Die Experten im Umweltausschuss lobten die Offensive Bayerns, als elftes Bundesland ein Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Doch sie waren sich auch darin einig, dass im Gesetzentwurf noch zusätzliche Aspekte berücksichtigt werden sollten. Dazu zählen beispielsweise Controlling, Reporting, Monitoring und die Möglichkeit nachzubessern. Dr. Johannes Gnädinger, Geschäftsführer der Prof. Schaller UmweltConsult GmbH, betonte: „Wir brauchen eine zentrale Stelle, die überwacht, ob Zielvorgaben erfüllt werden und eventuell gegensteuert.“
Konnexitätsprinzip
Der Sachverständige ging ausführlich auf die Relevanz des Gesetzentwurfs für die Kommunen ein. Beispielhaft zitierte er aus der Bayerischen GemeindeZeitung (https://www.gemeindezeitung.de/archiv/2020/GZ-15-16-2020.PDF), in der Stefan Graf, Direktor des Bayerischen Gemeindetags, die Problematik des Konnexitätsprinzips in diesem Zusammenhang erläutert.
„Wenn der Staat verbindliche Regeln für staatliche Unterstützungsleistungen im Bereich Klimaschutz trifft, zeigt er sich als verlässlicher Partner der Kommunen“, so das Fazit des Experten.
Vorgaben statt Deregulierung
Aus Gnädigers Sicht brauchen die Kommuen klare Vorgaben um gemeinsam zu planen. Beispielsweise sei bei der Steuerung der Windenergie zuviel dereguliert worden. „Wir brauchen einen gemeinsamen Regionalplan, der vorschreibt, wie wir den Raum zusammen entwickeln können“, sagte der Unternehmer. Als Vorbild nannte er Bayerns Öko-Modellregionen, zu denen bereits 27 Regionen gehören.
Keine Schubladen-Konzepte
Wichtig sei jedoch auch, dass der Staat Kommunen per Gesetz noch effektiver dabei unterstützt, dass entwickelte Konzepte nicht in der Schublade landeten, sondern auch umgesetzt werden könnten – vom Flächenmanagement bis zum Radwegekonzept. Prof. Dr. Ingrid Kögel-Knabner, Inhaberin des Lehrstuhls für Bodenkunde, Technische Universität München, pflichtete ihm bei:
„In meiner eigenen Gemeinde sind viele engagierte Kommunalpolitiker aktiv, die der Staat nicht alleine lassen sollte. Dabei wünschen sich diese Leute mehr Vorgaben und Richtwerte von der Staatsregierung, um Klimaschutzziele umzusetzen.“
Kögel-Knabner kritisierte das fehlende unabhängig organisierte Monitoring, wie es auch der Bund habe:
„Wir bleiben in dem Gesetzentwurf viel zu vage und wissen am Ende gar nicht, was wir erreicht haben.“ Dr. Stephan Sina, Koordinator interne Rechtsberatung Ecologic Institute Berlin, ergänzte: „Wichtig ist dabei festzulegen, wer an der Fortschreibung von Programmen beteiligt wird und in welchem verbindlichen Zeitrahmen.“
Kompetenzen für Kommunen
Christian Maaß, Geschäftsführer Hamburg Institut für Klima & Energie, forderte, dass die Länder noch viel mehr Gesetzgebungskompetenz – beispielsweise was die klimaneutrale Gebäudeversorgung betrifft – an die Kommunen weitergeben sollten.
„Diese müssen dann natürlich auch mit Förderprogrammen hinterlegt werden. Aber es braucht eine gesetzliche Grundlage, damit Klimaschutz in den Kommunen flächendeckend umgesetzt werden kann.“
Dr. Jürgen Landgrebe, Leiter der Deutschen Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt, hält es für nötig, besondere Anreize im kommunalen Bereich für Verkehrsplanung, Planungsrecht und Bauordnung zu schaffen. Gleichzeitig müsse es aber auch einen Passus im Gesetzentwurf geben, der den Umgang mit Maßnahmen zwischen Bund und EU-Ebene regelt, sagte Prof. Dr. Karen Pittel, Leiterin des ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen.
