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(GZ-20-2021)
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► Serie „Kommunale Entwicklungspolitik anders denken“:

 

Teil 7: „Die Menschen sollen Konflikte erleben“

 

Im Rahmen ihrer Masterarbeit behandelte unsere Autorin Anja Schuchardt das Thema „Kommunale Entwicklungszusammenarbeit“. Sie sprach dazu mit Dr. Thomas Hüsken, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Facheinheit Ethnologie der Universität Bayreuth. Dr. Thomas Hüsken hat als Ethnologe im Rahmen von Feldstudien Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit in verschiedenen Ländern gesammelt. Seine Beobachtungen gibt er unter anderem in Trainings weiter. Im Interview betont Hüsken, wie wichtig „Neugierde auf das Fremde“ und auch das Auseinandersetzen mit Kontroversen sind.

GZ: Sie haben selbst jahrelang Teamtrainings für diverse Gruppen konzipiert und geführt. Wie beurteilen Sie Konzepte zu Interkulturellen Trainings, die im Rahmen von Rollenspielen die Teilnehmer auf verschiedene Kulturen vorbereiten sollen?

Hüsken: Ich habe immer vermieden, den Leuten mit irgendwelchen Identitätsbauklötzchen und vorgeschriebenen Kategorien von einer sogenannten „kulturellen Identität“ zu kommen. Vielmehr habe ich versucht, die Leute miteinander in ein Gespräch über ihre Vorstellungen zu bringen. Wenn ich überhaupt zum Thema Kultur trainiert habe, dann sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigene kulturelle Identität ausloten und beschreiben. Dann kommen sie immer an einen Punkt, an dem das Ganze so divers und differenziert wird, dass sie feststellen: Ich kann mich da eigentlich auf gar nichts Konkretes festlegen – ob ich mich beispielsweise als Deutsche oder als Bewohnerin eines Dorfes oder als Kölnerin sehe. Was man in Trainings natürlich machen kann ist die ganz klassische Landeskunde: Wirtschaft, Politik, Recht und auch Kulturgeschichte.

GZ: Wie bereiten Sie Teilnehmer denn ganz konkret auf ihre Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit vor?

Hüsken: Ich versuche die Menschen zu ermuntern, in echte Auseinandersetzungen zu gehen. Dazu muss man auf Diversität neugierig sein und sie auch aushalten. Klar ist es einfacher, wenn Konflikte vermieden werden können. Aber in meinen Trainings sollen die Menschen Konflikte erleben, damit sie lernen, sie zu reduzieren. Letztlich sollen wichtige Projekte nicht an Kontroversen scheitern.

Im Rahmen eines kommunikativen Prozesses macht man sich gemeinsam auf den Weg und handelt Entscheidungen aus. In der Entwicklungszusammenarbeit stoßen wir dabei auf ein grundsätzliches Problem: Das Geld kommt aus Deutschland und soll in konkrete Projekte vor Ort einfließen. Tunlichst in einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Der Begriff der Partizipation ist nichtsdestotrotz bei der lokalen Bevölkerung mit Ambivalenzen und Ressentiments konnotiert.

GZ: Als Basis der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit wird vor allem diese „Kommunikation auf Augenhöhe“ hervorgehoben – wozu auch Teilhabe gehört. Warum beschreiben Sie Partizipation als ambivalenten Begriff?

Hüsken: Diese Partizipation ist oft nur ein Versprechen, das in der Praxis nicht eingelöst werden kann. Das liegt nicht immer nur an den Durchführungsorganisationen oder den Geberländern. Leider sind die Regierungen und Verwaltungen in den Partnerländern häufig an der Partizipation der lokalen Bevölkerung gar nicht interessiert. Wenn es um kulturelle Befreiung geht, stoßen wir so an Grenzen. Dann müssen Kompromisse gefunden werden, auch solche, die schmerzen. Die konkrete Entwicklungszusammenarbeit erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl.

GZ: Sie haben vorhin angesprochen, dass man Diversität aushalten muss und dann gemeinsam Entscheidungen aushandeln sollte. Wie gestalten sich die Prozesse konkret in der Entwicklungszusammenarbeit?

Hüsken: Je autoritärer die Bedingungen in den Ländern sind, in denen man arbeitet, desto schwerer ist es. Im Grunde genommen muss man ein Stück weit pragmatisch und strategisch vorgehen und ausloten, was jeweils machbar ist. Als GIZ kann man dann manchmal nur ganz kleine Schritte gehen und versuchen sich Freiräume zu erarbeiten, in denen die lokale Bevölkerung und ihre Vertreter agieren und sich artikulieren können. Das ist aber echt ein dickes Brett.

Hilfreich kann dabei eine Prozessbegleitung mit Unterstützung in der täglichen Arbeit sein. Fragen wie „Wo fühle ich mich unverstanden?“ oder „Wo sind mir Türen verschlossen und warum?“ gilt es zu klären.

In der Sozialarbeit nutzt man diese Art der Supervisionschon lange. In der Entwicklungszusammenarbeit ist diese Form bis heute noch unterentwickelt. Da wird dann nur gesagt: Sie haben ja Länderkunde und einen interkulturellen Kurs in der Vorbereitung gemacht, das muss reichen. Da ist wirklich noch viel Luft nach oben.

Anja Schuchardt

 

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