Kommunale Praxiszurück

(GZ-15/16-2024 - 1. August)
gz kommunale praxis

► KPV-Landesversammlung und Sommerempfang:

 

Taten statt wohlfeile Sprüche

 

Die Kommunen sehen sich vor enorme Aufgaben gestellt. Stefan Rößle, KPV-Landesvorsitzender und Landrat Donau-Ries, verdeutlichte dies im Rahmen der diesjährigen KPV-Landesversammlung mit anschließendem Sommerempfang in München u.a. anhand der Themen Entbürokratisierung, Krankenhäuser, Finanzen, Kinderbetreuung und Digitalisierung. Als Ehrengast hieß er Bayerns Kommunalminister Joachim Herrmann, MdL, willkommen.

V.l.: KPV-Landesvorsitzender Landrat Stefan Rößle, Innenminister Joachim Herrmann, GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel, Bürgermeisterin Kathrin Alte, Alt-Bezirkstagspräsident Josef Mederer und Alt-MdL und -MdB Bartholomäus Kalb. Bild: GZ
V.l.: KPV-Landesvorsitzender Landrat Stefan Rößle, Innenminister Joachim Herrmann, GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel, Bürgermeisterin Kathrin Alte, Alt-Bezirkstagspräsident Josef Mederer und Alt-MdL und -MdB Bartholomäus Kalb. Bild: GZ

2023 waren die kommunalen Ausgaben der Landkreise 2,5 Mrd. Euro höher als die Einnahmen. Für 2024 zeichnet sich eine weitere Verschärfung ab. Kommunen und Staatregierung müssten gemeinsam andere Lösungen finden, wenn dies die kommunale Kassenlage vor Ort nicht mehr zulässt. Dies jedoch brauche Zeit. Unliebsame Wahrheiten müssten anerkannt und ggf. geplante Investitionen zurückgestellt werden. Es stelle sich die Frage, ob die CSU nicht vorangehen sollte, wenn es darum geht, den Menschen vor Ort zu erklären, dass Projekte nicht mehr so einfach zu realisieren sind.

Nachhaltige Entbürokratisierung

Seit Jahren setzt sich die KPV für eine nachhaltige Entbürokratisierung in den Verwaltungen und eine spürbare Entlastung der Bürgerinnen und Bürger ein. Im Zuge ihrer Entbürokratisierungs- und Deregulierungsbestrebungen hat die Bayerische Staatsregierung nun einen ersten Gesetzentwurf, das sog. Modernisierungsgesetz, vorgelegt. Ziel ist eine „schlankere und effizientere Bayerische Bau- und Rechtsordnung“.

Aufschrei der Kommunen

Ausdrücklich begrüßte der KPV-Vorsitzende den „Willen der Staatsregierung, Vereinfachungen vorzunehmen“. Da der Aufschrei in den Kommunen und bei den Kommunalen Spitzenverbänden jedoch unüberhörbar sei, mahnte er an, die Inhalte entsprechend auszudiskutieren. Die kommunalen Vertreter müssten dabei auch ein Stück weit von ihrem „Perfektionismus und Gerechtigkeitswahn“ abrücken, riet Rößle.

Mit Blick auf die kommunale Krankenhausversorgung wies er darauf hin, dass die vom Bund angestoßene Krankenhausreform nichts Gutes verheiße. Keinesfalls dürfe sie zu einem Kahlschlag der Grund- und Regelversorgung in Bayern führen.

Krankenhausreform verheißt nichts Gutes

Obwohl der Bund für die Zahlung der Betriebskosten zuständig ist, können über 80 Prozent der Krankenhäuser ihren laufenden Betrieb nicht mehr decken und rutschen in ein Defizit. Damit sie nicht Konkurs anmelden müssen, gleichen die Landkreise dies mit Mitteln der Kreisumlage aus. Laut Rößle gibt es Landkreise, die ihre Kreisumlage um 4 bis 5 Prozentpunkte erhöhen mussten. Die Folge: An anderer Stelle muss gespart werden.

