Bereits im April diskutierten Kathrin Alte, Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Anzing, und Dr. Birgit Kreß, Erste Bürgermeisterin von Markt Erlbach sowie Zweite Vizepräsidentin des Bayerischen Gemeindetags – beide Bürgermeisterinnen sind Mitglieder der ARGE „Frauen führen Kommunen“ des Bayerischen Gemeindetags – mit Innenstaatssekretär Sandro Kirchner Herausforderungen für Frauen im Bürgermeisterinnenamt.
Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Das Änderungsgesetz soll auch dazu dienen, Frauen den Weg in die Kommunalpolitik zu erleichtern. „238 Bürgermeisterinnen haben wir in Bayern – das sind 10 Prozent aller Rathauschefs im Freistaat“, so Alte. Sie appellierte an die Staatsregierung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit dem Ehrenamt einzutreten: „Es geht uns aber auch darum, im Vorfeld der Kommunalwahl 2026 weitere Hürden abzubauen. Damit mehr Frauen sich entscheiden können, Bürgermeisterin werden zu wollen, Verantwortung zu übernehmen und vor Ort zu gestalten.“ Für Herbst wurde eine Fortsetzung der Gespräche vereinbart.
Kirchner befürwortete diesen konstruktiven Dialog: „Frauen sind in kommunalen Ämtern leider nach wie vor deutlich unterpräsentiert. Wir wollen die Attraktivität kommunaler Ämter daher gerade auch für sie erhöhen. Dabei ist es mir wichtig, mit Bürgermeisterinnen zu sprechen, die aus eigener Erfahrung berichten können, mit welchen Erschwernissen sie zu tun haben. Mit der laufenden Kommunalrechtsnovelle greifen wir einige Aspekte auf, z.B. soll das Amt der Ersten Bürgermeisterin oder des Ersten Bürgermeisters künftig schon ab 2.500 Einwohnern regelmäßig ein Haupt- und kein Ehrenamt mehr sein. Bisher liegt der Schwellenwert noch bei 5.000 Einwohnern.
Außerdem sollen Kommunen Ratsmitgliedern mandatsbedingte Kosten für die Betreuung von Angehörigen entschädigen können, um an Sitzungen der kommunalen Gremien teilnehmen zu können. Das soll Bürgerinnen und Bürgern die Übernahme eines kommunalen Mandats erleichtern und die Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt verbessern helfen. Das sind nur zwei Beispiele. Das Thema bleibt für uns eine Daueraufgabe, bei der wir immer auch die aktuellen Bedürfnisse der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger vor Ort im Blick haben müssen. Der Austausch hierzu war gut und zielführend. Ich bin daher gerne bereit, diesen mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern fortzuführen.“
Änderungen soll es mit der Kommunalrechtsnovelle auch in der Entschädigung der künftigen Bezirkstagspräsidenten und -präsidentinnen geben:
„Die zunehmende Bedeutung der Bezirke muss sich daher auch in der angemessenen Entschädigung für dieses Ehrenamt widerspiegeln“, so Kommunalminister Joachim Hermann. Ob Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur, Heimat oder Umwelt: Die Aufgaben der Bezirke sind vielfältig. Hinzu komme ein Haushalt in Milliardenhöhe sowie riesige Personalkörper mit mehreren tausend Mitarbeitern.
Weitere angestrebte Änderungen sind der Wegfall der Altersgrenze für hauptamtliche Mandatsträgerinnen und -träger, der Ausbau hybrider Sitzungen sowie Livestreams, geschlechterneutrale Formulierungen der Kommunalgesetze und die Möglichkeit für gemeindliche Unternehmen selbst Energie in einer Menge erzeugen zu dürfen, die den örtlichen Bedarf übersteigt. „Indem wir die Energieerzeugung auf eine breitere Grundlage stellen, gewährleisten wir Versorgungssicherheit und machen uns unabhängiger von Energieimporten“, teilte Hermann mit.
Online-Umfrage der Landtags-Grünen
Die Landtags-Grünen haben im Sommer 2022 die Kommunalrechtsnovelle zum Anlass genommen, Informationen direkt mittels Online-Umfrage bei den betroffenen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mandatsträgerinnen und -trägern einzuholen (vgl. GZ Ausgabe 11/2022).
Johannes Becher, MdL und Sprecher für kommunale Fragen und frühkindliche Bildung, Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag, legte nun die Ergebnisse dieser – nicht repräsentativen – Umfrage vor. Eine „Herzensangelegenheit“ für Becher, selbst Stadtrat in Moosburg, denn die meist ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und -politiker sichern die Demokratie vor Ort:
„Diesen Menschen müssen wir, ganz im Sinne der in der Verfassung festgelegten kommunalen Selbstverwaltung, wieder mehr zutrauen, damit sie in der Lage sind, kompetente Entscheidungen zu treffen.“
Über 800 Personen haben sich an der Umfrage beteiligt. Darunter 132 Erste Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Das freute Becher besonders, da die Grünen selbst nur 10 Erste Bürgermeister und eine Erste Bürgermeisterin stellen:
„Das zeigt, dass parteiübergreifend teilgenommen wurde und so sollte Kommunalpolitik schließlich funktionieren.“ Aus der Umfrage konnten die Erkenntnisse gewonnen werden, dass eine relevante Mehrheit sich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt sowie mehr aktive Frauen in der Kommunalpolitik wünsche; Jugend- und Seniorenbeteiligung sollen institutionalisiert und das Onlineangebot, um das Mandat ausüben zu können, ausgebaut werden. Dabei ist zu betonen, dass Kommunalpolitik aber analog bleibe.