Sie forderte zudem, die Mitglieder des Klimarates verstärkt aus dem Bereich der Wissenschaft zu rekrutieren und das Gremium mit finanziellen Mitteln auszustatten, sodass beispielsweise unabhängige Studien beauftragt werden können. Lob für Hightech Agenda Prof. Dr. Wolfgang Arlt, ehemals Inhaber des Lehrstuhls für Thermische Verfahrenstechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, betonte die Bedeutung der bayerischen Hightech Agenda.
„Die Chance liegt darin, dass Bayern CO2-arme Technologien entwickelt, um diese weltweit zu exportieren. Großes Potenzial bietet beispielsweise die Wasserstoff-Technologie, weil sie auf die Infrastruktur der Mineralölindustrie zurückgreifen kann und exportfähig ist.“
Martin Geilhufe, Landesbeauftragter Bund Naturschutz in Bayern e. V., forderte mehr Mut und appellierte an die Politik auch Entscheidungen zu treffen, bei denen Erfolge erst nach einigen Legislaturperioden eintreten.
Übereinkommen von Paris
Denn um den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen, wie im Übereinkommen von Paris 2015 beschlossen, reiche eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen je Einwohner bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent nicht. Dieses Ziel ist im Gesetzentwurf formuliert.
„Bezogen auf den Durchschnitt des Jahres 1990 muss der CO2-Ausstoß um mindestens 67 % reduziert werden, um die Vorgaben von Paris zu erzielen. Diese aufzunehmen, halte ich für sehr wichtig“, sagte Geilhufe. Landgrebe forderte in diesem Zusammenhang nicht nur ein spezifisches Pro-Kopf-Ziel an Treibhausgasemissionen festzulegen, sondern ein absolutes Ziel, zusätzliche Zwischenziele und Ziele, die sich auf relevante Sektoren wie Solar, Wind und Gebäude beziehen.
Motivieren und mitnehmen
„Motivation und Mitnehmen, Überzeugen statt Vorschreiben, Freiwilligkeit statt Verbote“ sind die Zielvorgaben der CSU-Fraktion beim Bayerischen Klimaschutzgesetz.
„Wir sind auf dem richtigen Weg ... und wollen mit dem richtigen Rahmen überzeugen. Der Freistaat geht hier mit seiner Vorbildfunktion voran: So will die bayerische Staatsverwaltung bis 2030 Klimaneutralität erreichen und bis spätestens 2050 soll ganz Bayern klimaneutral sein. Dafür müssen wir Klimapolitik und Innovation koppeln“, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Tanja Schorer-Dremel.
Ihr Fraktionskollege Martin Huber schloss sich ihren Ausführungen an: „Nur wenn sich Ökologie und Ökonomie ergänzen, können die Klimaziele auch erreicht werden, ohne gleichzeitig unsere sozialen Standards zu gefährden. Für die CSU-Landtagsfraktion gilt daher der Dreiklang aus Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und sozialer Verträglichkeit.“
Benno Zierer (Freie Wähler) stellte klar, dass das Engagement hinsichtlich erneuerbarer Energien weiter gestärkt werden müsse.
Opposition fordert objektive Prüfungen
Florian von Brunn (SPD) betonte, dass das Umweltbundesamt und Rechtsexperte Sina genau die Punkte bemängeln, die die SPD in ihrem Änderungsantrag bereits forderten:
„Wir brauchen ein unabhängiges Expertengremium, welches regelmäßig das Erreichen der Klimaziele objektiv überprüft und verbindliche Konsequenzen, wenn die Klimaziele in Bayern verfehlt werden. Dieser Gesetzentwurf ist so weich und unverbindlich, dass er für den dringend notwendigen Klimaschutz in Bayern nichts bringt.“
Auch Martin Stümpfig, Klimaschutzsprecher der Landtags-Grünen, kritisierte:
„Ohne konkrete Zielvorgaben zur Senkung des CO2-Ausstoßes in den einzelnen Sektoren und ohne ein regelmäßiges Monitoring der Zahlen, ist dieses Klimaschutzgesetz ein zahnloser Tiger. Wir brauchen deshalb zwingend Konkretisierungen und müssen vor allem auch die Städte und Gemeinden als Umsetzer der Klimaschutzmaßnahmen besser mit einbinden. Zudem muss der Klimarat als unabhängige Beratungs- und Überwachungsinstanz gestärkt und mit einem klar definierten Aufgabengebiet ausgestattet werden.“
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