Vor große Herausforderungen gestellt sehen sich die Städte und Gemeinden auch beim anstehenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab dem Schuljahr 2026/27. Im Hinblick auf dessen Umsetzung hat die Bayerische Staatsregierung angekündigt, die ungekürzten Bundesmittel für die Betriebskosten ab 2026 an die Kommunen weiterzuleiten und das Ganztagsausbauprogramm zu verbessern.

Auch bekennt sich der Freistaat zur Verantwortung der Schulen für die Betreuung am Freitagnachmittag in Schulwochen und will überdies die organisatorische Mitwirkung der Schulen an der Ferienbetreuung regeln. Nachdem die Ergebnisse aus Rößles Sicht bislang nicht zufriedenstellend gewesen sind, bewege sich die Staatsregierung nun erfreulicherweise. Die kommunale Seite begrüße die genannten Maßnahmen, jedoch müssten Baustellen wie etwa die alleinige kommunale Verantwortlichkeit für die Ferienabdeckung für alle Angebotsformen noch bearbeitet werden.

Verbesserungen sind auch beim Thema Digitalisierung zu vermelden. Wie der KPV-Vorsitzende betonte, stelle beim wichtigen Thema Digitalisierung von Schulen der hohe Bedarf an IT-Ausstattung kommunale Träger vor große Herausforderungen. Auf Initiative der AKDB sei die Bayerische Kommunale IT-Einkaufsgenossenschaft eG, kurz BayKIT, gegründet worden. Sie beschafft zunächst im Schulbereich Hardware sowie damit verbundene Dienstleistungen für ihre Mitglieder bzw. Genossen. Diese können sich dadurch zukünftig individuelle und in eigener Verantwortung durchzuführende, komplexe und somit teure Vergabeverfahren sparen und diese Aufgabe an die BayKIT abgeben.

KI könnte mehr bringen

Insgesamt aber hinke Deutschland bei der Nutzung von KI auch in der Kommunalverwaltung noch deutlich hinterher, bemängelte Rößle. Bestes Beispiel: Kfz-Zulassungsstelle. Hier könnten, wie in anderen Ländern bereits geschehen, schon längst Chatbots zum Einsatz kommen. Es gilt, Verwaltungsleistungen zu analysieren und zu optimieren mit dem Ziel, die Sachbearbeitung durch digitale Ende-zu-Ende-Prozesse zu entlasten.

Weitere politische Impulse setzte Kommunalminister Joachim Herrmann. Nach seinen Ausführungen „müssen wir auf Landesebene kommunalpolitische Themen nun intensiv angehen“. Mit der Vorbereitung auf die Kommunalwahl 2026 dürfe man nicht erst nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr beginnen. Dabei spiele das Thema Finanzen eine große Rolle. In allen Bereichen stiegen die Ausgaben schneller als die Einnahmen, wobei die Kommunen in Bayern insgesamt finanziell immer noch besser dastünden als in den meisten anderen Bundesländern. „Bayern ist nur so stark wie seine Kommunen stark sind. Das müssen wir auch leben!“, unterstrich Herrmann.

Schwierige Flüchtlingspolitik

Nicht nur ums Geld, sondern auch um die Frage, wie Integration zu gestalten ist, geht es bei der Flüchtlingspolitik. Überhaupt noch neue Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen, sei mittlerweile äußerst schwierig, konstatierte der Minister. Bei den ukrainischen Flüchtlingen sei die Hilfsbereitschaft hierzulande groß gewesen. Allein über 160.000 Frauen und Männer habe der Freistaat aufgenommen – „deutlich mehr als die gesamte französische Republik“.