Klimaschutz und Klimafolgenanpassung sollen zu kommunalen Pflichtaufgaben erklärt werden. Erstaunlicherweise plädierte eine Mehrheit für die Beibehaltung der Altersgrenze und auch für eine Amtszeitbegrenzung. Außerdem wünsche man sich einen leichteren Zugang zu Informationen, also mehr Transparenz. Im Anschluss an die Auswertung der Umfrage haben die Landtagsgrünen folgende Änderungsanträge erarbeitet:
1. Zeitlich begrenzte Vertretungsmöglichkeit durch Nachrücker: Dies erleichtere Auslandsaufenthalte und Elternzeit. Viele treten erst gar nicht zur Wahl an, da das kommunale Ehrenamt nicht in die Lebensplanung passe.
2. Gesetzlicher Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber für mandatsbedingte Tätigkeiten.
3. Veröffentlichung von Sitzungsniederschriften, auch online.
4. Die Durchführung von Hybridsitzungen soll künftig mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können. „Es ist absurd, dass über den Haushalt mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann, aber bei der Frage, ob Sitzungen auch online durchgeführt werden sollen, braucht es eine 2/3-Mehrheit“, erklärte Becher.
5. Individuelle Informationsrechte gegenüber der Verwaltung: Momentan habe, laut Becher, nur das gesamte Gremium, nicht der Einzelkämpfer, ein Auskunftsrecht. Solange es für die Verwaltung leistbar ist, muss jeder wissen dürfen, worüber geredet werde, denn „gute Sitzungsunterlagen sind eine gute Diskussionsgrundlage“.
6. Klimaschutz und Klimaanpassung sollen kommunale Pflichtaufgaben werden.
7. Landkreisen soll sozialer Wohnungsbau ermöglicht werden. Bisher sei das eine Aufgabe der Gemeinden, die aber in der Größenordnung in der Sozial-
wohnungen benötigt werden, nicht handlungsfähig seien.
8. Einrichtung von Bürgerfragen unmittelbar vor Ratssitzungen.
9. Mitspracherecht von Jugendlichen und Senioren.
10. Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei den Kommunalwahlen, denn Jugendliche sind von kommunalen Entscheidungen direkt betroffen, können aber nicht mitbestimmen.
11. Passives Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger der EU. Warum soll eine Österreicherin nicht Bürgermeisterin werden dürfen, wenn es in Rostock doch einen dänischen Bürgermeister gab?
12. Und schließlich sollen alle Kommunalwahlunterlagen in leichter Sprache und zum Teil in Englisch verfasst sein.
Weitere Informationen zur Auswertung der Umfrage und zu den Änderungsanträgen können hier abgerufen werden: https://t1p.de/bstdb
Umfrage der KPV
Die Kommunalpolitische Vereinigung der CSU (KPV) führte ebenfalls eine eigene Umfrage unter ihren über 15.000 Mitgliedern durch. Rückmeldung gaben ca. 1.600 Kommunalpolitikerinnen und -politiker. 21 Prozent waren Teilnehmerinnen. Die Aufhebung der Altersgrenze für Landräte, Bürgermeister und berufsmäßige Gemeinde- bzw. Stadtratsmitglieder wurde von 48 Prozent abgelehnt. 35 Prozent waren klar dafür, 17 Prozent verblieben neutral. Mit 61 Prozent befürwortet die Mehrheit der Teilnehmenden eine Absenkung der Einwohnergrenze für die Hauptamtlichkeit des Ersten Bürgermeisters/der Ersten Bürgermeisterin. 59 Prozent wünschen eine Ergänzung der Entschädigungsvorschriften zur besseren Vereinbarkeit von Familie und einem ehrenamtlichen Mandat und 68 Prozent befürworten die Aufnahme einer Bestimmung zur Betätigung gemeindlicher Energieversorgungsunternehmen. Keine eindeutigen Mehrheiten ergaben die Fragen nach der Möglichkeit des Versands von Briefwahlunterlagen ohne Antrag bei Bürgerentscheiden, Bürger per Livestream an Bürgerversammlungen zu beteiligen bzw. die Öffentlichkeit von kommunalen Gremiensitzungen über Livestreams und Mediatheken zu erweitern, eine staatliche Plattform für die Durchführung von kommunalen Gremien einzurichten, nach dem Entfall des Verbots der Stimmenhäufung bei Mehrheitswahlen und nach der Änderung der Fristenregelung betreffend die Einberufung der konstituierenden Sitzung nach der Kommunalwahl.
CH
TV-Beitrag von TV-Bayern.
Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!