(GZ-20-2021) |
► Serie „Kommunale Entwicklungspolitik anders denken“: |
Teil 6: „Nicht abwarten, sondern anpacken!“ |
Im Rahmen ihrer Masterarbeit behandelte unsere Autorin Anja Schuchardt das Thema „Kommunale Entwicklungszusammenarbeit“. Sie sprach dazu mit Altlandrat Franz Meyer. Altlandrat Franz Meyer sieht sich als Teil einer weltweiten Schicksalsgemeinschaft – und er sieht viel Potenzial in der Entwicklungszusammenarbeit in Sachen Klimaschutz. Beide Themen hat er in seinem Amt als Landrat des Landkreises Passau zusammengebracht und als erster Landkreis in Bayern im Jahr 2019 die Nachhaltigkeitsstrategie 2030 der Vereinten Nationen verabschiedet. Als Botschafter für kommunale Entwicklungszusammenarbeit versucht er Mitstreiter in den Landkreisen, Städten und Gemeinden zu finden. Wir haben ihn gefragt, wie Kommunen von einem entwicklungspolitischen Engagement profitieren. Und auch welche Chancen sich für die Zusammenarbeit in Zeiten der Corona-Pandemie ergeben.
GZ: Seit September 2020 tragen Sie den Ehrentitel „Altlandrat“. Wie fühlt sich die Auszeichnung für Sie an und wie gehen Sie das neue Jahr vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie politisch an? Meyer: Ich bin sehr dankbar und freue mich sehr darüber, dass der Kreistag des Landkreises Passau mir den Ehrentitel „Altlandrat“ verliehen hat und zugleich auch einen Beschluss gefasst hat, dass ich die höchste Auszeichnung des Landkreises, den Ehrenring in Gold bekomme. Dieser Ehrentitel erleichtert mein weiteres ehrenamtliches Engagement in mehreren Bereichen z. B. als neuer Vorsitzender der Verkehrswacht Stadt- und Landkreis Passau; auch im Präsidium der CSU Bayern bleibe ich ebenso aktiv wie innerhalb der Senioren Union in Niederbayern. GZ: Als Botschafter für kommunale Entwicklungspolitik – den Titel tragen Sie ebenfalls seit September 2020 – versuchen Sie andere Kommunen und Unternehmen für die Entwicklungszusammenarbeit zu gewinnen. Mit welchen konkreten Argumenten überzeugen Sie? Meyer: Ich bin sehr dankbar dafür gewesen, dass kurz nach meinem Ausscheiden als Landrat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mich bat, auch die Rolle als Botschafter für kommunale Entwicklungspolitik zu übernehmen. Grund dafür waren unter anderem die Entscheidungen, die wir im Landkreis Passau getroffen haben. Ich sage immer „wir“, denn man kann nicht alleine die Dinge machen, sondern immer nur in einem Team, einem starken Kreistag, der auch hinter einem steht. Bundesminister Dr. Gerd Müller kenne ich seit Jahrzehnten. Dass er mich jetzt mit dieser Aufgabe betraute, empfinde ich als besondere Ehre. Damit bin ich jetzt an der Seite von Dr. Siegfried Balleis, ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Erlangen, und Stefan Rößle, Landrat des Landkreises Donau-Ries, in einem Team von insgesamt 22 Botschaftern für kommunale Entwicklungspolitik, die der Minister berufen hat. GZ: Wie führen Sie das Ehrenamt als Botschafter für kommunale Entwicklungszusammenarbeit aktuell vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie? Meyer: Die Situation der Pandemie stellt schon eine besondere Herausforderung dar. Die Kommunen haben derzeit andere Schwerpunktaufgaben zu bewältigen. Aber ich sage immer, dass wir eine weltweite Schicksalsgemeinschaft sind. Das Leitmotiv bei uns im Landkreis Passau – und so gehe ich auch dieses Ehrenamt an – ist: „Nicht abwarten, sondern anpacken!“ So haben wir gerade vom Landkreis Passau eine deutsch-afrikanische Kooperation im Bereich Klimaschutz mit dem Senegal geschlossen. Wir müssen uns jetzt viel auf Videokonferenzen beschränken. Das wird auch eine der Schwerpunktthemen in der nächsten Zeit sein, dass man Nachhaltigkeit als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sieht, aufbauend auf Entscheidungen, die wir im Landkreis Passau angegangen sind. GZ: Könnten Sie unseren Lesern ein konkretes Beispiel geben, warum Kommunen von entwicklungspolitischem Engagement profitieren? Welchen konkreten Nutzen haben sie? Meyer: Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung. Aus dem Grund will ich Kommunen beraten, wie man sich einbringen kann. In vielen Gemeinden, Landkreisen oder kreisfreien Städten gibt es viele Privatinitiativen, hinter denen viele engagierte Menschen stehen. Die müssen wir in einem Netzwerk zusammenbringen und darin sehe ich meine große Aufgabe und unsere Chance. Mein Nachfolger im Amt des Landrats, Raimund Kneidinger, war viele Jahre mein Stellvertreter. Er hat ebenfalls ein Händchen dafür, die Leute zusammenzuführen. Gemeinsam versuchen wir Fördergelder, auch des Bundesministeriums, für Projekte zu bekommen. Wichtig ist, dass nicht kommunale Gelder aus dem Kommunalhaushalt in Anspruch genommen werden, sondern private Spenden oder Zuwendungen von Wirtschaftsunternehmen. Wir hatten im vergangenen Jahr z. B. im Landkreis Passau einen großen Betrieb, der auf sein Feuerwerk verzichtete und das Geld für ein Schulbauprojekt in Uganda im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative „1000 Schulen für unsere Welt“ zur Verfügung stellte. GZ: Und wie haben Sie diesen privaten Spender überzeugen können? Meyer: In einem persönlichen Gespräch. Aber der Unternehmer war sehr aufgeschlossen. Er hat gesagt: „Wenn du zu mir kommst, dann bekommst du einen Scheck von mir!“. Es gibt viele Unternehmen, die sehr aufgeschlossen sind zu helfen. GZ: Der Landkreis Passau war der erste Landkreis in Bayern, der im Dezember 2019 die Nachhaltigkeitsstrategie 2030 der Vereinten Nationen verabschiedete. Seit November 2019 ist zudem Sabrina Hoffmann als Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik im Landkreis Passau verantwortlich. Empfehlen Sie anderen Kommunen ebenfalls, eine eigene Stelle für die Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen? Meyer: Ich glaube, dass es weniger auf Gemeindeebene, aber auf Landkreisebene wichtig ist, dass es direkte Ansprechpartner gibt, auch beim Thema Nachhaltigkeit, Klimaschutz und erneuerbare Energien. Und da kann so eine Stelle – als Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik – helfen. Aber dafür braucht es gewisse Voraussetzungen. Wir haben mit der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsstrategie im Dezember 2019 die Grundlage dafür geschaffen, dass die Stelle von Seite des Bundes gefördert wurde. GZ: Sie stehen mit Frau Hoffmann in engem Austausch und informieren sich über aktuelle Angebote der SKEW – wie definieren Sie Ihren Part in dieser Zusammenarbeit als Botschafter? Meyer: Wir hatten kürzlich eine Videokonferenz im Rahmen der Klimapartnerschaft mit einer Region im Senegal und ich war da mit eingebunden. Wir haben einen sehr engen Austausch untereinander unter Federführung des Landrats. Das ist wichtig, dass der Landrat hinter dieser Sache steht. Und wir uns dann entsprechend abstimmen und dass wir immer auf gleicher Augenhöhe mit den Partnern agieren. Und nicht zu vergessen: Wichtig ist dabei auch, dass sich die Personen gut miteinander verstehen. GZ: Gab es – neben der Flüchtlingskrise 2015 und dem Bewusstsein dafür, dass wir eine weltweite Schicksalsgemeinschaft sind – einen Auslöser dafür, dass Sie sich die Entwicklungspolitik bereits als Passauer Landrat auf die Fahne geschrieben haben? Meyer: Das waren die Themen Klimaschutz, erneuerbare Energien, CO2 einsparen. Der Landkreis Passau kann seinen Stromverbrauch im Landkreis mit 67 Prozent aus erneuerbaren Energien abdecken ohne die großen Wasserkraftwerke am Inn und Donau. Sonst hätten wir 150 Prozent. Ich habe 2011 einen neuen Fachbereich für erneuerbare Energien, Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Landratsamt geschaffen, für den jetzt Peter Ranzinger verantwortlich ist. GZ: Was können deutsche Kommunen und Partner im Globalen Süden voneinander lernen? Meyer: Es ist wichtig, dass wir die Dinge entsprechend auch erläutern, also Bewusstseinsbildung, der Umgang mit Müll, Aufforstung. All diese Themen sind wichtig, sich da im Gespräch auszutauschen, aber immer auf gleicher Augenhöhe. GZ: Wie wichtig ist es denn, dass die Entwicklungszusammenarbeit „ein Gesicht hat“, dass man sich kennt – also das Netzwerk, das Sie bereits angesprochen haben? Meyer: Ich stelle fest, dass sehr viele Leute hier bei uns in Niederbayern sich in der Entwicklungspolitik engagieren. Aber der eine weiß vom anderen nichts. Und deshalb ist es wichtig, die Kontakte zu bündeln. Deshalb werde ich auch, sobald es wieder möglich ist, auf meine Landratskollegen zugehen. Denn das persönliche Gespräch ist immer besser. GZ: Welche Perspektiven bieten sich aktuell vor dem Hintergrund der Pandemie für das entwicklungspolitische Engagement? Meyer: Als langjähriger Landes- und Kommunalpolitiker weiß ich, dass derzeit die Oberbürgermeister und Landräte vor riesigen Herausforderungen stehen, Menschenleben zu schützen, Bundespolitik umzusetzen und der Schwerpunkt daher logischerweise woanders liegt. Aber Entwicklungszusammenarbeit darf nicht untergehen. Aus diesem Grund bin ich immer im Gespräch mit Landratskollegen, mit dem Bayerischen Landkreistag und wichtig ist mir auch der Gemeindetag. Denn ich stelle fest, dass unsere Bürgermeister und Gemeinden hinter unserem Konzept stehen. Das sind oft kleine Dinge, z. B. bei der CO2-Einsparung, die wir als Zielvorgabe umsetzen können. Man muss ja schließlich auch Ziele haben im Leben. GZ: Welche Chancen sehen Sie denn auf der kommunalen Ebene, was sich durch die Corona-Pandemie verändern wird? Meyer: Die Videokonferenzen waren vor einem Jahr wesentlich weniger als jetzt. Und die technischen Voraussetzungen für den digitalen Austausch sind sehr schnell umgesetzt worden – ob auf kommunaler Ebene, Bundes- oder Landespolitik oder auch wie im Präsidium der Partei. Das ist eine neue Herausforderung, aber auch ein Ergebnis, dass virtuelle Konferenzen in Zukunft sicher stärker zum Tragen kommen werden. Und wir hatten wie erwähnt die Videokonferenz zum Klimaschutz mit Partnern aus dem Senegal. Das war eine herausragende Situation und hervorragend organisiert, weil wir Themen im digitalen Gespräch bereits konkret angehen konnten. Meyer: Der kann sicher enger werden! Und wir werden die Organisation solcher Konferenzen im Sinne eines interkulturellen Austauschs, gegenseitigen Lernens und der Übernahme einer globalen Verantwortung – was ja im Vordergrund steht – verstärkt angehen. |
Anja Schuchardt
1. Teil der Serie...
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