wird, so z.B. Asamgebäude, Gestaltungsfibel und städtisches Förderprogramm, Beleuchtungskonzept/Masterplan Licht, Gestaltungsrichtlinien für die Innenstadt-Möblierung, Freiraumkonzept oder Domberg Süd.

Wallenfels wachküssen

Wie eine Stadtsanierung von statten gehen kann, zeigte der Bürgermeister der oberfränkischen Stadt Wallenfels, Jens Korn, auf. Wallenfels hat in den vergangenen Jahrzehnten ein Drittel seiner Einwohner verloren. Außerdem tätigen die Menschen immer mehr Einkäufe über das Internet, was insbesondere zu Lasten kleiner Geschäfte geht. Viele Gebäude in Wallenfels stehen daher leer. Jedoch zeigt sich Licht am Ende des Horizonts: In einem der leerstehenden Gebäude im Ortskern ist ein Ärztehaus geplant, eine Hautärztin ist bereits eingezogen. Zu ihr kommen Patienten aus der ganzen Region.

Bei einer Planungswerkstatt zusammen mit den Architektenbüros hatten die Bürger kürzlich Gelegenheit, ihre Ideen mit einfließen zu lassen. Gemeinsam mit den Bürgern soll der Marktplatz wachgeküsst werden. „Wir werden den Marktplatz auf Jahrzehnte verändern. Das kann nur gelingen, wenn die Planung von der Bevölkerung angenommen wird“, unterstrich Korn.

Offener und lebendiger mit einem Akzent auf Wasser und Tradition, so soll der Wallenfelser Marktplatz nach einem Vorentwurf eines Münchner Büros aussehen. Nach dem Zeitplan von Stadt und Landschaftsarchitekten soll 2018 zur Planung genutzt werden und die Realisierung ab 2019 beginnen. Wie Korn berichtete, übernimmt die Städtebauförderung bei der Neugestaltung der Ortsmitte 80 Prozent der Kosten. Damit sei die Umgestaltung auch für einen kleinen Ort wie Wallenfels zu stemmen.

Informationen zum Seminar: www.gemeindezeitung.de/lebendige-ortsmitte. Dort stehen ein Beitrag von TV Bayern live und alle Vorträge zum Abruf bereit.  

DK

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