Einige seien auf einem guten Weg der Integration, jedoch habe die Tatsache, dass Ukrainern im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen sofort deutsches Bürgergeld gezahlt werde, auch dazu geführt, dass mitunter zunächst einmal kein unmittelbar großer Anreiz verspürt werde, sich sofort nach Arbeit umzusehen, führte Herrmann aus. Die CSU habe von Anfang an davor gewarnt. Nun müsse man zu der „eigentlichen, noch im Frühjahr 2022 geltenden Rechtslage, wonach auch solche Bürgerkriegsflüchtlinge Asylbewerberleistungen erhalten, wieder zurückkommen“, forderte der Innenminister. Hierfür setze Bayern sich auch auf Bundesebene ein.

Generell ist aus seiner Sicht „eine grundlegende Änderung in der Asylpolitik des Bundes“ erforderlich. Kanzler und Innenministerin gäben zwar „wohlfeile Sprüche“ von sich, „jedoch passiert zu wenig“. Immerhin habe die CSU in den vergangenen Jahren durchgesetzt, die
Grenzkontrollen deutlich auszudehnen.

Dass die Flüchtlingszahlen dadurch merklich zurückgingen, belegten vermehrte Kontrollen an der tschechischen, polnischen und schweizerischen Grenze seit Oktober 2023. „Die illegale Migration ist zahlenmäßig um mindestens ein Drittel reduziert worden. Das ist schon eine ganze Menge, aber immer noch nicht genug“, stellte der Minister klar und ergänzte: „Das Schengen-Abkommen sieht vor, dass an den EU-Außengrenzen konsequent kontrolliert wird.

Funktioniert dies nicht, weil es von vielen EU-Ländern nicht praktiziert wird, müssen wir im eigenen Interesse wieder dazu kommen, eigene Grenzkontrollen durchzuführen.“ Mit der bayerischen Grenzpolizei, die bis 2028 nochmals deutlich verstärkt werden soll, sei der Freistaat schon jetzt gut aufgestellt.

Für die Integration auf kommunaler Ebene erachtet es Herrmann als wichtig, „dass wir nun im Ministerrat das Konzept zur frühen Sprachstandsdiagnose für Kinder festgelegt haben“. Immer mehr Eltern nähmen wahr, dass der Lernfortschritt der eigenen Kinder darunter leidet, wenn in der Klasse immer mehr ausländische Kinder keine ausreichenden Deutschkenntnisse besitzen. Deshalb werde jedes Kind künftig eineinhalb Jahre vor der Einschulung auf seine Sprachkenntnisse getestet. Im Fall von Defiziten werde es eine verpflichtende Sprachförderung geben. Erst danach sei eine Einschulung in die Regelklasse möglich.

Entbürokratisierung

Mit Blick auf das Thema Entbürokratisierung meinte der Minister: „Wir müssen nach Jahren der Ankündigung jetzt wirklich Nägel mit Köpfen machen.“ Er respektiere jede Kritik an den aktuellen Plänen der Staatsregierung, „aber wir können uns nicht leisten, dass wir am Jahresende nichts vorzuweisen haben“. Jeder, der einen konkreten Vorschlag habe, möge sich bei ihm melden, bot Herrmann an.

Er bedauere sehr das Vorgehen von Bayerischem Städtetag und Gemeindetag (siehe dazu Bericht). Dies könne nicht „Sinn der Sache sein“. Man müsse sich wieder darauf konzentrieren, was tatsächlich an Regelungen notwendig ist. Ständig neue Vorschriften gingen mit dem Einsatz von immer mehr Personal einher, das mit Blick auf die demografische Entwicklung jedoch nicht mehr zu bekommen sei. Hier müsse die Kommunikation deutlich verstärkt werden, meinte Herrmann und bat die KPV abschließend, sich um dieses Thema „intensiv zu kümmern“.

DK

Immer im Einsatz für die Kommunalpolitik: Die Landtagsabgeordneten Maximilian Böltl und Wolfgang Fackler. Bild: GZ
Immer im Einsatz für die Kommunalpolitik: Die Landtagsabgeordneten Maximilian Böltl und Wolfgang Fackler. Bild: GZ

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?

Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung